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Robert Habeck und Stephan Lamby auf dem Rückflug von Singapur.

© rbb/SWR/Kay Nietfeld/dpa/rbb/SWR/Kay Nietfeld/dp

Gerechtigkeit für die Ampel!: Was hätten sie denn anders machen sollen?

Am Montagabend war Stephan Lambys Langzeitreportage über die rot-grün-gelbe Koalition zu sehen. Viele Bilder wirken nach. Sie erzeugen kein Mitleid, aber Verständnis.

Eine Glosse von Malte Lehming

Es hätte ein ganz gewöhnlicher Montagabend vor dem Fernseher sein sollen. Erst die Tagesschau, dann eine Politdoku, am Ende die Anfänge einer Talkshow. Früh ins Bett, nach etwas Seichtseriösem zum Wochenbeginn. Doch daraus wurde nichts.

Wie gefesselt blieb ich sitzen, als ab 20 Uhr 15, 75 Minuten lang, im Ersten eine Art Halbzeitbilanz der Ampelkoalition gezeigt wurde. Knapp zwei Jahre lang hatte Stephan Lamby, Autor und preisgekrönter Filmemacher, die Protagonisten begleitet, war ihnen nahegekommen wie kein anderer zuvor. Das Ergebnis heißt „Ernstfall – Regieren am Limit“ und lässt sich jederzeit in der ARD Mediathek anschauen.

Im Zentrum der Reportagecollage steht die Zeitenwende, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Nur wenige Wochen nach ihrem Beginn, der ursprünglich als Aufbruch inszeniert worden war, zerschlägt eine brutale Realität alle Pläne der Regierenden. Oft tragen die Protagonisten Masken, was an Corona erinnert.

Wir sehen der Politik beim Denken zu, das oft ein Grübeln ist

Plötzlich geht es um Waffenlieferungen, Energiekrise, Angst vor Eskalation. Wladimir Putin droht mit Atomwaffen. Was wussten die amerikanischen, was die deutschen Geheimdienste? Wie abgrundtief banal, zum Schämen banal, wirkt da das wochen- und monatelange Gezerre um das Heizungsgesetz.

Wieviel Moral ist noch möglich? Olaf Scholz in China und beim saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Robert Habeck lässt Kohlekraftwerke rattern und stimmt der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken zu. Annalena Baerbock bereut, nicht früher nach Kiew gereist zu sein. Das wirkt weder gelernt noch gestelzt. Lamby ist ein Meister der ruhenden Sequenzen. Wir sehen der Politik beim Denken zu, das oft ein Grübeln ist.

Nicht Mitleid resultiert daraus, sondern Verständnis. Vielleicht auch das Gefühl, ein wenig gerechter urteilen zu sollen. Was hätten sie denn anders machen sollen? Ins kalte Wasser geschmissen werden – und dann erst schwimmen lernen müssen: Darauf war niemand vorbereitet, darauf konnte niemand vorbereitet gewesen sein.

Im Chaos sich überschlagender Ereignisse musste der Kompass des Handelns stets neu justiert werden. Politik als Reiz-Reaktions-System. Seien wir ehrlich: Ein Stück jener Hilflosigkeit, die sich in den Sorgesmienen der Ampelkoalitionäre zeigt, ist uns nicht fremd. Wen nie die Sehnsucht nach mehr Orientierung überkam, der werfe den ersten Stein.

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