
© Christoph Soeder/dpa
BVG-Streik im Blog: Bahn- und Busverkehr läuft wieder weitgehend wie üblich
Das große Chaos blieb aus, die Berliner nahmen den Streik gelassen. Seit dem Mittag fahren U-Bahn, Bus und Tram wieder. Der Blog zum Nachlesen.
Am Freitag streikte die BVG zum ersten Mal wieder seit sieben Jahren. Der Ausstand bei U-Bahn, Tram und Bus endete am Freitagmittag gegen 12 Uhr. Pendler, Taxifahrer und Reisende stiegen auf S-Bahn, Taxen oder per Körperkraft betriebene Verkehrsmittel um - oder blieben gleich zuhause. Der Betrieb der BVG hatte sich am Nachmittag wieder weitgehend normalisiert.
Alle Ereignisse rund um den Streik können Sie hier im Blog nachlesen.
- Warum Berlin sich vom Streik nicht weiter aus der Ruhe bringen ließ, lesen Sie hier.
- Wie Verdi den Streik fand, erfahren Sie hier.
- "Berlins Verkehrspolitik versagt an jeder Ecke", resümiert Stefan Jacobs in seinem Kommentar.
Zurück in die Normalität
Weil wir sie lieben

Verdi: Jetzt muss sich die BVG bewegen
Und wie geht es jetzt weiter bei den Verhandlungen zwischen Verdi und BVG? Nach Angaben von Verdi-Sprecher Andreas Splanemann "haben die Arbeitgeber jetzt Zeit zum Nachdenken". Verdi rechnet damit, dass sich die BVG bewegen werden. BVG-Chefin Sigrid Nikutta habe schließlich in einem Fernsehinterview durchblicken lassen, dass mehr Gehalt drin sei. "Wenn es ein Angebot gibt, wird verhandelt und nicht gestreikt", sagte der Verdi-Sprecher. Bei der Kundgebung von Verdi vor der BVG-Zentrale in der Holzmarkstraße hatte Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt eindringlich ein verhandlungsfähiges Angebot der Arbeitgeber gefordert. Wenn sich die BVG in der kommenden Woche gar nicht bewegen sollte, wäre ein weiterer Warnstreik allerdings "denkbar und vielleicht auch sinnvoll", sagte Splanemann dem Tagesspiegel. Fertige Pläne dafür habe Verdi aber nicht in der Schublade.Zurück zur Normalität
Am Alexanderplatz kehrt ganz langsam wieder Normalbetrieb ein. Touristen ziehen wieder ihre Koffer an der Weltzeituhr vorbei, ohne sich fragend umzusehen, warum es hier ohne Straßenbahnen so ausgestorben aussieht. Eilige spurten unter der Erde wieder zu ihren U-Bahnen, stoppen vielleicht auf dem Weg kurz beim Bäcker, um sich ein Brötchen auf die Hand zu holen. Schade eigentlich, dass der Streik schon vorbei ist: Hat er den Alex doch etwas zur Ruhe gezwungen. Auch ich beende jetzt meinen Einsatz als Streik-Reporterin, setze mich an den Brunnen der Völkerfreundschaft in die Sonne und genieße die letzten Reste des Vormittagsschläfchens dieses Platzes, bevor er wieder in Hektik versinkt. Einen schönen Tag und: Kommen Sie gut ans Ziel!BVG-Mitarbeiter vertrauen auf Verständnis
Im Kundencenter der BVG im Bahnhof Alexanderplatz sind die Mitarbeiter auf ihre Plätze zurückgekehrt. Sie waren heute morgen bei der Streik-Kundgebung, erzählen sie. „Es war voll, viel voller, als wir vorher dachten“, sagt ein Kundenberater, der sich als Herr Schmidt vorstellt. Seit etwa einer Stunde ist das Center wieder offen. „Seitdem kamen noch keine Menschen, die sich über unseren Ausstand beschwert haben“, sagt Schmidt. „Ich glaube, die Berliner wissen, dass die BVG nicht leichtfertig streikt, sondern nur, wenn die Dinge wirklich im Argen liegen. Der letzte Streik liegt sieben Jahre zurück.“ Schmidt hofft, dass die Aktion ihm und seinen Kollegen auch bald ein besseres Einkommen beschert. „Am 5. März wissen wir mehr.“ Dann gehen die Tarifverhandlungen weiter.
Ein erfolgreicher Tag für die S-Bahn

- "Alle 535 Züge waren auf der Schiene (523 Regelbetrieb plus Taktverstärker)
- 85 zusätzliche Fahrten auf der S1 und der S5 – 35 mehr als ursprünglich geplant
- Zwei zusätzliche Fahrten auf dem Ring S41/42
- Einsatz von vier zusätzlichen Zügen aus der Betriebsreserve
- Rund 100 zusätzliche Mitarbeiter waren auf den Bahnsteigen im Einsatz für die Kundeninformation und zur Unterstützung des Betriebes
Alle Lokführer traten am Freitagmorgen pünktlich ihren Dienst an, auch alle Reservezüge waren mit Personal besetzt. Die zusätzlichen Züge wurden teilweise von Führungskräften mit Fahrlizenz gelenkt. Die Auslastung der Züge lag bei durchschnittlich 90 Prozent – am vollsten waren die Wagen auf dem östlichen Ring und im Bereich Friedrichstraße. Dennoch lief der Verkehr entspannt und mit einer Pünktlichkeit, die zwischen 98,8 Prozent (um 6 Uhr) und 96,3 Prozent (10 Uhr) lag. Die S-Bahn Berlin bedankt sich bei allen Kolleginnen und Kollegen für ihren engagierten Einsatz!"
Der BVG-Streik in Bildern
Die erst Bahn am Alex

Stockender Neustart
Am Alex steht alles still
Offiziell ist der Streik beendet, doch am Alexanderplatz wurde um 12.31 noch keine U-Bahn oder eine Straßenbahn gesichtet. Die Anzeigen an den Gleisen zeigen etwa „Kein Zugverkehr - in 9 Minuten an“, Fahrgäste laufen irritiert durch die Station.Und sie rollt wieder los
Wenigstens die Gerüchteküche funktioniert
Ungeduldiges Warten, dass sich die Tore wieder öffnen: Im U-Bahnhof Alexanderplatz haben sich schon etwa 50 Menschen versammelt, die in die erste U-Bahn steigen wollen. Auch Julia Labrenz steht hier. Sie will zur Schönhauser Allee in eine Bibliothek. Die junge Frau hat Zeit, keinen Termin. Andere drängeln, wann schließt jemand das Gatter auf? „Streik, Streik! Die BVG macht jeden Tag Streik - funktioniert doch nie was“, schimpft ein Mann. Julia Labrenz nimmt‘s gelassen. „Die Zugführer verdienen nicht viel. Sollen sie doch einen Vormittag streiken.“ Ein Gerücht kursiert, der Streik sei bei 14.30 verlängert. „Stimmt nicht“, schreit ein Mann vom Tor.
Alles halb so wild

Geldautomat gesprengt
Den BVG-Streik nutzten Unbekannte im U-Bahnhof Ullsteinstraße für ihre Zwecke. Sie sprengten gegen 5 Uhr mit einem Gasgemisch einen Geldautomaten auf. Dem Vernehmen nach gelangten sie an die Geldkassetten und flüchteten damit. Da wegen des Streiks der Bahnhof versperrt war, gibt es keine Zeugen. Der oder die Täter drangen vermutlich durch einen Notausstieg in den Schacht der U6 in Tempelhof ein. Nach Angaben der BVG ist der Schaden hoch, ein Ausgang wird vermutlich auch nach Ende des Streiks um 12 Uhr nicht eröffnet werden können, sagte BVG-Sprecherin Petra Nelken.
Szenen aus der S-Bahn
Mehr Pausen, mehr Geld
Die Frage, ob sie vor allem für mehr Geld oder für weniger Arbeit kämpfen sollten, beantworten mehrere streikende BVGer vor der Unternehmenszentrale unserem Reporter Stefan Jacobs mit kurzem Nachdenken und einem anschließenden „Beides!“ So berichtet ein Busfahrer davon, dass die Arbeit vor etwa zehn Jahren so gestrafft worden sei, dass die Pufferzeiten – etwa an Endhaltestellen – knapp wurden. Das sei zunächst zu verkraften gewesen, aber über die Jahre seien sowohl die Straßen als auch die Busse so viel voller geworden, dass Verspätungen normal seien. Und jede Verspätung bedeute verlorene Zeit zum Durchschnaufen vor der nächsten Runde.
Warum es auch mehr Geld sein soll, begründet Verdi-Gewerkschaftssekretär Jeremy Arndt bei seiner Rede auf der Ladefläche des Lastwagens, der als Bühne dient: Der BVG-Tarif sei inzwischen der zweitschlechteste im Bundesvergleich, „selbst die Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Lebenshaltungskosten niedriger sind, bekommen mehr“.

Trotz High Heels blasenfrei ans Ziel
Zur Not hilft der ausgestreckte Daumen: Katalin Gennburg, in der Linksfraktion des Berliner Abgeordnetenhauses zuständig für die Themen Stadtentwicklung, Tourismus und Smart City, stellte sich am Freitagvormittag kurzentschlossen am Heidelberger Platz an den Straßenrand und hielt den Daumen raus. Nach wenigen Minuten stoppte ein BMW, das knapp drei Kilometer entfernte Ziel Gennburgs lag passenderweise auf der Route der aus Zehlendorf stammenden Autofahrerin. „Die Fahrt hätte gern noch länger dauern können“, sagt Gennburg hinterher unserem Kollegen Robert Kiesel, einen Kaffee hätte sie gern mit der Kurzzeit-Chauffeurin getrunken. Für Gennburg war es nicht die erste Erfahrung mit dem Trampen. Vor Jahren trampte sie quer durch Irland, entdeckte die Insel vom Beifahrersitz wechselnder Fahrzeuge aus. „Man kommt anders zusammen, lernt nicht nur Land sondern auch Leute kennen“, sagt Gennburg. Einer möglichen Verlängerung des BVG-Streiks in der kommenden Woche blickt sie nach ihrer Tour vom Freitag entspannter entgegen.
Tausend Schritte sollst du tun..
Im Reisecenter am Hauptbahnhof hatte die Mitarbeiterin am Infoschalter heute vor allem mit Touristen zu tun, die in ihre Hotels wollten. „Ich versuche dann, Routen ohne Busse oder Straßenbahnen rauszusuchen - und manchmal müssen die Leute eben auch ein bisschen laufen.“ Auch auf Taxis verweist sie. Die stehen in diesem Moment in kleinen Schlangen an den Taxiständen vor den Eingängen, fast so, als hätte Berlin nie das Wort „Streik“ gehört. Die Bahnerin vermutet, dass am Mittag und Nachmittag noch einmal mehr gestrandete Touristen vor ihr stehen. „Die ersten Frühzüge aus anderen Städten kommen jetzt erst an - und es wird bis zum Abend dauern, ehe die BVG den Betrieb wieder normalisiert hat.“
Wandertour in der Jungfernheide
Podcast: Das sagen die Berliner zum Streik
War da was?
Cool, cooler Berlin: Unser Verkehrsreporter Jörn Hasselmann kommentiert den Streik und resümiert: So ein Streik juckt die Berliner nicht weiter.- BVG
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