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In der Villa des Oligarchen Alischer Usmanow am Tegernsee gab es eine Razzia.

© Foto: Reuters/Louisa Off

Suche nach Vermögen der Oligarchen: Reformpläne der Bundesregierung fallen bei Experten durch

Die Ampel-Koalition will das Vorgehen gegen sanktionierte Oligarchen verbessern und dafür eine neue Behörde aufbauen. Kritik kommt nicht nur aus der Polizei.

Der russische Oligarch Alischer Usmanow war längst weg aus Deutschland, als die Razzia begann. Im September durchsuchten Beamte drei Villen am Tegernsee, in denen er viel Zeit verbrachte. Usmanow, der als „Strohmann“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin galt, hat seit dem russischen Überfall auf die Ukraine Einreiseverbot in der EU. Sein Vermögen wurde eingefroren, die Luxusjacht „Dilbar“ in Hamburg, die seiner Schwester zugeordnet wird, festgesetzt. Ermittelt wird nun gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und der Geldwäsche, der Oligarch bestreitet die Vorwürfe.

Die Villen und die Jacht könnten einen beträchtlichen Teil der Gesamtsumme der in Deutschland sanktionierten russischen Vermögen ausmachen. Bisher seien russische und belarussische Vermögenswerte im Wert von mindestens 5,046 Milliarden Euro eingefroren oder mit einem Transaktionsverbot belegt worden, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums dem Tagesspiegel.

Davon entfielen mehr als 2,2 Milliarden Euro auf Gelder, die deutsche Kreditinstitute der Bundesbank gemeldet hatten. Zudem wurden nach Angaben des Bundesfinanzministeriums „bewegliche Wirtschaftsgüter“ im Wert von knapp 1,1 Milliarden Euro eingefroren. In letztere Gruppe fällt die „Dilbar“, sie wird auf mindestens eine halbe Milliarde Dollar geschätzt.

5,046
Milliarden Euro Vermögenswerte von sanktionierten Personen sind in Deutschland eingefroren.

Dass Usmanow seit Jahren viel Zeit in einer Villa am Tegernsee verbrachte, war kein Geheimnis. Die Umsetzung der Russland-Sanktionen und der Kampf gegen Geldwäsche in Deutschland funktionierten oft nur „reaktiv“, bemängeln Experten. Die Behörden würden dann erst nach einer Berichterstattung in den Medien tätig werden.

Tatsächlich haben die vergangenen Monate die Schwachstellen aufgezeigt, die es in Deutschland beim Aufspüren des Vermögens der Oligarchen gibt. Geradezu neidvoll blickten sowohl Politiker als auch Fahnder nach Italien. Die dortige „Guardia di Finanza“ arbeitete schnell und effektiv und beschlagnahmte bereits Luxusjachten, als die Deutschen erst noch nachzuweisen versuchten, dass die „Dilbar“ tatsächlich Usmanow gehörte.

Die Ampel-Regierung will mit einem neuen Gesetz die Umsetzung der Sanktionen und den Kampf gegen Geldwäsche verbessern. Dafür soll eine „Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung“ geschaffen werden, die dem Bundesfinanzministerium unterstellt ist. Doch an diesem Vorhaben gibt es massive Kritik. „Es ist völlig unverständlich, warum man eine neue Behörde etabliert, wenn es bereits eine gibt, die sofort loslegen könnte“, sagte Frank Buckenhofer von der Gewerkschaft der Polizei dem Tagesspiegel.

Er spricht sich dafür aus, den Zollfahndungsdienst zu stärken. Zollfahnder hätten genau die Kompetenzen, die gebraucht würden, um sich auf die Suche nach dem Vermögen der Personen auf der Sanktionsliste zu machen. Eine neue Behörde sei dagegen „in der Fläche nicht vertreten“. Buckenhofer ist seit 1986 als Kriminalbeamter bei der Zollfahndung tätig und befasst sich dort mit dem Kampf gegen Geldwäsche und organisierte Kriminalität.

„Wir können es uns nicht leisten, noch Jahre dafür zu verwenden, eine Behörde zu strukturieren und aufzubauen“, sagte Dirk Peglow, Vorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, in einer Anhörung des Finanzausschusses im Bundestag. Er sprach sich ebenfalls dafür aus, vorhandene Kompetenzen zu nutzen. Peglow bezweifelt, dass die neue Behörde bereits im kommenden Jahr handlungsfähig sein kann.

Am Ende der Legislatur könnte Lindner vor einem teuren Scherbenhaufen stehen.

Frank Buckenhofer, Gewerkschaft der Polizei

Zuständig für den Aufbau der Zentralstelle ist die Generalzolldirektion. Es sei „schwierig“, kurzfristig Arbeitsfähigkeit herzustellen, sagte die Präsidentin der Generalzolldirektion, Colette Hercher, in der Anhörung im Bundestag. Anfang 2023 werde es noch nicht viele Finanzermittler geben. „Wir haben kein ausgebildetes Personal für diese Aufgabe.“ Deshalb müsse außerhalb der Zollverwaltung Personal gewonnen werden.

Auch Juristen sehen die Pläne der Ampel für den Aufbau einer neuen Zentralstelle kritisch. Zweckmäßiger sei es, die bestehenden Strukturen aufzuwerten, sagte der Wirtschaftsstrafrechtler Kilian Wegner, der an der Universität Frankfurt/Oder lehrt. „Sonst wird das nicht funktionieren.“

Um die Umsetzung der Sanktionen zügig zu verbessern, hat sich die Ampel mit dem Gesetzentwurf beeilt, der nun im Bundestag beraten wird. Doch aus Buckenhofers Sicht verfehlt die Bundesregierung das gewünschte Ziel: „Die gesamte Geschwindigkeit des politischen Apparats verpufft im behördlichen Dilettantismus.“ Bis die neue Behörde und das von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geplante Bundesfinanzkriminalamt einsatzfähig seien, werde es Jahre dauern. „Am Ende der Legislatur könnte Lindner vor einem teuren Scherbenhaufen stehen.“

Nachtrag: Herr Usmanow teilte uns nach Erscheinen des Artikels mit, dass er weder Eigentümer noch Besitzer der im Artikel angeführten Villen oder der Yacht sei. Da wir die abweichenden Angaben der Behörden und eines Rechercheteams wegen des undurchschaubaren Firmengeflechts nicht objektiv prüfen können, haben wir den Artikel angepasst und halten diesen Verdacht nicht aufrecht. Die Reaktion

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