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Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, nimmt an der Sitzung seiner Bundestagsfraktion teil.

© dpa/Kay Nietfeld

Überraschend leise nach Heizungs-Kompromiss: Die FDP steckt in einer schmerzhaften Zwickmühle

Die Liberalen haben gegen das Heizungsgesetz gepoltert. Im Herbst werden sie trotzdem zustimmen. Ein kommunikatives Dilemma.

Ein Dienstag im Juli, auf der Terrasse eines Berliner Italieners haben sich ein paar FDP-Mitglieder zum Mittagessen verabredet. Es geht um das Heizungsgesetz von Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck. Die „Bild“-Zeitung taufte das Gesetz „Habecks Heiz-Hammer“, der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler nannte es eine „Atombombe für unser Land“. „Es wurden natürlich viele Ängste geschürt, das einzufangen ist eine Riesen-Aufgabe“, sagt einer am Tisch.

Doch wie soll man so etwas einfangen? Inzwischen wurde ein Kompromiss gefunden, das Gesetz sollte mit umfangreichen Änderungen vor der Sommerpause den Bundestag mit den Stimmen der Ampelkoalition passieren, doch das Bundesverfassungsgericht hielt es auf. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Opposition zu wenig Zeit gehabt habe, sich damit zu befassen.

Für die FDP ist der Umgang mit dem Gesetz ein kommunikatives Dilemma: Sie kann mit dem Entwurf leben, Fraktionschef Christian Dürr nannte es zuletzt sogar ein „gutes Gesetz“.

Parteichef Christian Lindner: Es droht, ein harter Herbst für die FDP zu werden.

© imago/Future Image/IMAGO/Frederic Kern

Doch in den vergangenen Wochen haben sie keine Gelegenheit ausgelassen, das Gesetz zu zerreden, FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte ein „neues Gesetz, im Prinzip“. Für manche Wähler dürfte es also wie ein kleiner Verrat wirken, irgendeiner Version des Gesetzes zuzustimmen.

„Die Einzige, die von diesen Ängsten profitiert, ist die AfD“

Ein FDP-Basismitglied

Am Tisch sind sie vor allem mit der Kommunikation unzufrieden. Von Habeck, aber auch zum Beispiel mit Schäfflers Hau-Drauf-Attitüde. „Etwas überzogen“, sagt einer und lächelt leise. „Die Einzige, die von diesen Ängsten profitiert, ist die AfD“, sagt ein Zweiter.

Dass die Unsicherheit auch durch die FDP selbst geschürt wurde und nicht nur durch handwerkliche Fehler passierte, wissen auch liberale Spitzenpolitiker. Offen sagen will das aber niemand. Denn die Führung um FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner versuchte nicht, die Diskussion einzugrenzen, oder selbst zu führen.

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Die Entscheidung, den Heizungsrebellen den Diskussionsraum zu überlassen, war riskant. Schließlich weiß auch die Parteispitze, dass es beinahe unmöglich ist, die kommunikative Kehrtvolte von der „Atombombe“ zu einem „guten Gesetz“ zu schaffen.

Doch der FDP bleibt wenig anderes, als es zu versuchen. Denn im Oktober sind Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Bis dahin müssen sie das Gesetz, wie sie es nun ausgehandelt haben, als liberalen Erfolg vermarkten. Wie schwer das werden könnte, zeigt ein Blick in die sozialen Netzwerke.

Posts der Partei und Fraktion zum Heizungsgesetz werden hundertfach kommentiert, der Ton ähnelt sich. „Tretet endlich zurück und lasst die irre Koalition platzen. Sonst verschwindet ihr in allen Ländern unter 5 Prozent“, schreibt einer. „Eine Zustimmung der FDP zu diesem Gesetz wird der FDP sehr viele Wählerstimmen in der Zukunft kosten“, ein Anderer.

Hat die schrille Rhetorik der FDP geholfen?

Es gibt nun Momente, in denen man die FDP dabei beobachten kann, wie sie versucht, umzusteuern. Montag vergangener Woche zum Beispiel. Generalsekretär Djir-Sarai hatte zur Pressekonferenz geladen. Das ursprünglich von Habeck vorgelegte Gesetz habe „die Menschen in unserem Land massiv verunsichert. Diese Verunsicherung ist leider noch da, deswegen müssen wir alle gemeinsam argumentativ arbeiten“, sagte er.

In einer Pressemitteilung versprach auch die FDP, dem Gesetz in der vorliegenden Form im Herbst zuzustimmen. Einstimmig habe man das in der Fraktion beschlossen, hieß es. Doch das gemeinsame Argumentieren gelangt schnell an Grenzen.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das Gesetzgebungsverfahren zu verschieben, twitterte Heizungsrebell Schäffler, es sei „falsch“ gewesen, den Grünen beim Zeitplan „auf den Leim zu gehen“.

Dass die Parteispitze nicht dagegenhält, liegt auch an der Analyse, dass der FDP die schrille Rhetorik geholfen habe. Die Umfragen stabilisierten sich, die FDP bekam aus der Bevölkerung viel Zuspruch. Doch was wird geschehen, wenn sie im Herbst dem Gesetz zustimmen und die Unsicherheiten in der Bevölkerung weiterhin bestehen?

Für einen besonders lauten Teil der FDP-Basis dürfte das schmerzhaft werden. Sie halten Wirtschaftsminister Habeck für unfähig, spätestens seit der im September des vergangenen Jahres in der Sendung „Maischberger“ Insolvenz nicht richtig erklärte. Dass Habeck nur Minister sein kann, weil die FDP eine Koalition mit SPD und Grünen eingegangen ist, nehmen sie ihrer Partei sehr übel.

Abgeordnete aus Bayern und Hessen sorgen sich hinter vorgehaltener Hand jetzt schon vor den Reaktionen der Basis, wenn das Gesetz vom Bundestag verabschiedet wird. Sie wissen, dass sie Erwartungen geweckt haben, die sie unmöglich erfüllen können, wenn sie Teil der Regierung bleiben wollen. Es droht, ein harter Herbst für die FDP zu werden.

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