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Wladimir Putin und Xi Jinping im Jahr 2014.

© AFP/ALEXEY DRUZHININ

Selenskyj warnt vor Weltkrieg: China will im Konzert der Mächte weit mehr als ein Triangel spielen

Alle Augen richten sich an diesem Dienstag auf die Reden von Joe Biden und Wladimir Putin. Doch im Hintergrund zieht Chinas Präsident Xi Jinping die Strippen.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Es sind starke Bilder, die beim Besuch von US-Präsident Joe Biden in Kiew entstanden. Sie senden Signale der Einheit des Westens und des ungebrochenen Verteidigungswillens. Ein Jahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine soll sich der Aggressor keine Illusionen machen über weitere militärische Unterstützung.

Das wird Biden an diesem Dienstag in einer Grundsatzrede in Polen bekräftigen. Am selben Tag wird Russlands Präsident Wladimir Putin seine Sicht der Kriegsursachen darlegen und vermutlich USA und Nato für alles verantwortlich machen. Eine Entschärfung des Konflikts ist vorerst nicht zu erwarten.

Womöglich verschärft sich der Konflikt sogar. Dessen Dynamik könnte sich in dieser Woche jedenfalls gravierend verändern. Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, bringt die Gefahr auf den Punkt. „Falls sich China mit Russland verbünden sollte, gibt es einen Weltkrieg“, sagte er in einem Interview mit der „Welt“. Dritter Weltkrieg – da ertönen viele Alarmsignale.

Der Westen darf die Volksrepublik nicht brüskieren

Am Freitag, dem Jahrestag der russischen Invasion, wird erwartet, dass Chinas Präsident Xi Jinping einen eigenen Friedensvorschlag unterbreitet. Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi hatte bei der Münchner Sicherheitskonferenz ein „Positionspapier zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise“ angekündigt. „Die Welt zu einem sicheren Ort zu machen – dem hat sich China verschrieben“, sagte Wang. Es wäre grob fahrlässig, die Wirkung von Chinas diplomatischer Offensive zu unterschätzen.

Auf wessen Seite steht China? Soll der Westen riskieren, die Volksrepublik durch brüske Zurückweisung ihrer diplomatischen Initiative zu verprellen? Oder würde sie das noch enger an Russland binden? Russland, das dürfte gesichert sein, spielt gerne die chinesische Karte.

Kurz vor Beginn des Krieges hatten Russland und China einen sehr weitreichenden, grenzenlosen („no limits“) Partnerschaftsvertrag geschlossen. Die Führung in Peking hat Russlands Krieg bislang nicht verurteilt. Wiederholt hat sie behauptet, USA und Nato seien durch ihre Waffenlieferungen schuld an einer Eskalation. Rhetorisch klang das ähnlich wie die Kreml-Propaganda. Zum Verwechseln ähnlich.

Andererseits hat China bislang keine schweren Waffen an Russland geliefert, in der UN hat es sich bei antirussischen Resolutionen enthalten, statt sich explizit aufseiten Russlands zu stellen, Xi Jinping warnt Wladimir Putin vor dem Einsatz von Atomwaffen.

Doch diese Balance ist fragil. Das amerikanisch-chinesische Verhältnis gilt ohnehin als ramponiert: wegen des Konflikts um Taiwan, der Situation in Hongkong, Menschenrechts- und Handelsfragen sowie eines mutmaßlich chinesischen Spionageballons.

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Sollte China vollends ins russische Lager wechseln, stünden sich plötzlich drei atomar hochgerüstete Supermächte mitsamt ihren jeweiligen Partnern gegenüber: Russland, China, Iran und Nordkorea gegen die USA, Europa, Japan und Südkorea.

Peking agiert zunehmend selbstbewusst

Dass US-Außenminister Antony Blinken in München eindringlich China vor Waffenlieferungen an Russland warnte, zeigt, wie nervös die Biden-Regierung inzwischen ist. Das chinesische Außenministerium wies die Vorwürfe entsprechend scharf zurück. Washington verbreite „Falschinformationen“, hieß es, man akzeptiere keine Fingerzeige der USA, China bemühe sich in dem Konflikt darum, „den Frieden zu fördern und den Dialog zu unterstützen“.

Solche Botschaften stoßen in weiten Teilen der Welt auf Resonanz. Westliche Sicherheitsexperten wittern deshalb hinter der chinesischen Diplomatie-Offensive den Versuch, die eigene Position in Ländern des globalen Südens zu festigen. Außerdem soll ein Keil getrieben werden zwischen die Fraktion der westlichen Waffenlieferer und die der Verhandlungsbereiten.

Xis zu erwartende Friedensrede stellt den Westen vor ein Dilemma: Weist er die Initiative schroff als nicht hilfreich zurück, verschärft er die Spannungen und treibt Peking noch weiter in die Arme Moskaus. Geht er dagegen auf die Initiative ein, könnte die territoriale Integrität der Ukraine durch Verhandlungen gefährdet sein.

Der Kampf um die Souveränität der Ukraine wird nicht allein auf dem Schlachtfeld entschieden. Der Westen muss auch die Köpfe und Herzen möglichst vieler Menschen auf der ganzen Welt gewinnen. China will ihm das streitig machen. Dabei tritt das Land zunehmend selbstbewusst auf.

Alle Augen richten sich heute auf Biden und Putin. Deren Reden werde genau analysiert. Doch China will im Konzert der Mächte weit mehr als ein Triangel spielen. Die Gefahr, vor der Selenskyj warnt, muss abgewendet werden. Nichts ist derzeit dringlicher.

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