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Richter Juan Merchan, porträtiert von einem Gerichtszeichner.

© Reuters/Jane Rosenberg

Streng, aber fair: Juan Merchan – der Mann, der über Donald Trump richtet

An diesem Dienstag wird in Manhattan Geschichte geschrieben: Erstmals wird ein Strafverfahren gegen einen ehemaligen US-Präsidenten eröffnet. Wer ist der Richter, der darüber wachen soll?

Wenn Richter Juan Merchan an diesem Dienstag die Anklageschrift in die Hand nimmt, wird ihm ein Mann gegenüberstehen, der sich selbst für unbesiegbar hält. Um 14.15 Uhr Ortszeit (20.15 MESZ) in New York soll sich Donald Trump im Criminal Court von Manhattan einfinden, um sich anzuhören, was die Staatsanwaltschaft gegen ihn vorzubringen hat.

Er werde freiwillig erscheinen, hat der frühere US-Präsident mitgeteilt. Schuldig fühlt er sich aber nicht. Und nach allem, was man von dem ehemaligen Reality-Star erwarten kann, wird er auch diesen Auftritt zu einem Spektakel machen.

Gut möglich, dass Anhänger des Republikaners so viel Lärm veranstalten, dass Protestrufe auch in das Gebäude dringen. Aufgerufen hat er sie dazu bereits vor zwei Wochen. Und seitdem tönt er immer wieder, dies sei eine „Hexenjagd“, ein politisch motivierter Prozess.

130.000
Dollar Schweigegeld hat Trumps Anwalt an die ehemalige Pornodarstellerin Stormy Daniels gezahlt.

Aber Richter Merchan wird alles dafür tun, dass es an diesem historischen Tag – noch nie wurde ein Strafrechtsverfahren gegen einen ehemaligen oder amtierenden US-Präsidenten eröffnet – mit rechten Dingen zugeht.

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Das wichtigste Ereignis des Tages: Er wird Trump und dem 23-köpfigen Geschworenengericht mitteilen, wie genau die Anklage gegen den Ex-Präsidenten lautet. Bisher befindet sich das Schriftstück in einem versiegelten Briefumschlag.

US-Medienberichten zufolge soll es um mehr als 30 Anklagepunkte rund um den Fall der Schweigegeldzahlungen an die ehemalige Pornodarstellerin Stormy Daniels gehen. Daniels behauptet, mit Trump im Sommer 2006 eine Affäre gehabt zu haben. Er bestreitet das.

Juristisch relevant ist der Fall, weil die 130.000 Dollar, die Trumps damaliger Anwalt Michael Cohen vor der Präsidentschaftswahl 2016 an Daniels zahlte, als Anwaltsausgaben verbucht worden sein sollen. Das wäre ein Verstoß gegen das Gesetz zur Wahlkampffinanzierung und damit eine Straftat.

Juan Merchan beschäftigt sich nicht das erste Mal mit Trump: Er verurteilte den einstigen Finanzchef der Trump Organization, Allen Weisselberg, wegen Steuerbetrugs zu einer Haftstrafe. Er saß dem Betrugsprozess gegen die Familien-Holding vor. Und er eröffnete das Verfahren gegen Trumps ehemaligen Chefstrategen Steve Bannon, weil der für den Bau der Grenzmauer eingesammelte Spenden in Millionenhöhe veruntreut hatte.

Selbst Trump-Anwalt Parlatore nennt ihn fair

Merchan gilt als strenger, aber fairer Richter – egal, wen er vor sich hat. Trump versuchte zwar, diesen Ruf bereits vor dem Prozess anzukratzen und behauptete, Merchan hasse ihn und sei befangen. Erwartet wird aber, dass der Richter mit der markanten grauen Haartolle sich nicht aus dem Konzept bringen lässt und sicherstellt, dass die Lage im Gerichtssaal geordnet bleibt.

Richter Merchan war effizient, pragmatisch, und er hörte aufmerksam zu, was ich zu sagen hatte.

Nicholas Gravante, Anwalt von Allen Weisselberg, dem Finanzchef der Trump Organization

Lob für Merchan kommt von den unterschiedlichsten Seiten. So zitierte der US-Sender CNN den Anwalt Nicholas Gravante, der Weisselberg vertreten hatte, mit den Worten: „Richter Merchan war effizient, pragmatisch, und er hörte aufmerksam zu, was ich zu sagen hatte.“ Der Richter sei immer gut vorbereitet gewesen, zugänglich und ein „Mann des Wortes“. Gravante ergänzte: „Er behandelte mich und meine Kollegen mit dem größten Respekt, sowohl im Gericht als auch hinter verschlossenen Türen.“

Sogar Trump-Anwalt Timothy Parlatore sagte CNN, dass Merchan in einem früheren Fall zwar nicht einfach gewesen sei. Aber er gehe davon aus, dass er fair sein werde.

Jose Fanjul, ein ehemaliger Mitarbeiter des 60-Jährigen, sagte der „New York Times“, Merchan lese stets „jedes Wort und jede Fußnote auf jeder Eingabe“. Auch empfinde er es als „moralische Verpflichtung“, das Gesetz treu umzusetzen.

Die ehemalige Staatsanwältin Karen Friedman Agnifilo, die auch mit ihm zusammengearbeit hatte, äußerte sich ähnlich: Merchan lasse es nicht zu, dass Ankläger oder Verteidiger in seinem Gerichtssaal eine Show veranstalteten. Auch verhindere er jede Art von „Medienzirkus“. Sie bezweifele, so Agnifio, dass es Trump vor Gericht nutze, wenn er Merchan attackiere und ihm drohe. Der Richter sei in der Lage, das zu ignorieren. Er sei nicht nachtragend.

Trump und seine Anwälte haben immer wieder versucht, Verfahren hinauszuzögern. Merchan zeigte im Umgang mit Steve Bannon, dass er solche Taktiken durchschaut und zu verhindern weiß. Angesichts des anlaufenden Präsidentschaftswahlkampfs, an dem der Ex-Präsident teilnimmt, ist der zeitliche Ablauf von hoher Bedeutung.

Das gigantische öffentliche Interesse ist eine Herausforderung für sich. Auf der Richterbank wird daher Nervenstärke gefragt sein, aber auch Glaubwürdigkeit und Expertise. Merchan gilt fachlich als geeignet, den aufsehenerregenden Prozess zu leiten.

Er studierte Wirtschaft und Jura, sein Examen machte er an der privaten Hofstra University auf Long Island. Mit Zahlen kennt Merchan sich aus: Als junger Mann arbeitete er mehrere Jahre lang als Wirtschaftsprüfer bei einem kleinen Immobilienunternehmen. Später wechselte er in die Staatsanwaltschaft von Manhattan. Seit 16 Jahren trägt er die Richterrobe.

Geboren wurde Merchan in Bogotá, Kolumbien. Als Sechsjähriger zog er mit seinen Eltern in die USA. Er wuchs im New Yorker Stadtteil Queens auf und war der erste in seiner Familie, der ein College besuchte. Nun wird Merchan Geschichte schreiben. Egal, wie der Prozess ausgeht.

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