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Lucia Dlugozewski

© erick hawkins dance foundation

Folge 188 „Wochniks Wochenende“: Archäologie des Immateriellen

Zeitlebens stand sie im Schatten männlicher Kollegen, sodass ihr Werk kaum dokumentiert ist. Die polnisch-amerikanische Komponistin Lucia Dlugoszewski bei der Maerzmusik.

Eine Kolumne von Thomas Wochnik

Dass männliche Komponisten generell weit seltener nach ihren Lehrern gefragt werden als weibliche, verriet mir Unsuk Chin letztes Jahr. Wieso löst der Name Lucia Dlugoszewski nicht auch ohne die Nennung ihres Bildungsweges andächtige Resonanz – Oh! Ah! – aus?

Immerhin wird schon jetzt, nach den aktuellen Einspielungen des Klangforums Wien, sowie den letzt- und diesjährigen Aufführungen bei der Maerzmusik die Kontur eines beachtlichen Werkes für Orchester und Ensembles sichtbar – sowie für zahlreiche Instrumente, die in keinem traditionellen Musikinstrumentenverzeichnis zu finden sind. Über einhundert hat Dlugoszewski nämlich, nach eigener Schätzung, im Lauf ihres Lebens erfunden. Darüber hinaus hat sie Lyrik und philosophische Schriften verfasst, Choreografien gestaltet und sich nicht zuletzt als Lehrerin verdingt.

Fast ein Vierteljahrhundert nach ihrem Tod, so liest man in den Notizen zum Projekt „Contemplations into the Radical Others“, steht die ins zweite Jahr gegangene Aufarbeitung ihres umfassenden Schaffens an ihrem Anfang. Wer wissen will, was es hier mit der „Aufarbeitung“ ganz genau auf sich hat, worin etwa die Hindernisse bei der Rekonstruktion von Partituren bestehen, weshalb die Originale unzugänglich sind, weshalb überhaupt ein solches Forschungsprojekt bei einer New Yorker Komponistin des 20. Jahrhunderts nötig ist, geht Sonntagmittag ins Haus der Berliner Festspiele, wo die Dlugoszewski-erfahrene Hornistin Christine Chapman mit Trompeter Marco Blaauw, die Musikwissenschaftlerin Monika Żyła mit Maerzmusik-Chefin Kamila Metwaly aus dem Inneren des Projekts berichten werden.

Eine Performance unter anderem der Tänzerin Catherine Duke, die schon mit der Erick Hawkins Dance Company für Dlugoszewski tanzte, dürfte manches des zuvor gesagten versinnbildlichen und auf das nächste vorbereiten: Louis Kavouras spricht über das philosophische Werk Dlugoszewskis – und nimmt als professioneller Tänzer sicherlich den ein oder anderen Bezug zum Tanz.

Der steht im diesjährigen Dlugoszewski-Programm sowieso an prominenter Stelle, denn am Abend folgen zwei Konzerte mit Tanzperformance: Um 17 Uhr tanzt Catherine Duke Solo, dann vier Tänzerinnen der Erick Hawkins Dance Company zu Dlugoszewskis Komponitionen, gespielt von Agnese Toniutti am Klavier Solo, sowie teils auch nach Dlugoszewskis Choreografien. Nebst Werken von Hovhaness, Cowell und Hovda. Um 19 Uhr, zum Abschluss der Maerzmusik, spielt schließlich das Ensemble Musikfabrik vier Werke Dlugoszewskis nebst einer Uraufführung nach Partitur von Elena Rykova – wiederum mit Tanz der Erick Hawkins Dance Company und Choreografien von Catherine Duke und Edivaldo Ernesto.

Ach ja, studiert hat Lucia Dlugoszewski übrigens bei der Pianistin Grete Sultan, sowie Komposition bei John Cage und Edgar Varèse – Oh! Ah!

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