zum Hauptinhalt
Paradiesisch. Das zentralamerikanische Panama steht auf der schwarzen Liste der EU.

© Michael Runkel/imago

Streit um Bedingungen für Corona-Hilfen: Steueroasen und Staatshilfen – passt das zusammen?

Konzerne wie die Lufthansa haben Tochterfirmen in Steueroasen. Sollten sie in der Coronakrise trotzdem Staatshilfe bekommen? In der Politik ist das umstritten.

Es geht um neun bis zehn Milliarden Euro. So viel Geld braucht die Lufthansa vom Bund, um durch die Krise zu kommen. Brisant dabei: Der Konzern hat Tochtergesellschaften in Panama, Guam, den Kaimaninseln und den Amerikanischen Jungferninseln. Entsprechende Unterlagen hat die Lufthansa auf Druck der SPD gerade erst selbst veröffentlicht. All diese Länder stehen jedoch auf der „schwarzen Liste“ der EU: Sie gelten als Steueroasen. Sollte die Lufthansa trotzdem Staatshilfen bekommen?

Über die Frage, welche Rolle Steuergerechtigkeit bei der Vergabe von staatlichen Corona-Hilfen spielen sollte, streitet die Politik. Grüne und Linke wollen Steuersünder von Staatshilfen ausschließen. Vorbild sind Dänemark, Österreich, Frankreich und Polen.

Das Problem: Steuertricks sind oft legal oder liegen in einem rechtlichen Graubereich. So verbuchen Konzerne zum Beispiel bewusst Gewinne über Tochtergesellschaften in Niedrigsteuerländern. Der französische Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman schätzt, dass Unternehmen jährlich 600 Milliarden Euro an Gewinnen in diese Steueroasen verlagern. Davon fließen über die Hälfte in EU-Länder wie Malta, die Niederlande, Luxemburg oder Zypern.

Alle deutschen Dax-Unternehmen nutzen Steueroasen

Auf der schwarzen Liste der EU jedoch tauchen sie nicht auf. Sie umfasst lediglich zwölf Länder, darunter etwa Fidschi und die Seychellen. Laut Berechnungen der Nichtregierungsorganisation „Tax Justice Network“ sind diese Länder aber lediglich für sieben Prozent der weltweiten Finanzaktivitäten in Schattenfinanzzentren verantwortlich. Die NGO hat deshalb eine eigene Liste erstellt, den „Corporate Tax Haven Index“. Darauf stehen auch europäische Länder wie die Niederlande, die Schweiz oder Luxemburg.

[Verfolgen Sie alle neuen Entwicklungen zum Coronavirus in unserem Liveblogs zum Virus weltweit und zum Virus in Berlin.]

Die Linksfraktion im Bundestag hat die Geschäftsberichte deutscher Großkonzerne ausgewertet. Dabei kam heraus: Basierend auf dem Index des Tax Injustice Networks haben ausnahmslos alle deutschen Dax-Unternehmen Tochterfirmen in Steueroasen. Was genau die Konzerne mit diesen Tochterfirmen bezwecken, hat die Linke nicht analysiert.

Aber Fabio De Masi, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, meint: „Wenn man als Dax-Konzern eine Niederlassung in Panama hat, gibt es dafür überwiegend steuerliche Gründe.“ Sein Büro hat die Daten ausgewertet.

Unternehmen sollen offenlegen, wo sie Umsätze machen

Eine der zentralen Forderungen von Grünen, Linken und Nichtregierungsorganisationen ist die Offenlegung von Finanzen, ein sogenanntes öffentliches „Country-by-Country-Reporting“. Ein in mehreren Ländern tätiges Unternehmen muss dabei alle Umsätze, Gewinne, Ausgaben und weitere relevanten Daten aufzeigen, aufgeschlüsselt für die einzelnen Länder. Konstrukte, die überwiegend der Steuervermeidung dienen, würden so sichtbar gemacht.

Die EU-Kommission wollte das bereits auf EU-Ebene einführen, kleine Länder wie Luxemburg und Malta aber haben die Initiative blockiert. Deutschland hat sich als einziges großes Land enthalten. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) befürwortet ein öffentliches Reporting auf EU-Ebene, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat sich dagegen ausgesprochen. Das Argument der Gegner: Ein öffentliches Reporting würde deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligen.

Der Konflikt zwischen CDU und SPD scheint sich auch jetzt, in den Verhandlungen um Wirtschaftshilfen für Unternehmen in der Coronakrise, fortzusetzen. Altmaier hatte Steueroasen als Kriterium für Staatshilfen eine Absage erteilt. Am Sonntag sagte er der ARD, dass für „irgendwelche kleinteiligen Prüfungen“ in der Coronakrise keine Zeit sei.

Unverständnis von Grünen und Linken

Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums betont auf Anfrage, dass es bereits „strenge Auflagen“ für Unternehmen gebe, die Staatshilfen bekommen, etwa bei den KfW-Programmen. Aus dem Haus von Finanzminister Scholz heißt es hingegen, dass in die Arbeiten zu den rechtlichen Grundlagen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds „umfassende Überlegungen“ einfließen würden, „die auch die Bekämpfung von Steuerflucht und Steuertransparenz betreffen.“

Altmaiers Argument, dass eine Prüfung der Unternehmen zu lange dauern würde, stößt in der Opposition auf Unverständnis. „Da internationale Konzerne diese länderspezifischen Berichte bereits den Steuerbehörden vorlegen, sind damit keine zusätzlichen Belastungen verbunden“, sagt Lisa Paus, Finanzexpertin der Grünen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Für ein öffentliches Reporting setzt sich auch die Bürgerbewegung Finanzwende ein. Der gemeinnützige Verein hat bereits über 260 000 Unterschriften für ihre Kampagne „Keine Staatshilfen für Steuertrickser und Klimasünder“ gesammelt. Wichtig sind für den Verein auch die Lehren der Vergangenheit. „Die Fehler der letzten Finanzkrise dürfen nicht wiederholt werden“, sagt Konrad Duffy, Referent für Finanzkriminalität des Vereins.

Corona-Hilfen nutzen, um für Transparenz zu sorgen

Damals sind Milliarden an Steuergeldern in die Bankenrettung geflossen. Wie sich später herausstellte, hinderte das einige Banken nicht daran, sich an krummen Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften zu beteiligen. Jetzt könnten die Corona-Staatshilfen genutzt werden, um für mehr Transparenz von Unternehmen zu sorgen, fordert Duffy. „Deutschland sollte bei solchen Themen Vorbild und nicht Bremser sein.“

Die Lufthansa hat jetzt als Reaktion auf kritische Nachfragen unter anderem von SPD-Chef Norbert Walter-Borjans veröffentlicht, in welchen der von der EU als „unkooperative Staaten“ bezeichneten Länder sie Firmen hat. Sie führt auf, wie viele Mitarbeiter dort zu welchen Zwecken arbeiten.

Wie viel Gewinn die Airline dort erwirtschaftet und versteuert, bleibt aber geheim. „Selbstverständlich werden in allen Ländern, in denen der Lufthansa-Konzern tätig ist, die nationalen und internationalen Rechts- und Steuervorschriften beachtet“, heißt es in einer Pressemitteilung des Konzerns.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false