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Güterzuganhänger stehen auf den Gleisen eines Rangierbahnhofs (Symbolbild).

© dpa/Axel Heimken

Update

Streik am Montag: Bahn priorisiert versorgungsrelevante Güter – trotzdem Ausfälle möglich

EVG und Verdi wollen mit einem Großstreik am 27. März den Verkehr in Deutschland lahmlegen. Der Flughafen BER und die Berliner Verkehrsbetriebe sind nicht betroffen.

| Update:

Bei der Deutschen Bahn wird am Montag wegen des großangelegten Warnstreiks der gesamte Fernverkehr bundesweit eingestellt. Auch im Regionalverkehr werde „größtenteils kein Zug fahren“, teilte der Konzern am Donnerstag mit. Flughäfen und die Schifffahrt sind auch betroffen.

Neben der Personenbeförderung geht die Deutsche Bahn auch von starken Einschränkungen im Schienengüterverkehr aus. „Priorität haben natürlich versorgungsrelevante Züge, ich denke da vor allem an die Energietransporte in die Kraftwerke“, sagte ein Konzernsprecher am Freitag in Berlin. „Versprechen können wir das aber noch nicht.“ Die Bahn sei mit den Kundinnen und Kunden im Güterverkehr in Kontakt, „ob nicht doch die Möglichkeit besteht, einzelne Züge zu fahren“.

Ähnlich problematisch sei die Lage beim Güterverkehr auf der Straße: „Es droht Versorgungschaos und ein Schaden von zig Millionen, wenn Waren nicht rechtzeitig geliefert werden können“, sagte der Präsident des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, der „Bild“ am Freitag.

Logistik und Handel würden es daher begrüßen, wenn Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) das Fahrverbot für Lkw am Sonntag aufheben würde. „Das könnte viel von dem Chaos und dem Schaden für die Wirtschaft abmildern, den Verdi anrichten will“, so Engelhardt.

Streik-Auswirkungen bereits ab Sonntag möglich

„Wir gehen davon aus, dass am Montag das Land lahmgelegt ist und dass so gut wie kein Eisenbahnverkehr möglich ist“, sagte der Personalvorstand der Deutschen Bahn, Martin Seiler am Donnerstag. „Selbstverständlich sind wir auch in solchen Situationen in sehr großem Umfang zur Kulanz bereit.“ Allen Fahrgästen riet er dennoch: „Jeder der umdisponieren kann, sollte das auch entsprechend tun.“

„Bereits am Sonntagabend sind laut Aussagen der Gewerkschaft erste Auswirkungen durch streikende Mitarbeitende möglich“, hieß es. Der Warnstreik werde sich demnach auch am Dienstag noch auf den Bahnverkehr auswirken. Grund seien überlappende Schichten.

Ein ICE steht an einem Bahnsteig im Berliner Hauptbahnhof.
Ein ICE steht an einem Bahnsteig im Berliner Hauptbahnhof.

© Foto: picture alliance/dpa/ Carsten Koall

„Für unsere Reisenden ist es sicherlich schon ein guter Tipp, an dem ja sehr nachfragestarken Sonntag früher zu fahren, nicht gerade den letzten Zug zu nehmen“, sagte ein Bahn-Sprecher am Freitag. 

Kein Notfahrplan im Bahn-Fernverkehr – Tickets flexibel nutzbar

Einen Notfahrplan im Fernverkehr wird es laut Bahn nicht geben. „Es nützt ja nichts, eine kurze Strecke mit einem Intercity oder einem ICE zu fahren, weil man einen Lokführer hat, und der Zug dann irgendwo stehen bleibt, weil das Stellwerk bestreikt wird“, sagte ein Konzernsprecher am Freitag in Berlin.

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Es sei besser, die Züge blieben an diesem Tag in den Depots. „Es ist auch nicht möglich, für einen solchen Tag einen Ersatzfahrplan aufzustellen, weil eben sehr viele Berufsgruppen zum Streik aufgerufen sind.“

Fahrgäste, die für Montag oder Dienstag eine Bahnreise gebucht haben, könnten das Ticket noch bis einschließlich zum 4. April flexibel nutzen, kündigte die Bahn an. Sitzplatzreservierungen könnten kostenlos storniert werden.

BVG streikt nicht

Betroffen von dem bundesweiten Streik auch der Regional- und S-Bahnverkehr in Berlin und Brandenburg. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) werden hingegen nicht bestreikt, Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen fahren wie gewohnt.

Die Gewerkschaften begründen den Warnstreik mit dem Personalmangel in Bussen und Bahnen sowie an den Flughäfen. Die „dramatische Arbeitssituation im Verkehrssektor“ (Verdi) lasse sich nur mit deutlich höheren Gehältern beheben, allein im öffentlichen Personennahverkehr fehlten bis Ende des Jahrzehnts 110.000 Arbeitskräfte.

BER als einziger deutscher Flughafen nicht betroffen

Die Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG ruft nach eigenen Angaben 230.000 Beschäftigte von Sonntag 24 Uhr bis zum Montag um Mitternacht zum Streik auf, bei Verdi sind es 120.000.

Bis auf den Berliner Flughafen BER sind alle deutschen Flughäfen betroffen. Die Flughafengesellschaften in Frankfurt und München haben bereits angekündigt, dass am Montag kein regulärer Passagier- und Frachtverkehr stattfinden wird. 

Urlaubsflieger Tui prüft Umbuchen und Flugverschiebungen

Bei der Tui-Airline Tuifly laufen vor dem großen Warnstreik die Vorbereitungen für mögliche Umbuchungen und Verschiebungen von Urlaubsflügen. „Wir schauen, was umzubuchen ist, was an Ausweichflughäfen dargestellt werden kann oder was auch an einem Tag später denkbar wäre“, hieß es am Freitag aus der Zentrale der konzerneigenen Fluggesellschaft des größten europäischen Reiseanbieters in Hannover. Man sei guten Mutes, die Auswirkungen auf die Kunden begrenzen zu können – dies sei schon beim Airport-Ausstand der Gewerkschaft Verdi im Februar so gewesen.

Derzeit müsse das Unternehmen „beinahe im Wochentakt“ Ersatzprogramme organisieren. Dies geschehe in enger Abstimmung mit Vertragspartnern und anderen Tui-Sparten. Die Kreuzfahrtlinie Tui Cruises mache einen großen Teil ihrer Planungen selbst. Mehrere Schiffe lägen aktuell an Langstreckenzielen wie der Karibik. Für die meisten Routen in Europa stehe Anfang kommender Woche jedoch kein großer Bettenwechsel an.

Einfache Flugumbuchungen sind bei Komplettreiseanbietern wie Tui – anders als bei Anbietern von Linienflügen – oft nicht so einfach möglich. Denn Tui nutzt seine eigene Airline vor allem als Zubringer für Urlauber, die weitere Programmpunkte wie Hotels, Kreuzfahrten oder Ausflüge am Zielort buchen, an denen Folgetermine hängen.

Eine Herausforderung sei es auch, genügend Busse für Fahrten zwischen verschiedenen Flughäfen in Deutschland zu reservieren. Außerdem werde wie beim letzten Warnstreik versucht, bei Bedarf kurzfristige Kapazitäten bei anderen Airlines hinzuzubuchen. In den Sonntag vorgezogene Flüge seien eher kein Thema. „Das würde ja bedeuten, dass manche Gäste ihren Urlaub früher beenden müssten als geplant.“

Nächster Verhandlungstermin erst Ende April

Die Beschäftigten im Mobilitätssektor „halten das Land am Laufen, werden aber viel zu schlecht bezahlt“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke am Donnerstag in Berlin.

Die Dienstleistungsgewerkschaft setzt am Montag in Potsdam mit den kommunalen Arbeitgebern und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst fort. Die EVG wiederum verhandelt mit der Bahn und rund 50 weiteren Bahnunternehmen über Einkommenserhöhungen.

Der nächste Verhandlungstermin mit der Bahn ist erst am 24. April, zuvor werde es keine weiteren Streiks geben. Für den öffentlichen Dienst wird Anfang der kommenden Woche mit einem Ergebnis gerechnet. „Wir fahren mit dem Ziel nach Potsdam, einen Tarifvertrag abzuschließen“, sagte Werneke.

Nach Verdi-Angaben beteiligten sich in den vergangenen Wochen rund 400.000 Beschäftigte an Warnstreiks, ein Großteil davon in kommunalen Krankenhäusern, Kitas und Müllabfuhren.

Mindestens 500 Euro mehr

Anlass für den Warnstreik ist die bislang ergebnislose Tarifrunde für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen. Verdi fordert für die bundesweit 2,5 Millionen Beschäftigten in diesem Jahr eine Tariferhöhung um 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro im Monat.

Die Arbeitgeber hatten in der zweiten Verhandlungsrunde am 22. Februar eine Lohnerhöhung von 3,0 Prozent zum 1. Oktober 2023 und eine weitere Erhöhung um 2,0 Prozent zum 1. Juni 2024 angeboten, bei einer Gültigkeit des Tarifvertrags bis März 2025.

Auf eine Vertragslaufzeit über mehr als zwölf Monate lässt sich Verdi aber nur bei deutlich höheren Lohnprozenten ein. Die Arbeitgeber wiederum wollen unbedingt die Einkommen von Führungskräften erhöhen, weil die auf dem Arbeitsmarkt zunehmend schwerer zu rekrutieren seien.

Streikführer Frank Werneke war in den vergangenen Tagen viel unterwegs. Von Montag an sitzt der Verdi-Chef in Potsdam am Verhandlungstisch.
Streikführer Frank Werneke war in den vergangenen Tagen viel unterwegs. Von Montag an sitzt der Verdi-Chef in Potsdam am Verhandlungstisch.

© dpa/Henning Kaiser

Statt eines monatlichen Mindestbetrags, von dem untere Einkommen überproportional profitieren, legten die öffentlichen Arbeitgeber zwei einmalige steuerfreie Inflationsprämien auf den Tisch: 1500 Euro im kommenden Mai und weitere 1000 Euro im nächsten Januar.

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr aufgrund der Preisentwicklung die steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie von bis zu 3000 Euro beschlossen. Das Geld kann bis Ende 2024 gezahlt werden. Verdi, aber auch die EVG, lehnen die Prämie ab und beharren auf einer dauerhaften Erhöhung der Einkommen. Das Argument dafür: Auch die Preise bleiben dauerhaft hoch.

Die EVG will 650 Euro mehr im Monat

Die EVG fordert für 180.000 Bahn-Beschäftigte zwölf Prozent oder mindestens 650 Euro mehr im Monat. Zuzüglich weiterer Spezialwünsche wie höhere Mindestlöhne hat Bahn-Personalchef Martin Seiler ein Kostenvolumen von 2,5 Milliarden Euro oder 25 Prozent ausgerechnet; das sei nicht finanzierbar.

In der vergangenen Woche hat Seiler fünf Prozent in zwei Schritten angeboten, zum 1. Dezember dieses Jahres drei und zum 1. August 2024 weitere zwei Prozent. Außerdem schlägt der Konzern Inflationsausgleichsprämien von insgesamt 2500 Euro vor, nämlich 1000 Euro Anfang Mai und 1500 Euro Anfang Januar kommenden Jahres.

Dieser Vorschlag „verdient den Namen Angebot nicht, das brüskiert unsere Kolleginnen und Kollegen“, reagierte die EVG empört.  

An den Flughäfen geht es um Zuschläge

In der Auseinandersetzung an den Flughäfen geht es nicht um die monatlichen Tarifeinkommen, über die wird erst Anfang nächsten Jahres verhandelt, sondern um höhere und einheitliche Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit von rund 20.000 Sicherheitsleuten. Verdi verhandelt hier mit dem Bundesverband der Luftsicherheitsfirmen, dem unter anderem Securitas, Wisag und Gegenbauer angehören.

Das Thema höherer Zuschläge für besonders belastende Arbeitszeiten war bereits 2018 aufgerufen worden. Doch zwischenzeitlich gab es andere Prioritäten, die Gehälter wurden erhöht und bundesweit angeglichen. Und in den Coronajahren passiert auch nichts. Nun gehe es den Arbeitnehmern schlicht um Respekt, erklärt Verdi die Streikbereitschaft. Ein Verhandlungstermin ist direkt nach Ostern vorgesehen. Bis dahin sind keine weiteren Flughafenstreiks geplant.

Nach Einschätzung des Flughafenverbands ADV wird der Warnstreik am Montag Hunderttausende Passagiere treffen. „Rund 380.000 Geschäfts- und Privatreisende werden ihren Flug nicht antreten können“, teilte der Verband am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mit. Der ADV sprach von „Streikeskalation nach französischem Vorbild“. Ein ganzes Land werde vom internationalen Luftverkehr abgeschnitten.

Das Unverständnis bei den Flughäfen sei deshalb so groß, da nächste Woche Tarifgespräche in Potsdam in dritte Runde bevorstünden. Die jüngste Serie der Warnstreiks an Flughäfen brächten erhebliche Folgeprobleme mit sich. „Das Image des Luftverkehrsstandorts Deutschland bei internationalen Reisenden nimmt Schaden.“

Auch die Autobahngesellschaft soll bestreikt werden, ebenso wie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung.

Auf der Schiene sind neben der Deutschen Bahn laut EVG unter anderem die Bahn-Unternehmen Transdev, AKN, Osthannoversche Eisenbahnen, erixx, vlexx, eurobahn sowie die Länderbahn betroffen. (mit dpa)

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