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06.01.2023, Berlin: Kai Wegner, CDU-Spitzenkandidat für die Wahlwiederholung zum Berliner Abgeordnetenhaus, boxt in einen Boxsack bei einem Besuch des Boxvereins Isigym Boxsport Berlin e.V. Foto: Carsten Koall/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa / Carsten Koall

„Geduld mehr als überschritten“: Silvesterrandale prägt den Berliner Wahlkampf

Während Franziska Giffey das Gespräch mit Feuerwehrleuten sucht, äußert Bettina Jarasch Skepsis am Jugendgipfel. CDU-Chef Kai Wegner besucht derweil einen Boxclub.

Die Silvesterausschreitungen und deren Aufarbeitung bestimmen weiterhin Themen und Terminkalender der Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl am 12. Februar – und prägen zunehmend auch den Wahlkampf.

Noch im Morgengrauen machte sich die SPD-Spitzenkandidatin und Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey am Freitag auf den Weg in eine Neuköllner Feuerwache, um mit Einsatzkräften über die Angriffe in der Silvesternacht zu sprechen. Dass sie dabei gleich von drei SPD-Politiker:innen begleitet wurde – dem Bezirksbürgermeister Martin Hikel, Innensenatorin Iris Spranger und Bundesinnenministerin Nancy Faeser –, hatte Sachgründe, kam der wahlkämpfenden Giffey aber sicher nicht ungelegen.

Giffey spricht mit Feuerwehrkräften und sieht „Zäsur“

Wie in den vergangenen Tagen auch, fand Giffey scharfe Worte zu den Ausschreitungen, sprach von einer „Zäsur“ und davon, dass die „Geduld mehr als überschritten“ sei. „Wir sehen, dass wir hier offensichtlich junge Menschen haben, die sich nicht mehr in dem Maße einer Gesellschaft zugehörig fühlen und sich dem Respekt gegenüber Einsatzkräften nicht mehr so verpflichtet fühlen, wie wir das als normal betrachten würden“, sagte Giffey. „Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass 13-Jährige Polizisten ins Gesicht zielen.“ Aus Teilnehmerkreisen erfuhr der Tagesspiegel, dass Giffey in dem Gespräch von teilweise vererbten Problemen in den jeweiligen Kiezen sprach.

Der von der Regierenden Bürgermeisterin initiierte Gipfel gegen Jugendgewalt am kommenden Mittwoch nimmt derweil konkrete Formen an. Nach Tagesspiegel-Informationen sollen neben den zuständigen Senatsverwaltungen (Innen, Justiz, Jugend und Bildung), die Polizei, Vertreter der betroffenen Bezirke, die Integrationsbeauftragte, ein Vertreter der Landeskommission gegen Gewalt, ein Vertreter vom Quartiersmanagement High-Deck-Siedlung sowie Sozialarbeiter:innen an dem Treffen teilnehmen.

Jarasch zweifelt am Gipfel gegen Jugendgewalt

Vorsichtige Kritik an dem Gipfel äußerte unterdessen Giffeys Konkurrentin um das Amt der Regierenden, Bettina Jarasch. Sie meldete sich am Freitag sogar noch früher zu Wort als die SPD-Politikerin. So einen Gipfel könne man machen, sagte Jarasch im Inforadio des RBB, „nur auch dort, das prophezeie ich jetzt schon, werden wir Lösungen beschließen, die nicht ganz neu klingen“.

Jarasch betonte, dass bereits bestehende Strukturen gestärkt werden müssten. Dazu zählten Schule, Jugendarbeit und Streetworker. „Wenn wir uns auf dem Gipfel vergewissern, dass das wichtig ist und da dranbleiben und Ressourcen dafür geben, dann ist das schonmal ein guter Punkt. Es ist nur nichts, das übermorgen helfen wird.“

Das Einzige, das in der Debatte schnell helfen würde, sei ein Verbot von Schreckschusswaffen, sagte Jarasch. Sie hätte sich gefreut, wenn Innensenatorin Spranger „das vielleicht auch schon früher gemacht hätte“. Spranger wiederum wies diese Aussage später als Wahlkampfgeplänkel zurück und verwies darauf, dass Waffenrecht eine Bundes- und keine Landesangelegenheit sei.

Wegner will Prävention stärken

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner, tags zuvor wegen eines Fragenkatalogs seiner Fraktion zum Silvesterkrawall unter Rassismus-Vorwurf geraten, bemühte sich am Freitag um Einordnung. Es müssten „gezielt und passgenau“ jene Menschen angesprochen werden, die zwar in dritter Generation in Deutschland leben und „Berliner Jungs“ seien, wie Wegner erklärte, sich aber nicht zur Gesellschaft zugehörig fühlten.

„Dafür brauchen wir die Zusammenarbeit mit Vereinen vom Sport bis hin zu Moscheevereinen“, sagte Wegner anlässlich seines Besuchs in einem Schöneberger Boxclub. „Ich möchte, dass sich diese Leute zu uns bekennen“, erklärte er und forderte „ein ganzes Bündel an Maßnahmen“, zu dem neben verstärkter Prävention auch besser ausgestattete Sicherheitsbehörden sowie eine funktionierende Justiz gehöre. 

Die Frage nach den Vornamen der deutschen Tatverdächtigen, die Eingang in einen CDU-Fragenkatalog für die Innenausschusssitzung am kommenden Montag gefunden und zu Kritik an und aus der Fraktion geführt hatte, wurde von Wegner verteidigt. „Wir müssen diese Namen wissen, damit wir passgenaue Antworten geben können“, erklärte er und zeigte sich enttäuscht darüber, in die rechte Ecke gedrängt zu werden.

Die Frage habe zu einem Zeitpunkt Eingang in den Katalog gefunden, als keinerlei Informationen zu den Hintergründen der Tatverdächtigen vorgelegen hätten, sagte Wegner weiter. Er wies den Vorwurf zurück, seinerseits zur Ausgrenzung von Menschen mit Migrationsgeschichte beizutragen. „Es geht nicht um Ausgrenzung, sondern darum, passgenaue Informationen zu bekommen“, sagte Wegner.

Tagesspiegel-Informationen zufolge war der Parteichef selbst nicht besonders glücklich mit der Frage, die intern zu heftigen Debatten und öffentlichen Distanzierungen einzelner Fraktionsmitglieder geführt hatte. Da mittlerweile zahlreiche Informationen zu den Tatverdächtigen vorlägen, wird ihr dem Vernehmen nach auch CDU-intern nicht mehr großes Gewicht zugesprochen.

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