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Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (links) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan – in die Beziehung kommt Bewegung.

© dpa/Turkish Presidency

Gibt die Türkei im Nato-Streit nach?: Der Westen setzt nach dem Erdbeben auf bedachte Diplomatie mit Erdogan

Wegen ihrer Blockade eines Beitritts von Finnland und Schweden wächst in der Nato der Unmut über die Türkei. Nun hoffen die Verbündeten nach der raschen Erdbeben-Hilfe auf ein Einlenken.

Als Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei seinem Besuch Ende vergangener Woche in der Türkei die Hilfsmaßnahmen der Allianz für das Erdbebengebiet in Südostanatolien aufzählte, erwähnte er ausdrücklich zwei Länder, die gar nicht zum Bündnis gehören – jedenfalls noch nicht: Finnland und Schweden. Beide Länder hätten aktive Solidarität demonstriert, sagte Stoltenberg.

Mit dem Hinweis auf die Hilfe der Nordländer, deren Nato-Aufnahme bisher am türkischen Veto scheiterte, erhöhte Stoltenberg den Druck auf die türkische Regierung, der Erweiterung des Bündnisses zuzustimmen. Dasselbe Ziel verfolgt US-Außenminister Antony Blinken, der am Sonntag im türkischen Unglücksgebiet eintraf.

Stoltenberg und andere westliche Politiker bemühen sich, in der Öffentlichkeit keine direkten Forderungen an die Türkei zu stellen, denn das könnte angesichts der Katastrophe mit mehr als 40.000 Toten leicht als pietätlose Ausnutzung einer Notlage ausgelegt werden. Doch die Hinweise auf das Missverhältnis zwischen der starren türkischen Haltung im Nato-Streit und der spontanen Hilfsbereitschaft des Westens sind deutlich genug, um von Ankara verstanden zu werden.

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Der Unmut über die Türkei wird größer

Seit Monaten wird in der Nato der Unmut über die Türkei größer, die vor allem Schweden vorwirft, Aktivisten von der kurdischen Terrororganisation PKK zu schützen und nicht an Ankara auszuliefern. Dass ein Rechtsextremist in Stockholm einen Koran verbrannte, verärgerte die Türkei zusätzlich. Kurz vor dem Erdbeben sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan deshalb, er könne einer Nato-Aufnahme von Finnland zustimmen, doch der Antrag von Schweden habe bei ihm keine Chance.

US-Außenminister Blinken dürfte bei seinem Treffen mit Erdogan an diesem Montag einen weiteren Aspekt des Nato-Streits ansprechen: Wegen des türkischen Vetos gegen die Nato-Norderweiterung wächst im amerikanischen Kongress der Widerstand gegen die von der Türkei gewünschte Lieferung von Kampfflugzeugen des Typs F-16. Eine türkische Zustimmung zum Nato-Beitritt der zwei Nordländer könnte dieses Problem lösen.

Die Beziehungen zwischen der Türkei und den USA sind angespannt

Blinken überflog am Sonntag vom Luftwaffenstützpunkt Incirlik aus mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu per Hubschrauber das Erdbebengebiet.

Für den US-Minister war es der erste Besuch in der Türkei seit seinem Amtsantritt vor mehr als zwei Jahren – die Verzögerung zeigt, wie gespannt die Beziehungen zwischen den Verbündeten sind.

Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu (rechts) und US-Außenminister Antony Blinken nach einem gemeinsamen Hubschrauberflug über das Erdbebengebiet.

© AFP/Pool/Clodagh Kilcoyne

Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hatte den USA vor dem Beben vorgeworfen, sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einzumischen. Nach dem Beben halfen die Amerikaner, indem sie von Incirlik aus Rettungstrupps und Hilfsgüter ins Katastrophengebiet flogen.

Erdogans bisheriger Widerstand gegen die Nato-Erweiterung hängt eng mit Wahlen in der Türkei zusammen, die spätestens im Juni stattfinden müssen: Der türkische Präsident wollte nationalistischen Wählern zeigen, dass er Streit mit dem Westen in Kauf nimmt, wenn es um türkische Interessen geht.

Das Erdbeben hat aber auch Erdogans Wahltaktik über den Haufen geworfen. Außenminister Cavusoglu sagte bei seinem Treffen mit Nato-Chef Stoltenberg vergangene Woche, Finnland und Schweden hätten sich im Nato-Streit auf die türkischen Forderungen zubewegt. Bei Schweden reiche das Entgegenkommen aber noch nicht aus – kein knallhartes Nein, aber auch keine Zustimmung.

Der Westen hofft, dass die Türkei nachgibt. Wie einflussreich die Erdbeben-Diplomatie sein kann, zeigte sich in den ersten Tagen nach dem Beben bei einem Besuch des griechischen Außenministers Nikos Dendias bei Cavusoglu.

Die Türkei hatte Griechenland wegen eines Gebietsstreits in der Ägäis in den vergangenen Monat mehrmals mit Krieg gedroht – doch nach dem Beben schickten die Griechen sofort Rettungsteams in die Türkei. Nun ist von Krieg keine Rede mehr. Cavusoglu sagte Dendias, die Türkei und Griechenland müssten ihre Beziehungen verbessern.

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