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Nach Schließung von US-Konsulat in China: Wie gefährlich ist der Konflikt der Weltmächte?

Der Streit zwischen den USA und China ist eskaliert. Und was unternehmen Europa und Deutschland? Die wichtigsten Fragen.

Rund 34 Millionen Chinesen blickten am Freitag in einem mit dramatischer Musik unterlegten Livestream des staatlichen Fernsehsenders CCTV auf das US-Konsulat in der westchinesischen Stadt Chengdu und sahen: nichts. Oder genauer gesagt, ein Gebäude.

Auch vor dem Konsulat hatten sich viele Menschen versammelt, eine Feuerwehr wurde auch gesichtet. Die Schaulustigen erwarteten offenbar ein ähnliches Schauspiel wie zuvor in Houston, Texas. Dort hatten Mitarbeiter des chinesischen Konsulats im Hof Dokumente verbrannt, nachdem die USA beschlossen hatten, dass dieses Konsulat innerhalb von 72 Stunden geschlossen werden müsse. Das Gleiche ordnete nun China für das US-Konsulat in Chengdu an.

Was steckt hinter den Konsulatsschließungen?

Die US-Regierung wirft China vor, das Konsulat in Houston, Texas, sei ein Zentrum der Wirtschaftsspionage und des Diebstahls von geistigem Eigentum. Mitarbeiter des Konsulats seien an diesen Aktivitäten beteiligt und hätten sie unter Nutzung falscher Personalangaben unterstützt. Washington verlangte am Dienstag, Peking müsse das Konsulat bis Freitag dieser Woche schließen. China unterhält neben der Botschaft in Washington noch vier weitere Konsulate in New York, Chicago, Los Angeles und San Franzisko. Die Außenstelle in Houston ist dabei die unbedeutendste. Chinas Außenamtssprecherin Hua Chunying wiederum begründete die chinesische Anordnung auf Twitter als „legitime und notwendige Antwort auf die einseitige und provokative Entscheidung der USA, die Schließung des chinesischen Generalkonsulats in Houston zu verlangen.“ Die USAwarnten daraufhin am Freitag ihre Bürger in China in einer Reisewarnung vor „willkürlichen Verhaftungen“.

Wie brisant ist der Konflikt der Weltmächte?

Der Konflikt um die Konsulate wirkt eskalierend, weil er zu einer Reihe weiterer Streitthemen hinzukommt. US-Präsident Donald Trump wirft China kontinuierlich unfaire Handelspraktiken und Währungsmanipulationen vor, die im Effekt die Jobs amerikanischer Arbeiter vernichten. Die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong hat diplomatische Proteste nahezu aller westlichen Staaten ausgelöst.

Auch Chinas Umgang mit den muslimischen Uiguren und mit Tibet sowie generell die Menschenrechtspolitik sind Kritikpunkte; sie stehen allerdings nicht im Fokus der Angriffe Trumps, der sich um Grundrechte und Religionsfreiheit wenig kümmert.

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Von geostrategischer Bedeutung sind Chinas Anspruch auf Taiwan – ein demokratischer Staat, der von China nicht anerkannt wird und von den USA mit Waffen unterstützt wird – sowie die Territorialkonflikte im Südchinesischen und im Ostchinesischen Meer. Dort versucht China seine Hoheitsrechte über die international festgelegten Lufträume und Territorialgewässer auszudehnen.

Es baut Infrastruktur auf unbewohnten oder künstlichen Inseln auf, um dort Hoheitsrechte zu beanspruchen sowie Bodenschätze im Meer. Es missachtet dabei auch einen Schiedsspruch des Seegerichtshofs.

Dabei ist es mehrfach zu militärisch gefährlichen Situationen mit Kriegsschiffen und Militärjets der Nachbarstaaten sowie der USA und europäischer Staaten gekommen, die China zwingen wollen, die internationalen Lufträume und internationalen Handelsgewässer zu respektieren. US-Außenminister Mike Pompeo hat die Demokratien in Europa und Asien in einer Grundsatzrede aufgefordert, sich mit den USA China entgegenzustellen.

Wie trägt China zur Eskalation bei?

Seit der gewaltsamen Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tiananmenplatz 1989 und dem Untergang der Sowjetunion führt die KP China einen ideologischen Krieg gegen feindliche Kräfte. „Für die KP China hat der Kalte Krieg nie geendet“, schreiben Mareike Ohlberg und Clive Hamilton in ihrem Buch „Die lautlose Eroberung.“ Unter dem inzwischen auf Lebenszeit regierendem Partei- und Staatschef Xi Jinping spitzt sich der Konflikt weiter zu. 2013 erklärte er in einer Rede zum Thema „Verteidigung und Entwicklung des Sozialismus“ vor Mitgliedern des KP-Zentralkomitees, dass das chinesische System letzten Endes über den Kapitalismus triumphieren werde. Die Partei müsse sich aber auf eine „langfristige Kooperation und Auseinandersetzung zwischen beiden Systemen“ vorbereiten. Letzten Endes versucht die KP das Duell der politischen Systeme auch deshalb für sich zu entscheiden, um ihre autoritäre Alleinherrschaft in China zu legitimieren.

Wie tragen die USA zur Eskalation bei?

Im Vergleich mit früheren US-Regierungen hat Donald Trump den Kurs gegenüber China verschärft. Barack Obama agierte konzilianter und suchte in der globalen Finanzkrise die Kooperation mit Peking. Trump hingegen übt mit Strafzöllen Druck auf China aus, seine Märkte ebenso für westliche Produkte zu öffnen, wie China Zugang für seine Waren in westlichen Volkswirtschaften beansprucht. Er verschärft den Ton, indem er das Coronavirus „China Virus“ nennt und betont, Peking trage die Hauptschuld dafür, dass aus einer anfangs regional eingegrenzten Infektionswelle eine weltweite Pandemie wurde.

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Neben Trumps kombativem Kurs hat sich freilich auch die objektive Lage geändert. Vor 15, 20 Jahren wurde China noch als Entwicklungsland betrachtet, dessen Aufstieg die technische und geostrategische Dominanz des Westens nicht in Frage stellt – weshalb man mit Nachsicht reagieren könne, wenn China sich nicht an die selben Standards bei Handelsregeln, Sozialvorschriften, Umwelt- und Klimaauflagen hält. Heute ist China technisch und ökonomisch ähnlich stark wie die USA oder die EU. Ungleiche Regeln gelten als Wettbewerbsnachteil zu Lasten Amerikas und Europas. Wenn der Demokrat Joe Biden die Präsidentschaftswahl gewinnt, würde dieser Grundkonflikt in seiner Brisanz bleiben. 

Welche Rolle spielt Europa in dem Konflikt?

Im Verhältnis zu China hat die EU ein Problem: Ihre Mitgliedstaaten verfolgen so unterschiedliche Interessen, dass eine gemeinsame Positionierung in zentralen Streitfragen schwierig wird. Es wäre die Aufgabe Deutschlands in seiner laufenden EU-Präsidentschaft gewesen, für den ursprünglich für September geplanten EU-China-Gipfel eine gemeinsame Position herbeizuführen.

Wegen der Corona-Krise wurde der Gipfel aber nun verschoben. Ohne Zwang zur Einigung, so glaubt zumindest Wolfgang Ischinger, der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, wird es keine gemeinsame europäische Position geben. Daran dürfte auch die Zuspitzung des Konflikts zwischen Washington und Peking wenig ändern.

Zumindest die letzte EU-Kommission hatte diese Schwäche erkannt und versuchte gegenzusteuern. Im März 2019 veröffentlichte sie ein Zehn-Punkte-Papier, mit dem sie dem politischen und wirtschaftlichen Machtstreben Chinas auf vielen Feldern etwas entgegensetzen wollte. China sei Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale, heißt es darin.

Weltmacht gegen Weltmacht.
Weltmacht gegen Weltmacht.

© shutterstock (3); Montage: TSP

Doch die nationalen Regierungen orientieren sich oft nicht am dem EU-Beschluss, der die Bedeutung der Menschenrechte betont und gleiche Wettbewerbsbedingungen verlangt. Zugleich nimmt China Einfluss und spaltet die EU. In Italien, aber auch in anderen süd- und osteuropäischen Staaten sind die Investitionen aus Peking hochwillkommen. Das stimmt diese Regierungen milde, wenn es darum geht, China zu kritisieren.

Auf der anderen Seite prescht Dänemark mit einer harten Verurteilung der neuen Sicherheitsgesetze für Hongkong voran und erntet als Lob einen Besuch von US-Außenminister Mike Pompeo. Die Wirtschafts- und Handelsmacht EU kann zwar weder von Washington noch Peking ignoriert werden. Wo es aber um harte politische Interessen geht, füllt die EU die weltpolitische Rolle nicht aus, die ihr auch die deutsche Politik ständig aufgibt.

Ähnlich sieht das Johannes Varwick, Professor für Internationale Beziehungen und Europäische Politik in Halle: "Die Vorstellung, die EU könnte als weltpolitischer Pol zwischen den USA und China ausgleichend wirken, ist unrealistisch", sagte er. Sie scheitere daran, dass es keine wirkliche EU-Aussenpolitik gebe. "Wie jede Großmacht, schafft es China gut, innereuropäische Uneinigkeit für sich zu nutzen", meint Varwick und kommt zu dem Schluss: "Von Europa ist da nicht viel zu erwarten."

Wie positioniert sich Deutschland?

Die jüngste Zuspitzung hatte die Bundesregierung am Freitag nicht offiziell kommentiert. Grundsätzlich gilt aber: Zwar sieht auch die schwarz-rote Regierung die problematischen Seiten Chinas, zuletzt die neuen Sicherheitsgesetze für Hongkong. Doch hält man die Bereitschaft von US-Präsident Trump zur Eskalation des Konflikts mit Peking für gefährlich, zumal die Kontrahenten wirtschaftlich aufeinander angewiesen sind.

Blinde Gefolgschaft kann die US-Regierung von Deutschland deshalb nicht erwarten. Regierungsvertreter betonen: China bleibt ein wichtiger Partner in der internationalen Politik, etwa beim Klimaschutz und beim Atomabkommen mit dem Iran, und ein wichtiger Wirtschaftspartner. Die USA wiederum sind als Sicherheitsgarant für Deutschland unerlässlich und teilen gemeinsame Werte, auch wenn der aktuelle Präsident diese häufig mit Füßen tritt.

Die ausgleichende China-Politik der Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die harte Kritik an Peking weitgehend vermeidet, wird von Grünen und FDP, aber auch vom CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen kritisiert. Zuletzt hat auch die SPD-Fraktion einen härteren Kurs gegenüber China angemahnt. Merkel müsse sich endlich der Realität stellen und einsehen, dass die wirtschaftliche Verflechtung nicht zu einer Annäherung Chinas an den Westen führen werde, forderte der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid.

Die "eher China-freundliche Haltung des Kanzleramtes" gerate unter Druck, sagt auch der Außenpolitik-Experte Johannes Varwick von der Universität Hallte. Zu offenkundig sei inzwischen, "dass Chinas neuer Machtanspruch und sein im Inneren wie Äußeren zunehmend  aggressives Auftreten kein business as usual zulässt." 

Damals wurde noch gelächelt: Donald Trump wird im November 2017 von Chinas Präsident Xi Jinping in der großen Halle des Volkes in Peking empfangen.
Damals wurde noch gelächelt: Donald Trump wird im November 2017 von Chinas Präsident Xi Jinping in der großen Halle des Volkes in Peking empfangen.

© REUTERS

Mit etwas Verzögerung nehme die deutsche Politik China inzwischen kritisch wahr -  ohne allerdings bereits eine tragfähige Strategie erarbeitet zu haben. Dem US-Druck, bei der amerikanischen Eindämmungspolitik zu folgen und wie die USA auch auf ökonomische  Abkoppelung von China zu setzen, werde Deutschland aber wohl nicht nachkommen: "Es will in dem neuen Grossmächtekonflikt am liebsten nicht Partei sein und weiterhin gute Geschäfte machen." Ob ein Raushalten dauerhaft funktioniert, sei aber zu bezweifeln. China dürfte sich eher in Richtung USA bewegen. 

Außenminister Heiko Maas (SPD) drohte China gegenüber am Freitag mit Konsequenzen wegen des Sicherheitsgesetzes für Hongkong. „Wenn das Prinzip ,Ein Land, zwei Systeme’ durch das Sicherheitsgesetz ausgehöhlt wird, hat das auch Folgen für unser Verhältnis zu Hongkong und China“, sagte er nach einer Videokonferenz mit Chinas Außenminister Wang Yi.

Maas bereitet die Vereinfachung der Einreise für Hongkong-Chinesen, einen Exportstopp für bestimmte Rüstungsgüter, Stipendienprogramme für bedrohte Wissenschaftler, Künstler oder Journalisten sowie ein Ende des Auslieferungsabkommens mit Hongkong vor.

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