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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.

© dpa/Efrem Lukatsky

„Skandale schaden geopolitischen Interessen“: Wie kann die Korruption in der Ukraine effektiv bekämpft werden?

Die Ukraine bekommt die Korruption nicht in den Griff. Was nötig wäre und wieso die Maßnahmen von Präsident Selenskyj nicht ausreichen, erklären ukrainische Experten.

Erst kürzlich haben die G7-Botschafter die Ukraine daran erinnert, wie wichtig es ist, die Korruption im Land in den Griff zu bekommen. Sowohl für den Wiederaufbau nach dem Krieg, aber auch für weitere Hilfen aus dem Ausland sei das eine wichtige Voraussetzung.

Diese Aufforderung nahm das Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zum Anlass, weitere Anti-Korruptionsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Im Februar kam es dann bereits zu Entlassungen und Verhaftungen.

So durchsuchten die Strafverfolgungsbehörden die Wohnungen und Büros des Oligarchen Igor Kolomoysky. Auch ehemalige Beamte des Verteidigungsministeriums, das Finanzamt der Stadt Kiew und das Unternehmen eines Abgeordneten der Oppositionspartei gerieten ins Visier der Ermittler.  

Selenskyj hatte zuletzt eine Reihe hochrangiger Staatsbediensteter ausgewechselt und dies mit Korruptionsvorwürfen begründet. Zu den Aufsehen erregenden Fällen gehörte der eines stellvertretenden Verteidigungsministers, der nach einem von ihm bestrittenen Bericht zurücktrat, wonach sein Ministerium überhöhte Preise für die Truppenverpflegung gezahlt habe.

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow.
Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow.

© dpa/Boris Roessler

Ressortchef Resnikow hatte Korruption entschieden verurteilt und einen Umbau der Antikorruptionsabteilung seines Ministeriums angekündigt.

Internationale Experten bewerten das Vorgehen der ukrainischen Regierung im Gespräch mit dem Tagesspiegel grundsätzlich positiv. Vytis Yurkonis, Professor für internationale Beziehungen an der Universität Vilnius, sieht darin vor allem ein positives Signal an den Westen und an dessen Bereitschaft, die Ukraine zu unterstützen. 

Jüngste Skandale bedrohen Fortschritt

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lobte die Anti-Korruptionsmaßnamen. „Während eines schrecklichen Krieges macht die Ukraine weiterhin bemerkenswerte Fortschritte, indem sie bereits sieben Bedingungen der Europäischen Kommission erfüllt“, sagte von der Leyen bei ihrem Besuch in Kiew.  

Transparency International hat die Wirksamkeit der Korruptionsbekämpfung bewertet. Im Jahr 2022 verbesserte sich die Ukraine im weltweiten Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) um eine Stufe und liegt nun mit 33 Punkten auf dem 116. Platz – auf einer Liste mit 180 Ländern. In den letzten zehn Jahren habe sich die Ukraine um acht Punkte verbessert.

Der Erfolg der Reformen könnte jedoch angesichts der jüngsten Korruptionsfälle zunichte gemacht werden, warnt der Geschäftsführer von Transparency International in der Ukraine, Andriy Borovyk.

Die Strafen müssen hart ausfallen.

Der ukrainischer Analyst Nazar Prikhodko

Um weiterhin Fortschritte zu machen, müsse das Land wieder zur elektronischen Anmeldung von Staatsbediensteten zurückkehren. Dieses transparente Verfahren war mit Beginn des Krieges eingestellt worden.

Auch der unabhängige, ukrainische Politologe Wladimir Fisenko mahnt konkrete Maßnahmen an. Die jüngsten Ermittlungen, insbesondere die Durchsuchung des Privathauses des Oligarchen Ihor Kolomoyskyy, bezeichnete er als „Show“. Die sei zwar wichtig, um den westlichen Partnern Erfolge zu signalisieren, reiche allein aber nicht aus.

Die Ukraine brauche echte Ergebnisse im Kampf gegen die Korruption, die nur durch systematische und konsequente Arbeit erzielt werden könnten, so Fisenko.

Der Medienanalyst Nazar Prikhodko teilt diese Ansicht und spricht sich für eine konsequente Bestrafung von Korruption aus. Vor allem, weil die Ukraine den Beitritt zur Europäischen Union und zum Nato-Bündnis anstrebe.

„Während eines groß angelegten Krieges schaden Korruptionskandale, insbesondere im Verteidigungsministerium auf verschiedenen Ebenen, unseren geopolitischen Interessen“, sagte Prikhodko dem Tagesspiegel. „Daher müssen die Strafen hart ausfallen.“ (mit Reuters)

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