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Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister der SPD.

© IMAGO/Chris Emil Jan√üen/IMAGO/Chris Emil Janssen

„Brauchen eine genaue Bedarfsplanung“: Berlin diskutiert über Lauterbachs Krankenhausreform

Der Gesundheitsminister fordert die Spezialisierung der Kliniken, nicht alle werden seine Reform überstehen. Die Länder wehren sich – und in Berlin debattieren Krankenhaus-Experten.

Unsicherheit in der Personalakquise, Ärger über die „von oben nach unten“ durchgereichten Pläne, zudem viele Unklarheiten – in Berlins Fachwelt wird Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch überzeugen müssen. Am Donnerstag verschob Lauterbach die avisierte Verständigung mit den Landesregierungen auf Mitte Juli, die hatten Kritik an den vom Bund geplanten, als zu eng empfundenen Vorgaben für die Kliniken.

Die Krankenhausreform soll Lauterbach zufolge dennoch, wie vorgesehen, am 1. Januar 2024 in Kraft treten können. Ein „Gesetzesmonstrum“ drohe, das in aller Eile und ohne valide Datengrundlage geschaffen werde, klagte Marc Schreiner am Vorabend. Es gebe Bewerbungsgespräche mit Ärzten, die sich dann zurückzögen, sagte der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft, und zwar mit Verweis darauf, dass vor der Reform unklar sei, welche Klinik überlebe.

Lauterbach plant drei Klinik-Stufen

Schreiner debattierte im Abgeordnetenhaus mit anderen Klinikexperten, eingeladen hatte Tobias Schulze, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion. Laura Valentukeviciute vom „Bündnis Klinikrettung“ überraschte dort mit der Feststellung, die Krankenhäuser seien nicht so schlecht, wie es derzeit allerorten heiße – auch wenn sie von den dafür zuständigen Bundesländern zu knapp ausgestattet würden. Selbst die in der Lauterbach-Kritik routinierten Regierungen in Bayern und Nordrhein-Westfalen organisierten nur „Scheinwiderstand“ gegen den Bund – denn auch sie wollten kleinere Kliniken eben nicht ausreichend aus der Landeskasse finanzieren.

Es gibt erstaunlich wenig Daten in der Versorgungsforschung, um eine solche Reform umzusetzen.

Andreas Umgelter, Chefarzt einer Vivantes-Rettungsstelle

Lauterbach will weniger, dafür größere, nach Aufgaben sortierte Kliniken: Level-I-Häuser wären ambulante Zentren für die Grundversorgung, Level-II-Kliniken für Regel- und Schwerpunktversorgung da, während es auf Level III um Spezialeingriffe ginge.

Führende Ärzte fordern valide Daten für Lauterbachs Reformplan

Gewerkschafterin Gisela Neunhöffer, die innerhalb von Verdi für Krankenhäuser zuständig ist, sagte dazu: Immer noch unklar sei, wie viel Personal für die jeweils geplanten Kliniktypen vorgeschrieben werde. „Und wir brauchen eine genaue Bedarfsplanung.“

Auch Andreas Umgelter, Chef der Rettungsstelle des Reinickendorfer Vivantes-Humboldt-Klinikums, sprach von „erstaunlich wenig Daten“, die in der Versorgungsforschung vorhanden seien, um eine solche Reform umzusetzen. Wer stationäre Versorgung reduzieren wolle, sagte Umgelter, müsse den ambulanten Sektor stärken. Einen Blasenkatheter zu wechseln, müsse in einem Pflegeheim möglich sein. Noch werden Betroffene dafür oft in die ohnehin vollen Notaufnahmen gefahren.

Für die von Lauterbach geplanten „Leistungsgruppen“, das sind Cluster bestimmter Behandlungen, die nur noch in dafür als geeignet eingestuften Kliniken durchgeführt werden sollen, fehle die „Evidenz“, sagte Rettungsstellen-Leiter Umgelter.

Auch Jörg Weimann, Experte für Intensivmedizin der Ärztekammer Berlin, hatte schon vergangenen Dezember gesagt, dass „valide Kriterien“ zur Messung der Behandlungsqualität nur für wenige Disziplinen vorlägen. Eine „rechtssichere Umsetzung“ der Lauterbach-Pläne sei fraglich.

Ein eingeladener Vertreter der Senatsgesundheitsverwaltung war wegen der laufenden Haushaltsverhandlungen an diesem Abend verhindert. Unklar ist, wie der Senat mit der Reform (die so oder so kommt) umzugehen gedenkt. Es werde keine Klinikschließungen geben, sagte Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) kürzlich. Ob das durchzuhalten ist, bezweifeln Fachbeamte.

Intern gehen einige davon aus, dass die derzeit vom Senat unterstützen 60 Krankenhäuser auf 50, womöglich 40 reduziert werden könnten – ohne dass die Versorgung gefährdet sei. Mit Protesten muss Czyborra in jedem Fall rechnen, am 4. Juli wollen Kritiker der Reform vor ihrem Amtssitz in Kreuzberg demonstrieren.

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