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Das in Tegel erprobte modulare Betreuungsprojekt "Labor 5000" wird vom Bund mit weiteren 21 Millionen Euro gefördert.

© picture alliance/Kay Nietfeld

„Moderne Zelte, nicht Moria“: Berlin braucht 10.000 neue Schlafplätze für Flüchtlinge in nur sieben Wochen

Sozialsenatorin Kipping hält Zeltstädte für unausweichlich, kleinere Unterkünfte reichen nicht mehr aus. In Berlin sind bis Oktober dieses Jahres mehr Menschen angekommen als 2015.

Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping muss bis Jahresende bis zu 10.000 neue Schlafplätze für Flüchtlinge schaffen. Das sagte die Linke-Politikerin am Dienstag nach der Sitzung des Berliner Senats. Kipping betonte die Notwendigkeit von großen Zeltstädten: „Mit kleineren Unterkünften kommen wir nicht bis Ende des Jahres auf 10.000 zusätzliche Plätze.“ Außerdem rief Kipping die zweite Stufe eines Notfallplans aus. Damit bestätigte die Senatorin einen Tagesspiegel-Bericht vom Vortag.

Hintergrund sind die weiterhin hohen Flüchtlingszahlen in Berlin. In den Unterkünften des Landesamtes für Flüchtlinge (LAF) sind derzeit nur noch 124 Plätze frei, teilte ein Sprecher am Dienstag mit. Die Behörde hat im laufenden Jahr schon mehr Flüchtlinge registriert als im Jahr 2015 und den ersten beiden Monaten im Jahr 2016. Damals kamen rund 72.000 Asylbewerber nach Berlin.

Kipping betonte am Dienstag, man wolle „Verhältnisse wie 2015“ in jedem Fall vermeiden. Damals hatte Hunderte Flüchtlinge teils tagelang auf Essen oder Registrierung gewartet, Turnhallen wurden als Schlafstätten beschlagnahmt. „Das schließen wir weiterhin aus“, sagte Kipping.

Aus der Sozialverwaltung hieß es auch, dass die Situation trotz der immens hohen Zahlen von Zuwanderern nicht Eins zu Eins mit 2015 vergleichbar sei. So seien viele Ukrainer privat untergebracht, eine große Zahl sei auch weiter- oder zurückgereist. Weil es für die Menschen keine Residenzpflicht gibt, weiß das aber niemand genau.

Kipping: „Wir reden nicht über Zelte wie in Moria“

Die geplanten Zeltstädte sollen möglichst schon bis Ende November entstehen, wie der Tagesspiegel aus Koalitionskreisen erfuhr. Ein Sprecher der Sozialverwaltung benannte den Zeitraum mit: „So schnell wie möglich“. Kipping sagte dazu auf Nachfrage: „Wir reden nicht über Zelte wie in Moria, sondern über Leichtbauhallen und hochmoderne Zeltanlagen.“ Man dürfe sich die Unterbringung nicht „wie auf einem Zeltplatz“ vorstellen, sagte die Linke-Politikerin.

Als wahrscheinliche Orte dafür gelten das Vorfeld des Tempelhofer Feldes, das Messegelände und der frühere Flughafen Tegel. Die Orte wollte Kipping am Dienstag aber noch nicht offiziell bestätigen. Es laufen noch Verhandlungen.

Kipping und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) betonten am Dienstag, dass der gesamte Senat die „Herkulesaufgabe“ der Flüchtlingsunterbringung annehme. Jarasch sagte: „Wir dürfen Bund und Bezirke nicht aus der Verantwortung entlassen.“ Es gebe noch ungenutzte freie Gebäude, sagte die Grünen-Politikerin. „Zeltstädte sind sicher nicht unsere erste Wahl.“ Kipping warb erneut um Unterstützung vom Bund: „Berlin übernimmt Verantwortung für die gesamte Bundesrepublik. Tegel ist zentraler Anlaufpunkt für viele Menschen aus der Ukraine“, sagte sie.

Aus der Opposition kam am Dienstag angesichts der brenzligen Lage nur verhaltene Kritik am Senat. Der CDU-Integrationspolitiker Björn Wohlert bezeichnete den Aufbau einer Zeltstadt als „die Ultima Ratio“. Er kritisierte, dass die Landesregierung nicht darüber informiere, welche Angebote an Unterkünften dem Land in den vergangenen Wochen und Monaten von privater Seite gemacht wurden und welche davon der Senat abgelehnt habe.

Um eine menschenwürdige und dezentrale Unterbringung zu gewährleisten, sollten auch private Angebote, etwa von Hotelbetreibern, in Anspruch genommen werden, sagte Wohlert. Er kritisiert: „5000 Sozialwohnungen wollte der Senat jedes Jahr bauen – doch 2022 ist noch keine einzige beantragt worden.“ Diese hätten auch Abhilfe bei der Unterbringung von Flüchtlingen leisten können.

Der FDP-Sozialpolitiker Tobias Bauschke forderte eine europäische Initiative zur Unterbringung Geflüchteter. Es sei notwendig, einen „Schutzkorridor der Menschlichkeit“ zu schaffen, über den Geflüchtete fairer innerhalb der EU verteilt würden. „Berlin soll seine Aufnahmekapazität bei gleichbleibender Qualität erweitern“, forderte Bauschke. Zugleich müsse die Stadt realisieren, „dass wir einen großen Teil der in Zukunft zu uns Kommenden weiter in die schützenden Hände unserer europäischen Partner geben müssen.“

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