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Da war noch gute Stimmung: Annalena Baerbock, Robert Habeck (beide Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags im November 2021.

© dpa / dpa/Michael Kappeler

Zwistigkeiten in der Ampel-Regierung: Wenn das Vertrauen in die Politik verloren geht

Der Zuspruch zu den politischen Institutionen in Deutschland nimmt ab. Manche machen dafür das schlechte Bild verantwortlich, das die Koalition abgibt.

Von Hans Monath

Wiederholt die Ampel-Koalition im neuen Jahr zwanghaft ihre Fehler aus ihrem ersten Jahr im Amt? Der Januar war erst ein paar Tage alt, als die ungleichen Partner in der Regierung schon wieder öffentlich einen Streit austrugen. „Habeck lässt Wissing im Atomstreit abblitzen“, titelte die „FAZ“ über die Auseinandersetzung zwischen dem grünen Wirtschafts- und liberalen Verkehrsminister, der mit seiner FDP anders als die Ökopartei Kernenergie über den April hinaus nutzen will.

Dass Dauerzwist das Publikum verärgert und nur Geschlossenheit die Grundlage dafür schafft, dass Bürgerinnen und Bürger einer Partei oder einer Regierung vertrauen, gehört zu den Grundregeln der Politik. Eine Grundregel, welche vor allem die beiden Antipoden in der Regierung von Olaf Scholz, Grüne und FDP, systematisch missachten.

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Die regierungsinternen Fehden, welche oft die geschwächte FDP auf der Suche nach Profil anzettelt, sind nicht der einzige Grund, warum nur eine Minderheit in Deutschland sich gut regiert fühlt. An der Spitze der Koalition steht mit Olaf Scholz ein Politiker, der es nicht vermag, durch eine rhetorisch überzeugende Erzählung Schwächen seines Regierungsbündnisses zu überdecken.

37
Prozent der Befragten vertrauen dem Bundestag.

Etliche seiner Ministerinnen und Minister sind nach nur einem Jahr angezählt, andere gelten als Risikokandidaten. Der einstige politische Star Karl Lauterbach verwirrt viele mit seinem Corona-Kurs. In seinem ersten Tweet des Jahres empfahl der Gesundheitsminister, Böllerchaoten die Wohnung zu kündigen. Der Tweet war bald gelöscht, aber der Eindruck blieb, dass hier ein Spitzenpolitiker jenseits von Gesetz, Vernunft und Augenmaß agierte.  

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) gilt inzwischen auch in den eigenen Reihen als Ausfall und lässt nur wenige Gelegenheiten aus, den Eindruck zu verfestigen, sie sei eine Politikerin ohne jedes Gespür für Symbolik oder Würde. Und wenn sich Innenministerin Nancy Faeser, was viele erwarten, für die Spitzenkandidatur der Hessen-SPD im Landtagswahlkampf entscheidet, könnte das Kanzler Scholz vor ein Personalproblem stellen.

Das Ansehen der Ampel ist so schlecht, dass womöglich auch das Vertrauen der Deutschen in ihre politischen Institutionen darunter leidet. Einen „drastischen Vertrauensschwund“ seit deren Regierungsübernahme beschreibt Forsa-Chef Manfred Güllner – und das bei „allen politischen Institutionen“.

In der Defensive: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD).

© AFP/Kenzo Tribouillard

Den stärksten Rückgang an Vertrauen misst der Demoskop bei der Bundesregierung und dem Kanzler. Das Vertrauen zur Bundesregierung sank demnach um 22 Prozentpunkte auf 34, das zur Institution Kanzler um 24 Prozentpunkte auf 33 Prozent. Das Vertrauen zum Bundestag ging um 13 Prozentpunkte auf 37 Prozent zurück. Selbst das Vertrauen zur Institution Bundespräsident ist gesunken.

Auch Opposition verunsichert Menschen

Der Forsa-Chef nimmt aber nicht nur die Koalition, sondern auch die Opposition in die Pflicht. Schuld für das Vertrauenstief sei auch die „zu konfrontative und zu wenig den Konsenserwartungen der meisten Bundesbürger entsprechende Oppositionsstrategie von Friedrich Merz“.

Das harte Urteil teilen manche Experten nicht, die zu politischem Vertrauen geforscht haben. „Wenn man Güllner liest, hat man den Eindruck, dass es an allen Ecken und Enden unseres Parteiensystems schlimm ist“, sagt etwa der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne von der Universität Magdeburg, der das anders sieht.

Viele Umfragen in den vergangenen Jahren hätten gezeigt, „dass die repräsentative Demokratie grundsätzlich fest verankert ist“, in Ostdeutschland etwas weniger als im Westen. Auffällig sei, dass stärker parteipolitisch geprägte Institutionen weniger Vertrauen entgegengebracht werde als rechtsstaatlichen Behörden wie der Polizei oder der Justiz. Auch das sei ein Grund für das „Unterstützungsgefälle“ für die Bundesregierung, die von drei Parteien getragen wird.

Schrieb einen seltsamen Tweet, den er schnell wieder löschte: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

© imago/Future Image/Frederic Kern

Höhne wirbt für die Überzeugung, „dass politische Auseinandersetzungen über den richtigen Weg das Lebenselixier von Demokratien sind – auch und gerade in einer Regierung, die sich aus drei Parteien zusammensetzt, die teils sehr unterschiedliche Vorstellungen teilen“. Der Wissenschaftler sieht immer noch die Chance, dass alle drei Ampel-Parteien „gut bei der nächsten Bundestagswahl dastehen können, wenn sie glaubhaft machen können, dass Deutschland durch ihr Tun modernisiert und fitter für die Herausforderungen der Zukunft gemacht wurde“.

Das Ergebnis macht hellhörig, als besorgniserregend würde ich es noch nicht bezeichnen.

Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin

Auch die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach von der Freien Universität Berlin will Güllners Diagnose nicht ganz folgen. „Das Ergebnis macht hellhörig, als besorgniserregend würde ich es noch nicht bezeichnen“, sagte sie dem Tagesspiegel. Der Demoskop begründe seine Aussagen vor allem damit, dass sich Wählerinnen und Wähler in Krisenzeiten hinter der Exekutive versammelten und dies bei der Ampel derzeit nicht geschehe. Es handle sich aber „nicht nur um ein gänzlich neues Regierungsbündnis, sondern auch um einen absoluten Kaltstart einer Regierung in extremen Krisenzeiten“.

Deshalb sei es nicht verwunderlich, dass ein gewisser Vertrauensvorschuss der mit der Wahl 2021 einherging (und der nach der Wahl auch in Zahlen nachgewiesen worden sei), nun eine Relativierung erfährt. „Diesen Effekt sehen wir auch in der Rückschau auf andere Bundesregierungen ein Jahr nach Amtsantritt“, gibt die Wissenschaftlerin zu bedenken.

An den Handlungsmöglichkeiten der Regierung ändere Güllners Befund nicht, urteilt Reuschenbach, zumal andere Umfragen die Vertrauenswerte zur Regierung durchaus etwas besser sehen würden. So seien etwa die Zufriedenheitswerte mit dem Spitzenpersonal der Ampel im letzten „ARD Deutschlandtrend“ vom Dezember wieder etwas gestiegen.

Zugleich werde deutlich, dass die Wählerinnen und Wähler auch der Opposition gegenwärtig nicht zutrauten, dass sie das Land besser durch die aktuelle Krise führen könne. Das Urteil der Politikbeobachterin lautet: „Insofern geht es für Regierung jetzt darum, vor allem in der politischen Kommunikation und Geschlossenheit für mehr Einigkeit zu sorgen.“

Allerdings müssen SPD, Grüne und FDP ihr Verhalten wohl radikal ändern, bevor sie eine Mehrheit der Deutschen von dieser Botschaft überzeugen können. Denn die Ampel muss sich mitten in der Krise ohne große Vertrauensbasis an die Aufgaben des Jahres 2023 machen.

Forsa-Chef Güllner appelliert derweil an alle politischen Akteure, sie sollten „überlegen, wie sie das ramponierte Zutrauen zur Handlungsfähigkeit der Politik und des Staates generell wieder bessern können“.

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