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Doris König (m), die Vorsitzende des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, spricht bei einer mündlichen Verhandlung. Links sitzt die Richterin Astrid Wallrabenstein.

© dpa/Bernd Weißbrod

Update

Mögliche Wiederholung der Bundestagswahl: Bundesverfassungsgericht kritisiert unzureichende Aufarbeitung der Pannen in Berlin

Die Verfassungsrichter prüfen, in welchem Umfang die Bundestagswahl in Berlin nachgeholt werden soll. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

| Update:

Am Dienstag und Mittwoch verhandelt das Bundesverfassungsgericht über eine mögliche Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin. Anlass sind wie schon bei der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl zahlreiche Pannen bei der Abstimmung am 26. September 2021. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Wahlkwiederholung.

Muss Berlin schon wieder wählen?
Ja, dass die Bundestagswahl zumindest in Teilen wiederholt wird, ist sehr wahrscheinlich. Das genaue Ausmaß ist jedoch noch offen. Der Deutsche Bundestag beschloss im vergangenen Jahr mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP, dass die Wahl in 431 von insgesamt 2257 Berliner Wahlbezirken wiederholt werden muss. Gegen diesen Beschluss klagt unter anderem die Unionsfraktion derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht. Zur Begründung heißt es: „Angesichts der zahlreichen und erheblichen Wahlfehler, die in Berlin unstreitig stattgefunden haben, reicht eine auf einzelne Wahlbezirke beschränkte Wahlwiederholung nicht aus.“

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Wann findet die Wiederholung der Bundestagswahl statt?
Berliner Landeswahlleiter Stephan Bröchler hat das Bundesverfassungsgericht gebeten, sein Urteil zur Wiederholung der Bundestagswahl 2021 zu einem Zeitpunkt zu sprechen, sodass diese nicht in die Adventszeit, in die Zeit um Weihnachten oder Neujahr fällt. Denn in der Zeit könne es zum Beispiel an Wahlhelfern mangeln, erklärte Bröchler am Dienstag in Karlsruhe. Die Vorsitzende Richterin Doris König antwortete, der Senat werde versuchen, das beim Grundsatz der Beschleunigung des Verfahrens zu berücksichtigen.

Der Termin ist genau wie der Umfang der Wiederholungswahl noch nicht klar. Mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird im Herbst gerechnet. Berlin hat dann 60 Tage Zeit, die Wahlwiederholung durchzuführen. Sollte die Abstimmung tatsächlich vollständig wiederholt werden müssen, wäre dies ein sehr knapper Zeitraum für die Vorbereitung, heißt es aus Kreisen der Verwaltung. Schon jetzt bereiten sich daher erste Bezirke darauf vor. So sucht etwa der Bezirk Steglitz-Zehlendorf bereits Mitarbeiter, die bei der Durchführung der Briefwahl im Bezirk helfen.

Was passiert am Dienstag und Mittwoch vor dem Bundesverfassungsgericht?
Die Richterinnen und Richter am Zweiten Senat machten am Dienstag mit ihren Fragen deutlich, dass sie die Aufklärung der Pannen bei der Wahl in Berlin im September 2021 durch den Bundestag für unzureichend halten. 

Die Richterbank beanstandete insbesondere, dass der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages nicht die Protokolle gesichtet hat, die die 2256 Urnenwahlbezirke in Berlin angefertigt haben. Dort hätten Wahlfehler möglicherweise exakter festgestellt werden können. Die Vertreter der Bundestagsmehrheit begründeten das mit Zeitgründen, die Auswertung der Protokolle hätte zu lange gedauert und ihr Aussagewert sei gering gewesen.

Die Verhandlung soll auch dazu dienen, sich mit grundlegenden Fragen der Wahlprüfung zu befassen, etwa zum Umgang mit der Ausgabe fehlerhafter Stimmzettel, der Unterbrechungen der Wahlhandlung, der Stimmabgaben nach 18.00 Uhr und Wartezeiten. Dazu werden unter anderem die neue Bundeswahlleiterin Ruth Brand sowie Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler angehört.

Bröchler sagte dem Tagesspiegel, dass er sich von der Anhörung „ein erhellendes Rechtsgespräch“ erwarte. „In hohem Masse klärungsbedürftig ist etwa die Frage, welche Standards der Wahlorganisation für Bundestagswahlen verbindlich gelten sollen. Das ist beispielsweise im Blick auf tolerierbare Wartezeiten vor Wahllokalen nach Schließung des Wahllokals in hohem Maße relevant.“

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Wie argumentieren die Union und der Bundestag?
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Patrick Schnieder, argumentierte am Dienstag vor Gericht, dass die Legitimation der Wahl wiederhergestellt werden müsse. Verfassungsrechtler Heiko Sauer, Bevollmächtigter für den Bundestag, sagte, dass man nicht wisse, wie viele Wahlberechtigte wegen des Chaos nicht gewählt hätten.

Jedenfalls habe die Wahlbeteiligung nur knapp unter dem Bundesschnitt gelegen. Unterschiedlich bewerteten die Seiten auch die Frage, ob Wartezeiten zum Beispiel ab einer halben Stunde an sich schon Wahlfehler seien. Bundeswahlleiterin Brand sieht das so. Sie erklärte unter anderem, dass Fotos und Videos von Warteschlangen etwa in sozialen Netzwerken andere Menschen vom Wählen abschrecken könnten. 

Warum läuft die Überprüfung der Bundestagswahl und der Abgeordnetenhauswahl getrennt?
Die Überprüfung der Wahlen ist jeweils gesetzlich geregelt. Für die Bundestagswahl ist der sogenannte Wahlprüfungsausschuss im Deutschen Bundestag verantwortlich: ein mit Abgeordneten besetztes Gremium, das über Fehler und Pannen bei Wahlen berät und schließlich eine Empfehlung an den Bundestag abgibt. Das Parlament entscheidet schließlich über eine mögliche Wiederholungswahl. Gegen diese Entscheidung kann vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingelegt werden.

Bei der Abgeordnetenhauswahl ist hingegen sofort das Landesverfassungsgericht zuständig. Dieses entschied im vergangenen November, dass die komplette Wahl wiederholt werden müsse – unter anderem aufgrund systematischer Fehler bei der Wahlvorbereitung. Auch gegen diesen Beschluss legten Berliner Abgeordnete Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde ein.

Karlsruhe lehnte die beantragte Aussetzung der Wahl in einem Eilverfahren jedoch ab, die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl konnte stattfinden. In einer nachgereichten Begründung legten die Richterinnen und Richter dar, dass sie für die Überprüfung nicht zuständig seien, da das Grundgesetz den Ländern eigenständige Verfassungsbereiche gewährt, die auch das Wahlrecht umfassen. Inhaltlich nahm das Bundesverfassungsgericht zu der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts bisher nicht Stellung. Auch deswegen wird die Verhandlung und Entscheidung zur Wiederholung der Bundestagswahl mit Spannung erwartet.

Warum ist die Beteiligung des Bundesverfassungsrichters Peter Müller an dem Verfahren umstritten?
Müller hatte sich im Oktober 2022 ungewöhnlich deutlich zu den Wahlpannen in Berlin geäußert. Im „F.A.Z. Einspruch Podcast“ sagte er, eine Situation wie in Berlin hätte man sich vor einigen Jahrzehnten in einem „diktatorischen sogenannten Entwicklungsland“ vorstellen können, aber nicht mitten in Europa, mitten in Deutschland. Vor wenigen Tagen war der Bundestag mit dem Versuch gescheitert, dem Verfahren der Union offiziell beizutreten. Damit konnte das Parlament nicht beantragen, Müller – der die Verhandlungen in dem Fall federführend leitet – wegen Befangenheit abzulehnen. (mit dpa, Reuters)

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