zum Hauptinhalt
Kurz vor dem Start des Großmanövers „Air Defender“ posiert Ingo Gerhartz, der Inspekteur der Luftwaffe, auf dem Fliegerhorst Jagel.

© Imago/Nikito

Nato-Luftmanöver in Deutschland beginnt: Eine Machtdemonstration mit Nebenwirkungen

250 Militärmaschinen starten diesen Montag die größte Luftübung der Nato-Geschichte. Für die einen ist es Abschreckung, für die anderen Säbelrasseln.

Ein Flieger nach dem anderen ist in den vergangenen Tagen auf den Luftwaffenstützpunkten Jagel in Schleswig-Holstein, Wunstorf in Niedersachsen und Lechfeld in Bayern gelandet.

Das sind die Drehkreuze für die größte Übung am Himmel seit Gründung der westlichen Verteidigungsallianz, die an diesem Montag beginnt, 250 Flugzeuge und rund 10.000 Soldatinnen und Soldaten nehmen teil. Einige der rund 2000 geplanten Flüge werden auch von Spangdahlem in Rheinland-Pfalz sowie von Volkel in den Niederlanden und Čáslav in Tschechien aus starten.

Zwar findet ein größerer Teil der Flugbewegungen über Nord- und Ostsee statt. Erstmal seit Ende des Kalten Krieges, währenddessen Tiefflüge und Knalleffekte beim Durchbrechen der Schallmauer zum bundesdeutschen Alltag gehörten, dürften die Bürgerinnen und Bürger nun bis zum 23. Juni wieder aktiv etwas vom militärischen Geschehen über ihnen mitbekommen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Eine Botschaft an Wladimir Putin

Wie die Bundeswehr im Vorfeld mitgeteilt hat, werden der „Übungsraum Ost“, womit weite Teile der neuen Bundesländer und Berlin gemeint sind, jeweils zwischen 10 und 14 Uhr „für die militärische Nutzung zeitweise reserviert sein“.

In diesen drei Lufträumen findet das Nato-Manöver statt.
In diesen drei Lufträumen findet das Nato-Manöver statt.

© Tsp/Bartel | Quelle: dpa, Bundeswehr, Deutsche Flugsicherung

Das ist auch der Grund, warum die deutschen Fluglotsen mit Verspätungen im zivilen Luftverkehr rechnen, die sich laut Ingo Gerhartz, dem Inspekteur der Luftwaffe, aber angeblich nur „im Minutenbereich“ bewegen sollen.

Das betrifft dann auch den „Übungsraum Süd“ in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zwischen 13 und 17 Uhr sowie die norddeutsche Küstenregion zwischen 16 und 20 Uhr.

Dass rund 100 der 250 beteiligten Flugzeuge aus den USA kommen, ist doppelt bedeutsam. Zum einen militärisch, weil sich frühere „Defender“-Übungen auf die teils monatelange Verlegung von US-Landstreitkräften konzentrierten, nun aber eine viel schnellere Reaktion aus der Luft geprobt wird, was die „transatlantische Verbindung im Krisenfall“ stärke, wie Gerhartz kürzlich dem Tagesspiegel sagte.

Zum anderen ist es gegenüber Russland eine politische Machtdemonstration, die signalisieren soll, dass Europa im Falle eines Angriffs nicht alleine steht.

Da passte es ins Bild, dass Amy Gutmann als US-Botschafterin in Deutschland die Übung vergangene Woche zum Anlass für einen gemeinsamen Presseauftritt mit Luftwaffeninspekteur Gerhartz nahm und darin auch Kremlchef Wladimir Putin adressierte: „Es würde mich sehr wundern, wenn irgendein Staatsoberhaupt der Welt nicht zur Kenntnis nehmen würde, was das Manöver in Bezug auf die Stärke dieses Bündnisses, zeigt - und das schließt Herrn Putin ein“.

64
Mit so vielen Flugzeugen ist die Bundeswehr bei „Air Defender“ vertreten.

Die politische Bedeutung des Großmanövers, das bereits 2018 ersonnen wurde, nun aber in einer ganz neuen Sicherheitslage stattfindet, wird allein schon durch die Gästeliste deutlich, die längst nicht nur Verteidigungsminister Boris Pistorius umfasst.

Für den kommenden Freitag hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz am Fliegerhorst Jagel angekündigt. In der Woche darauf wird Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Übung in Augenschein nehmen.

Luftkampf, Tiefflüge, Raketenabwehr

Unter anderem der Luftwaffen-General Günter Katz hat dieser Tage berichtet, was unter deutscher Federführung alles trainiert werden soll. So wird etwa „ein Luftkampf in bis zu 20 Kilometer Höhe“ simuliert, bei dem „Jagdbomber ein bestimmtes Ziel angreifen und andere das verhindern sollen“.

Aus dem Militärtransporter A400 M der Bundeswehr, die auch mit Eurofightern wie Tornados und insgesamt mit 64 Flugzeugen vertreten ist, werden auch Fallschirmjäger abgesetzt.

Geübt werden soll auch eine Evakuierungsoperation, der Schutz von Häfen und anderer kritischer Infrastruktur sowie die Abwehr feindlicher Raketen und Marschflugkörper. Tiefflüge, die in einer Höhe von nicht weniger als 330 Meter stattfinden dürfen, kann es nach Angaben von Katz ebenfalls vereinzelt geben.

Mehrere hundert Menschen haben am Wochenende vor dem Fliegerhorst Wunstorf gegen das Nato-Luftmanöver demonstriert.
Mehrere hundert Menschen haben am Wochenende vor dem Fliegerhorst Wunstorf gegen das Nato-Luftmanöver demonstriert.

© dpa/Fernando Martinez

Obwohl aus Sicht der Bundeswehr rein defensiv geprobt wird, teilen längst nicht alle diese Einschätzung. „Die Inszenierung von Kriegsspielen gegen eine sich im Krieg befindende Atommacht ist eine brandgefährliche Provokation“, die „die Gefahr eines dritten Weltkriegs erheblich erhöht“, teilte Zaklin Nastic, die Obfrau der Linken im Verteidigungsausschuss des Bundestags, zum Start des Manövers mit.

Es solle „die deutsche Bevölkerung weiter auf Kriegskurs bringen“. Am Samstag protestierten am Fliegerhorst Wunstorf rund 300 Demonstrantinnen und Demonstranten und folgten damit einem Aufruf mehrerer Friedensinitiativen.

Die Luftwaffe reagierte in den sozialen Medien selbst auf die Proteste: „Demonstrationen und Meinungsfreiheit sind in einer Demokratie unabdingbar. Dafür stehen wir im Ernstfall mit unserem Leben ein!“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false