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Ursula von der Leyen (CDU), Präsidentin der Europäischen Kommission, im EU-Parlament

© dpa/Philipp von Ditfurth

Spitzenkandidatur für Europawahl 2024?: „Frau von der Leyen, erklären Sie sich bitte!“

Vieles deutet auf eine zweite Amtszeit der EU-Kommissionschefin hin. In der Ampel wird aber gefordert, dass Ursula von der Leyen sich diesmal – anders als 2019 – dem Wählervotum stellen muss.

Soll sich Ursula von der Leyen vor einer möglichen zweiten Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin diesmal dem Votum der Wähler bei der Europawahl stellen? In der Ampel-Koalition in Berlin wird dies jedenfalls befürwortet. Aber die Entscheidung fällt letztlich in Brüssel und in anderen EU-Hauptstädten.

Die Europawahl findet zwar erst in gut einem Jahr statt. Aber schon jetzt positionieren sich die Parteien dafür. So wollen die Liberalen in Deutschland mit der Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann als EU-Spitzenkandidatin 2024 in den Europa-Wahlkampf ziehen.

Solche nationalen Frontfrauen wie Strack-Zimmermann sind allerdings nicht zu verwechseln mit europaweiten Spitzenkandidatinnen oder -kandidaten der Parteienfamilien. Diese Zusammenschlüsse wie die Europäische Volkspartei (EVP), der auch die CDU-Politikerin von der Leyen angehört, können solche aufstellen, müssen es aber nicht zwingend.

Es gibt EVP-Politiker, die von dem europäischen Spitzenkandidaten-Modell profitierten – und solche, die leer ausgingen. Zur ersten Kategorie gehört der Luxemburger Jean-Claude Juncker, der bei der Europawahl von 2014 als EVP-Spitzenkandidat antrat und anschließend Kommissionspräsident wurde.

In die zweite Kategorie fällt Manfred Weber (CSU), der heutige Chef der EVP. Er trat zwar 2019 als Spitzenkandidat an. Die EVP ging aus der Europawahl damals auch als stärkste politische Kraft hervor. Kommissionspräsident wurde Weber aber trotzdem nicht.

Anstelle von Weber kam von der Leyen überraschend auf den europäischen Chefposten, was am Willen der Staats- und Regierungschefs und vor allem am französischen Präsidenten Emmanuel Macron lag. Macron hielt die CDU-Frau, die bei der Europawahl nicht angetreten war, eher für geeignet für die Kommissionsspitze als den CSU-Mann Weber.

Tot ist das europäische Spitzenkandidaten-Modell aber trotzdem nicht. Im Koalitionsvertrag der Ampel heißt es sogar explizit: „Wir unterstützen ein einheitliches europäisches Wahlrecht mit teils transnationalen Listen und einem verbindlichen Spitzenkandidatensystem.“

Aus deutscher Sicht wäre eine zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen natürlich sinnvoll. Aber sie muss als Spitzenkandidatin der europäischen Konservativen antreten.

Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Fraktionsvize

Folglich mehren sich auch die Forderungen, dass sich von der Leyen diesmal – anders als 2019 – dem Wählervotum stellen soll, bevor sie ein mögliches zweites Mandat an der Spitze der Brüsseler Behörde antritt.

„Aus deutscher Sicht wäre eine zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen natürlich sinnvoll“, sagte FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff dem Tagesspiegel. „Aber sie muss sich wie alle anderen auch dem demokratischen Auswahlprozess durch die Europawahl stellen und als Spitzenkandidatin der europäischen Konservativen antreten“, fügte er hinzu. „Europa muss in der Wahl ein Gesicht bekommen, deshalb sind die Spitzenkandidaturen so wichtig“, sagte Lambsdorff.

„Das Modell SpitzenkandidatIn ist seit 2014 gemeinsamer politischer Wille der demokratischen Parteifamilien in der EU“, sagte auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer. „Frau von der Leyen, erklären Sie sich bitte!“, forderte er.

Die Kommissionschefin hatte es allerdings zu Beginn der Woche bei einem Besuch in der CDU-Parteizentrale offengelassen, ob sie ein zweites Mandat anstrebt und dabei gegebenenfalls auch das Spitzenkandidaten-Modell unterstützt.

Allerdings deutet vieles darauf hin, dass die 64-Jährige ihre eigene Nachfolge antreten könnte. Die Unterstützung von CDU und CSU hat sie jedenfalls. Zudem ist der Koalitionsvertrag so formuliert, dass sie auf die Hilfe von SPD, Grünen und FDP zählen könnte.

Allerdings fällt die endgültige Entscheidung nicht allein in Berlin. Sozialdemokraten und Konservative könnten sich auf europäischer Ebene, so wie 2014 und 2019, auch mit Blick auf die kommende Europawahl, wieder für das Spitzenkandidaten-Modell aussprechen.

Dieses Mal will man aber bei den beiden großen europäischen Parteienfamilien stärker als beim letzten Mal die Staats- und Regierungschefs in den Sondierungsprozess einbinden.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hält nichts vom Spitzenkandidaten-Modell.

© Reuters/Daniel Cole/Pool

Kompliziert wird die Lage dadurch, dass Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der 2019 die Pläne von Manfred Weber durchkreuzte, weder zum Lager der Sozialdemokraten noch zu den Konservativen gehört. Macron gilt als Gegner des Spitzenkandidaten-Modells, solange keine transnationalen Listen bei der Europawahl existieren. Und solche länderübergreifenden Verbindungen wird es im kommenden Jahr nicht geben.

Bei der Europawahl 2019 hatten sich die Liberalen auf europäischer Ebene dem Spitzenkandidaten-Modell verweigert. Statt einer Kandidatin oder eines Kandidaten boten sie gleich ein ganzes Spitzenteam auf.  Wie Europas Liberale, die im Europaparlament in der Renew-Fraktion organisiert sind, diesmal vorgehen, soll sich erst nach der Sommerpause entscheiden. Nicht ausgeschlossen wird, dass die Parteienfamilie erneut mit mehreren Spitzenleuten ins Rennen zieht.

Nach den Worten des FDP-Europaabgeordneten Moritz Körner finden derzeit Gespräche zwischen der europäischen liberalen Parteienfamilie ALDE, der „Renaissance“-Partei Macrons sowie weiteren Parteien zur Aufstellung für 2024 statt. Es sei geplant „mit gemeinsamen Kandidaten“ zur Europawahl anzutreten, so Körner. 

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