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Ein Bild aus dem vergangenen Jahr.

© AFP/Stefani Reynolds

Update

China und USA nach der Ballon-Affäre: Scharfe Worte, diskrete Annäherung

Lange blieb es ein Rätsel. Am Ende holen die Außenminister Blinken und Wang in München ihr abgesagtes Treffen nach. Hinter den Kulissen. Gemeinsam vor die Kameras treten sie nicht.

| Update:

Treffen sie sich oder nicht – diese Frage bewegte die Sicherheitskonferenz am Sonnabend. Konkret: Holen US-Außenminister Tony Blinken und sein chinesischer Kollege Wang Yi in München das Treffen nach, das die USA wegen der Affäre um einen chinesischen Spionageballon im US-Luftraum kürzlich abgesagt hatten?

Erst am späten Sonnabend kam die Eilmeldung: Ja, sie haben es nachgeholt. Das Treffen soll an einem geheimgehaltenen Ort stattgefunden haben. Blinken habe Wang auf die Verletzung der US-Souveränität durch den chinesischen Überwachungsballon angesprochen und betont, „dass diese unverantwortliche Tat nie wieder geschehen dürfe“, teilte Ned Price, Sprecher des US-Außenministeriums, mit.

Wang wiederum habe „Chinas harte Haltung in dem sogenannten Luftschiff-Vorfall klargemacht“, berichtete die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Abend. Zudem habe er die USA aufgefordert, „den Kurs zu ändern, den Schaden anzuerkennen und zu reparieren, den ihre exzessive Gewaltanwendung den US-chinesischen Beziehungen zugefügt hat“.

Absurd und hysterisch

Wang Yi, Chinas Außenpolitikchef, über den Abschuss eines chinesischen Spionageballons durch die USA.

Zum Charme und Nutzen der Münchner Konferenz gehört, dass sie auf mehreren Bühnen operiert: öffentlich im Konferenzraum vor den Kameras und hinter den Kulissen. Das schließt die Gelegenheit ein, dass Diplomaten von Staaten, die offiziell nicht miteinander reden, es doch tun, nur eben unbeobachtet.

Die Dramaturgie der Konferenz sah zunächst getrennte Auftritte der beiden Supermächte vor: vormittags der oberste Außenpolitiker Chinas, der vom Außenminister zum Staatsrat aufgestiegene Wang Yi. Mittags US-Vizepräsidentin Kamala Harris, am späten Nachmittag Tony Blinken.

Die Frage, ob er mit Blinken oder Harris über eine Rückkehr zu normalen Beziehungen sprechen werde, lässt Wang Yi unbeantwortet. Er nutzt das Stichwort Ballon-Affäre zum verbalen Frontalangriff. „Absurd und hysterisch“ hätten die USA reagiert. China habe ihnen mitgeteilt, dass ein ziviler Forschungsballon unbeabsichtigt in den US-Luftraum geflogen sei, und gebeten, den Vorfall zivilisiert zu regeln.

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„Sie haben Kampfjets aufsteigen lassen, um ihn abzuschießen.“ Das sei „ein Missbrauch militärischer Gewalt.“ Und zeige: „Amerika ist nicht stark, im Gegenteil.“ Die USA hätten es getan, um „von innenpolitischen Konflikten abzulenken“. Wang Yi warnt vor einem neuen Kalten Krieg. Es klingt nicht wie eine Einladung zum Gespräch.

Ausstellung russischer Kriegsverbrechen

Auch bei der anderen zentralen Frage, die Wolfgang Ischinger, der langjährige Chef der Konferenz, stellt, hört es sich lange so an, als wolle Wang Yi nicht eindeutig antworten. Steht er zu der Aussage, die er hier in München vier Tage vor dem russischen Angriff auf die Ukraine gemacht hat: China verlange, dass die territoriale Integrität der Ukraine geachtet wird? Und was tut Peking dafür?

Zuvor hat Ischinger die chinesische Delegation gebeten, sich die Ausstellung über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine anzuschauen. Es sei ein kurzer Fußweg. Wang Yi verzieht dazu keine Miene.

„Wir sind nicht Kriegspartei, wir sind nicht direkt betroffen. Aber wir schauen auch nicht passiv zu“, leitet Wang Yi seine Antwort ein. China habe seit Kriegsbeginn zu Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine aufgerufen.

Er wirft „politischen Kräften“, die er nicht benennt, vor, sie hätten diesen „Prozess gestoppt, ich weiß nicht warum.“ Diese Kräfte „haben andere Interessen. Ihnen sind die vielen ukrainischen Opfer egal.“

China kündigt Positionspapier für ein Kriegsende an

Wang Yi kündigt ein Positionspapier zum Jahrestag des Kriegsbeginns. Seine Vorschau darauf: Die Kämpfe müssten sofort enden. China lehnt Angriffe auf zivile Infrastruktur ab, ebenso den Einsatz von Bio- oder Chemiewaffen. „Ein Atomkrieg darf nicht geführt und kann nicht gewonnen werden.“

Und dann beantwortet er doch noch Ischingers Frage. „Die territoriale Integrität muss respektiert werden.“

Für die dritte große Sorge bleibt nach den länglichen Ausführungen kaum noch Zeit. Plant Peking eine militärische Klärung des Streits um Taiwan? Wang Yi bekräftigt schnörkellos Chinas Sicht: „Taiwan ist kein eigenständiger Staat und wird es auch nie sein.“

Kamala Harris verliert kein Wort über China

Kamala Harris hat wenig Interesse, über China zu sprechen. Sie konzentriert sich auf die russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine, das Massaker in Butscha, den Angriff auf die Geburtsklinik in Mariupol und viele mehr. Sie habe viele Jahre als Strafverfolgerin gearbeitet. „Die Täter werden vor Gericht kommen.“

„Wir müssen weiter stark sein“, ruft sie den Verbündeten in Europa zu. „Kiew steht noch. Russland ist geschwächt.“ Die Welt sehe, dass Amerika und Europa die Ukraine unterstützen. Harris hebt die Hilfe der östlichen Nato-Staaten hervor. „Wir werden die Ukraine weiter unterstützen.“

Und wenn Putin hoffe, dass er den längeren Atem habe und warten könne, dann irre er sich. „Wir werden weiter Führung übernehmen. Die USA sind euer Partner.“

Auf diese Bereitschaft sei Verlass – unabhängig davon, wie die US-Wahl 2024 ausgehe, versichert Harris auf die Frage des neuen Konferenzchefs Christoph Heusgen. „Viele Amerikaner tragen aus Solidarität die ukrainische Flagge.“

Für die Staaten im so genannten „Global South“ ist der Ukrainekrieg nicht ihr Konflikt. Sie wollen nicht Partei ergreife, leiden aber unter den Folgen wie ausbleibenden Getreidelieferungen und steigenden Energiepreisen.  Was tun? „Wir müssen sie als Partner behandeln“, sagt Harris.

Als Harris die Bühne verlässt, ist noch immer nicht klar, ob Amerikaner und Chinesen hinter den Kulissen miteinander sprechen. Alle warten gespannt auf Tony Blinken. Doch auch der bleibt vor den Kameras die Antwort schuldig.

Erst spät am Samstagabend wird per Eilmeldung über die Nachrichtenagenturen das Geheimnis gelüftet, was hinter den Kulissen geschah. Wang Yi und Blinken haben sich zusammengesetzt.

Die scharfen Worte werden nicht zurückgenommen. Wang Yi fordert die USA zur „Reparatur der Beziehungen“ auf. Doch die USA und China können sich nun wieder der Herausforderung zuwenden, die für beide höhere Priorität hat: dem Krieg in der Ukraine und der Suche nach Lösungen am Jahrestag des russischen Angriffs.

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