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Ein Retter sucht nach Überlebenden auf den Trümmern eines Gebäudes im türkischen Kahramanmaras.

© dpa/XinHua/Li Zhenbei

Update

„Das reicht leider nicht aus“: Türkischer Botschafter bittet Deutschland um weitere Hilfe – 11.700 Tote im Erdbebengebiet

Zwei Tage nach dem heftigen Erdbeben in der Türkei und Syrien steigt die Opferzahl schnell und stetig. Deutsche Retter helfen bei der Suche nach Verschütteten.

| Update:

Nach der Erdbeben-Katastrophe hat der türkische Botschafter Ahmet Basar Sen um weitere Hilfe aus Deutschland gebeten. „Das reicht leider noch nicht aus“, sagte er am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Um Menschen aus den Trümmern zu befreien, seien mehr Rettungskräfte nötig. Er bat darum, weitere Teams aus Deutschland in die Türkei zu schicken.

Zerstörte Straßen und niedrige Temperaturen erschwerten die Rettungsarbeiten im Krisengebiet. „Das ist eine Jahrhundertkatastrophe, vielleicht eine Jahrtausendkatastrophe“, betonte der Botschafter. Das Ausmaß der Zerstörung sei so groß, dass in zehn Provinzen annähernd 15 Millionen Menschen betroffen seien. „Wir brauchen Geldspenden und wir brauchen Sachspenden.“

Während in der Türkei die Hilfe großflächig angelaufen ist, warten viele Betroffene in Syrien auf Rettungsteams. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) forderte am Dienstag die Öffnung aller Grenzübergänge, um auch in Syrien schnellere Hilfe zu ermöglichen. „Die Türkei hilft den Syrern sowohl auf der türkischen Seite als auch auf der syrischen Seite“, sagte Ahmet Basar Sen. Eine Öffnung der Grenze werde in dieser schwierigen Lage bestimmt geprüft, fügte er hinzu.

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Für viele Menschen kam indes jede Hilfe zu spät. Am Mittwochnachmittag stieg die Zahl der Todesopfer Behördenangaben zufolge auf mehr als 11.700. Knapp 53.000 Menschen wurden demnach verletzt. Die jeweiligen Behörden zählten 9057 Tote in der Türkei und 2662 in Syrien.

Rettungskräfte bergen verschüttete Frau nach 52 Stunden lebend

Im Südosten der Türkei haben Rettungskräfte eine Frau 52 Stunden nach dem schweren Erdbeben lebend unter den Trümmern geborgen. Bilder des Senders NTV zeigten am Mittwoch, wie die Einsatzkräfte in der Provinz Kahramanmaras die Frau auf einer Trage zum Krankenwagen trugen.

Sie ist demnach 58 Jahre alt und aus einem eingestürzten Hotel geborgen worden. Die Provinz Kahramanmaras wurde schwer vom Beben getroffen, dort lag das Epizentrum.

Verletzte werden teilweise zur Behandlung in die Millionenmetropole Istanbul gebracht, wie der Sender weiter berichtete. Dazu werde der für den zivilen Luftverkehr stillgelegte Atatürk-Flughafen genutzt. Zwei Tage nach der Naturkatastrophe mit Tausenden Toten schwindet die Hoffnung, bei teils winterlichen Temperaturen noch Überlebende unter den Trümmern eingestürzter Gebäude zu finden.

„Wir haben einen schwierigen Faktor, und zwar ist das die Kälte. Aktuell sind es da minus vier bis minus fünf Grad“, sagt Henri Paletta, Vizepräsident des Bundesverbands Rettungshunde der Deutschen Presse-Agentur dpa.

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Zu den Überlebenschancen generell erklärt Paletta: „Man sagt, dass nur wenige Tage eigentlich bleiben.“ So lange könne man die Hoffnung haben, Menschen lebend zu finden. Allerdings seien in der Vergangenheit auch Menschen nach vier oder fünf Tagen gerettet worden. „Wir hoffen natürlich immer auf Wunder.“

Zehntausende Helfer im Einsatz

Auch in der Nacht zum Mittwoch waren Rettungskräfte mit schwerem Gerät im Einsatz. Aus dem Ausland rückt immer mehr Unterstützung an – auch aus Deutschland.

Die Bergungsaktivitäten in den Erdbebengebieten liefen immer noch auf Hochtouren, wie der türkische Vizepräsident Fuat Oktay am späten Dienstagabend mitteilte. „Diese Arbeiten werden fortgesetzt, bis wir den letzten Bürger unter den Trümmern erreicht haben.“

Nach Angaben Oktays sind rund 16.150 Rettungs- und Suchteams im Einsatz – sie seien in alle betroffenen Provinzen und Bezirke entsandt worden. Insgesamt seien rund 60.000 Helfer vor Ort. Der Regierungspolitiker sagte, dass in der Nacht zu Mittwoch internationale und lokale Teams vor allem in die Provinzen Adiyaman, Hatay und Kahramanmaras gebracht würden, teils auf dem Luftweg. Die Wetterbedingungen ließen solche Flüge zu, was die Arbeit erleichtere.

Der türkische Oppositionsführer warf Präsident Recep Tayyip Erdogan nach dem schweren Erdbeben Versagen vor. „Wenn jemand hauptverantwortlich für diesen Verlauf ist, dann ist es Erdogan“, sagte Kemal Kilicdaroglu, Chef der größten Oppositionspartei CHP, in einem Video, das er am frühen Mittwochmorgen auf Twitter teilte. Es sei versäumt worden, das Land auf Erdbeben vorzubereiten. Erdogan selbst reiste am Mittwoch in das Katastrophengebiet.

Nachbeben und Temperaturen um den Gefrierpunkt

Mit einer Stärke von 7,7 bis 7,8 hatte das Beben am frühen Montagmorgen das Gebiet an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien erschüttert. Am Montagmittag folgte dann ein weiteres Beben der Stärke 7,5 in derselben Region – immer wieder gibt es Nachbeben. Tausende Gebäude stürzten ein.

Temperaturen um den Gefrierpunkt machten den Überlebenden im Katastrophengebiet zusätzlich zu schaffen, viele haben kein Dach mehr über dem Kopf. Das ganze Ausmaß der Katastrophe wird erst langsam deutlich.

Auch deutsche Hilfsteams nahmen ihren Einsatz auf. Helfer der Organisation I.S.A.R. seien an der Rettung einer verschütteten Frau beteiligt gewesen, teilte die Organisation mit, die in der heftig getroffenen Stadt Kirikhan nahe der türkisch-syrischen Grenze hilft. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sicherte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan weitere Unterstützung zu.

THW rechnet mit langwierigem Einsatz

Ein 50-köpfiges Team des Technischen Hilfswerks (THW ist am Mittwochmittag in Gaziantep im Südosten der Türkei eingetroffen. Ihre Aufgabe sei es, verschüttete Menschen zu orten, zu retten und erstzuversorgen, sagte der Sprecher des THW-Landesverbandes Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Michael Walsdorf, am Mittwoch in Mainz. Nach der Landung am Morgen würden sie zunächst Fahrzeuge beladen und dann in ihr Einsatzgebiet fahren.

Das Team habe vier Rettungshunde und rund 16 Tonnen Ausstattung dabei. Dazu gehöre auch schweres Gerät wie Betonkettensägen. Die Kräfte des THW stammten vor allem aus Hessen, Rheinland und dem Saarland. Einige wenige seien auch aus Nordrhein-Westfalen und aus Bayern dabei, sagte der Sprecher.

Rettungskräfte des Technischen Hilfswerks (THW) vor ihrem Abflug am Flughafen Köln/Bonn.
Rettungskräfte des Technischen Hilfswerks (THW) vor ihrem Abflug am Flughafen Köln/Bonn.

© dpa/Federico Gambarini

Die Helfer seien vor Ort in Kontakt mit den Koordinierungsteams der Vereinten Nationen und des Katastrophenschutzes der Türkei. Nach Ankunft in ihrem zugewiesenen Gebiet würde das Team sich teilen: Ein Teil lege direkt mit der Suche nach Verschütteten los, der andere werde das Camp für die Helfer aufbauen, sagte Walsdorf. Der Flug vom Flughafen Köln/Bonn hatte sich verzögert. Ursprünglich hatten die Kräfte bereits am Dienstag abfliegen wollen.

Das THW rechnet angesichts des Ausmaßes der Zerstörungen und der Nachbebengefahr mit einem schwierigen und möglicherweise auch längeren Einsatz im Erdbebengebiet der Türkei, wie THW-Präsident Gerd Friedsam vor dem Abflug des Teams deutlich machte.

Retter in Syrien vermuten, dass noch immer Hunderte Familien unter den Trümmern begraben sind. Aus den Trümmern eines Hauses im Ort Dschandairis in der Region Afrin befreiten Retter ein Baby. Das Neugeborene sei durch die Nabelschnur noch mit seiner durch die Katastrophe umgekommenen Mutter verbunden gewesen, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Das kleine Mädchen sei die einzige Überlebene in ihrer Familie.

Eines der am schwersten betroffenen Gebiete ist die von Rebellen kontrollierte Region Idlib, in der sich staatliche Nothilfe wegen der verfeindeten Kräfte im Bürgerkrieg schwierig gestaltet. Nach mehr als elf Kriegsjahren kontrollieren die Regierungstruppen des Machthabers Baschar al-Assad wieder rund zwei Drittel Syriens. (dpa/AFP)

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