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Es gebe große Herausforderungen, doch insbesondere das Reden übereinander bringe überhaupt nichts, betonte Rolf Mützenich. (SPD). 

© Imago/Action Press/Bernd Elmenthaler

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„Wir müssen uns am Riemen reißen“: SPD-Fraktionschef und Hessens Grünen-Kandidat fordern von Ampel mehr Disziplin

Nach der Sommerpause müsse die Koalition anders regieren, sagt Mützenich. Und Al-Wazir sorgt sich wegen des Streits um das Heizungsgesetz um seine Chancen bei der Landtagswahl.

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Dauerstreit in der Ampel, schlechte Umfragewerte, Sorgen vor den anstehenden Landtagswahlen: Nun wird SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich deutlich und fordert mehr Disziplin: „Wir müssen uns am Riemen reißen“, sagte er am Freitag im „ARD“-Morgenmagazin über die Regierungsarbeit. Aus der politischen Sommerpause dürfe die Koalition so nicht wieder herauskommen.

Es gebe große Herausforderungen, doch insbesondere das Reden übereinander bringe überhaupt nichts, betonte Mützenich. Vor allem die Lebensentwürfe der Wählergruppen von FDP und Grünen unterschieden sich seiner Meinung nach. Dies spiegele sich dann auch bei den Repräsentantinnen und Repräsentanten wider.

In einem Brief an die Mitglieder der Fraktion rief Mützenich zu „Vernunft und Konzentration“ aufgerufen. In dem Schreiben, über das die Zeitungen der Mediengruppe Bayern berichten, heißt es demnach: „Wir dürfen uns zugutehalten, dass die SPD-Fraktion bei den schwierigen Verhandlungen zum Gebäudeenergiegesetz vermittelnd alles getan hat, um einerseits den Laden zusammenzuhalten und andererseits die Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger nicht auszublenden.“ Dieser Kraftakt habe sich gelohnt.

Liebe Genossinnen und Genossen, lasst Euch von der augenblicklichen Stimmung im Land nicht verunsichern. Es sind Momentaufnahmen zur Mitte der Legislaturperiode.

Rolf Mützenich in einem Brief an die Mitglieder der SPD-Fraktion

„Er sollte allerdings allen Beteiligten dieser Koalition auch Mahnung sein, dass mit allzu laut ausgetragenen öffentlichen Meinungsverschiedenheiten kein Staat zu machen ist. Vernunft und Konzentration sind Grundlage für gutes und erfolgreiches Regieren.“

Mützenich gibt Medien Mitverantwortung

Mützenich richtet dem Bericht zufolge auch einen Appell an seine Leute, sich nicht verunsichern zu lassen. Es ist eine Anspielung auf die schlechten Werte der SPD und die hohen Werte der AfD: „Liebe Genossinnen und Genossen, lasst Euch von der augenblicklichen Stimmung im Land nicht verunsichern. Es sind Momentaufnahmen zur Mitte der Legislaturperiode.“

Den Medien gibt er eine Mitverantwortung für die Verunsicherung in der Bevölkerung. Er spricht von „Momentaufnahmen, bei der die einen in den Medien hoch-, die anderen heruntergeschrieben werden.“

Mützenich rät dem Bericht zufolge: „Bleibt so konsequent bei der Arbeit, wie Ihr es in den vergangenen zwei Jahren gewesen seid. Nicht Umfragen sind entscheidend. Geschrei, Populismus und offener Faschismus sind keine Alternative zu ernsthafter demokratischer und parlamentarischer Arbeit. Sie werden auf Dauer keinen Erfolg haben, wenn wir uns beherzt entgegenstellen.“

Bei den hessischen Grünen bestehen große Befürchtungen, dass die anhaltende Debatte über die Heizungen nun doch die Wahlkämpfe in Hessen und Bayern verhageln könnte. „Hessen dürfte damit gelaufen sein. Schade für Tarek“, sagte ein Mitglied der Fraktion dem „Spiegel“. Mit Tarek Al-Wazir wollen die Grünen in Hessen den nächsten Ministerpräsidenten stellen.

Eine Koalition hat die Verantwortung, für alle Menschen Politik zu machen.

Tarek Al-Wazir, Spitzenkandidat der Grünen in Hessen

Al-Wazir fordert von seiner Partei, dass sie von ihren Koalitionspartnern mehr Konstruktivität beim Regieren einfordere. Zum Regieren „gehören manchmal auch heftige Debatten, die aber am Ende in eine gemeinsam ausgehandelte Lösung führen müssen. Dazu gehört sicher nicht, sich ständig öffentlich zu streiten“, so Al-Wazir.

In dem Magazin appellierte er an die Regierung, „diese Art des Umgangs miteinander zu ändern und wieder Vertrauen aufzubauen“. Der hessische pitzenkandidat weiter: „Eine Koalition hat die Verantwortung, für alle Menschen Politik zu machen.“

Die Grünen hatten die Sorge, dass die Union eine Sondersitzung des Bundestags „zum Thema ihrer Kampagne machen“ würde. Mit diesen Worten im internen Chat der Fraktion, in den das Blatt eigenen Angaben zufolge Einsicht nehmen konnte, begründet die Fraktionsspitze ihre Entscheidung, das umstrittene Heizungsgesetz erst in der nächsten regulären Sitzungswoche Mitte September zu beraten.

Heizungsgesetz erst nach Sommerpause im Bundestag

Der Bundestag konnte am Freitag nicht wie von der Koalition geplant über das auch im Regierungsbündnis umstrittene Heizungsgesetz abstimmen, weil das Bundesverfassungsgericht interveniert hatte. Nun kann das Gesetz erst nach der Sommerpause verabschiedet werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Entscheidung der Ampel-Fraktionen begrüßt, über das Heizungsgesetz nun erst nach der Sommerpause abzustimmen. Scholz halte dies „für eine sehr vernünftige Entscheidung“, teilte sein Sprecher Steffen Hebestreit am Donnerstag mit.

Die Unionsfraktion forderte einen Neustart bei dem Vorhaben. Die Entscheidung sei eine schwere Niederlage für die Regierung von Scholz, heißt es in einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa zufolge in einem Antrag der Fraktion, mit dem sich das Parlament am Freitagvormittag befasst.

Die Gerichtsentscheidung sei auch „ein Ausrufezeichen für das Recht der Abgeordneten“ auf eine gründliche Beratung von Gesetzen. Sie zeige zudem, dass Klimaschutz nicht mit der Brechstange gelinge.

In dem Antrag heißt es weiter: „Der schwere Schlag aus Karlsruhe für die Ampel darf nicht zum dauerhaften Rückschlag für Klimaschutz werden. Deshalb reicht es nicht, nun in einem neuen Verfahren einfach dasselbe Gesetz durchzudrücken. Nur mit einem grundlegenden neuen Anlauf in der Sache kann verloren gegangenes Vertrauen wieder hergestellt werden.“ Die Koalitionsfraktionen hatten betont, inhaltlich solle es keine Änderungen mehr geben. (lem)

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