zum Hauptinhalt
Noch ist im Hafen von Mukran nicht viel los, doch schon bald könnte hier Flüssiggas angeliefert werden.

© IMAGO/Zoonar

Verdacht der Geldwäsche: Binz erhebt schwere Vorwürfe gegen LNG-Betreiber

Seit Monaten wehrt sich die Gemeinde auf Rügen gegen das geplante LNG-Terminal. Nun haben ihre Vertreter gegen den künftigen Betreiber Strafanzeige erstattet.

Der Juli ist auf Rügen immer turbulent. Deutschlands beliebteste Urlaubsinsel platzt im Sommer aus allen Nähten, so viele Menschen tummeln sich an Stränden, Promenaden und Seebrücken. Doch in diesem Juli herrscht nicht nur Urlaubsstimmung an der Ostsee, sondern auch jede Menge Wut und Ärger.

Seit der Bundestag in der letzten Sitzung vor der Sommerpause mit den Stimmen der Ampel-Parteien beschlossen hat, dass im Hafen Mukran ein Terminal zur Anlandung von Flüssigerdgas (LNG) im Eiltempo gebaut werden soll, verschärft sich der Widerstand gegen das Vorhaben. Die Gemeindevertreter des Ostseebades Binz schießen sich dabei zunehmend auf den geplanten Betreiber des Terminals, die deutsche Regas, ein – und haben über eine Kanzlei nun sogar Strafanzeige erstattet.

Konkret lautet der Vorwurf in dem zehnseitigen Schreiben an die Staatsanwaltschaft Stralsund, das dem Tagesspiegel vorliegt, „Verdacht der gewerbsmäßigen Geldwäsche“. Demnach könnte über das mittelständische Unternehmen der Potsdamer Unternehmer Stephan Knabe und Ingo Wagner Kapital von einem Fonds auf den Kaimaninseln – einem britischen Überseegebiet, das als berüchtigtes Steuerschlupfloch gilt – gewaschen werden. Schwerwiegende Anschuldigungen, für die sich im Text der Anzeige jedoch keine Beweise finden.

Ingo Wagner und Stephan Knabe (Zweiter und Dritter von links) bei der Inbetriebnahme des LNG-Terminals in Lubmin. Schon bald soll das Terminal in Mukran folgen.

© Foto: Frederic Kern/Geisler-Fotopress

Stattdessen wird ausführlich über den Firmensitz der Gesellschaft WCP Deutschland geschrieben, die als Komplementärin das Management der Regas ausübt und ebenfalls von Ingo Wagner und Stephan Knabe gehalten wird. Dieser Sitz befinde sich in einem Wohngebiet von Bruchsal bei Karlsruhe, nahe der Autobahn. „Hier wohnt niemand, und hier arbeitet auch niemand“, heißt es in der Anzeige. „Neben der Eingangstür hängt ein ramponierter Briefkasten.“

Transparenz hat für unser Unternehmen stets die höchste Priorität.

Stephan Knabe, Aufsichtsratschef der Regas

Am Sonntagabend reagiert die Regas pikiert, fürchtet eine unternehmensschädigende Wirkung. Von einer „massiven Verdachts- und Desinformationskampagne“ ist in einer Pressemitteilung die Rede. „Transparenz hat für unser Unternehmen stets die höchste Priorität“, erklärte Knabe. Man habe daher eine Kanzlei damit beauftragt, die Vorwürfe unabhängig zu prüfen und die „robusten Gesellschafter- und Finanzierungsstrukturen“ gegebenenfalls zu bestätigen. Zudem prüfe man rechtliche Schritte.

Bereits zuvor hatte das Unternehmen erklärt, dass sich das Büro von der WCP Deutschland in Bruchsal aktuell in einer Kernsanierung befinde. Der Schmutz sei daher Zeichen baulicher Aktivitäten. Es wirkt wie ein Kleinkrieg zwischen der Gemeinde Binz und der Regas. Doch woher das Geld – von bislang 100 Millionen Euro Investitionen ist die Rede – kommt, ist nicht ganz klar.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Regas um ihre Reputation kämpfen muss. In der Energiebranche waren Knabe und Wagner im vergangenen Jahr als völlig Unbekannte eingestiegen. Bei einem Energiekongress vor gut einem Jahr war Knabe noch mit Plänen für das LNG-Terminal in Lubmin hinter Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hergeeilt – war in der Menge jedoch nur bis zu einem Mitarbeiter gekommen, dem er die Mappe übergab. Auch ein Gespräch mit Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatten Wagner und Knabe nur durch einen Trick am Rande eines Sommerfests organisiert.

Doch inzwischen sind Knabe und Wagner gefragte Männer. Dreimal traf sich der Kanzler bereits mit den beiden Unternehmern, bei Kongressen sind die beiden Männer längst selbst gefragte Redner. Mit der zügigen und weitgehend geräuschlosen Inbetriebnahme des LNG-Terminals in Lubmin hat sich die Regas profiliert.

Warum wurde das gesamte Vorhaben des LNG-Beschleunigungsgesetzes mit so viel Hochdruck durch das Parlament geprügelt, ohne auf die örtlichen Warnsignale aus dem Nordosten zu hören?

Der CDU-Politiker Philipp Amthor kritisiert das Vorgehen der Ampel.

Ob sich das Terminal, das wegen des flachen Boddenbodens umständlich mit Shuttleschiffen beliefert wird, finanziell rechnet, ist jedoch unklar. Die Anlage in Mukran, an der mittelfristig Wasserstoff anlanden soll, könnte ein lohnendes Geschäft werden. Noch in diesem Winter soll das erste LNG auf Rügen anlanden.

Doch auch die Opposition im Bundestag hat inzwischen Zweifel: „Warum wurde das gesamte Vorhaben des LNG-Beschleunigungsgesetzes mit so viel Hochdruck durch das Parlament geprügelt, ohne auf die örtlichen Warnsignale aus dem Nordosten zu hören“, kritisiert Philipp Amthor als Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern. Da Bundeskanzler Scholz das Projekt zur Chefsache gemacht habe, müsse er nun auch die Aufklärung zur Chefsache machen, sagte Amthor dem Tagesspiegel. „Ohne sein ,Scholzen’, wie er es im Warburg-Skandal praktiziert hat.“

Und auch die Gemeinde Binz will nicht locker lassen: „Sollte die Politik ernsthaft an dieser Betreiberin festhalten, werden wir sofort einen Antrag auf Baustopp vor dem Bundesverwaltungsgericht stellen, das dann die Frage der Zuverlässigkeit der Deutschen Regas gerichtlich klärt“, sagte Reiner Geulen, Anwalt der Gemeinde, dem Tagesspiegel. Von Urlaubsstimmung bleibt Rügen in diesem Sommer weit entfernt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false