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Der Osten driftet nach rechts: Die AfD-Politiker Roman Kuffert, Björn Höcke und der ehemalige AfD-Funktionär Andreas Kalbitz (v.l.) bei einer Kundgebung der AfD auf dem Schlossplatz in Oranienburg.

© IMAGO/mix1/IMAGO/Daniel Lakomski

32 Prozent für die AfD in Brandenburg: Der Höhenflug ist keine Überraschung

Bundesweit wird die AfD in den Umfragen seit Wochen besser, ein sich selbst verstärkender Effekt – und kein rein ostdeutscher. Was die demokratischen Parteien jetzt tun sollten.

Zwölf Monate noch bis zur Landtagswahl in Brandenburg. Zwölf Prozentpunkte liegt die radikal rechte AfD in der aktuellen Sonntagsfrage vorn. 32 Prozent der Märker würden sie wählen, das ist Umfragerekord – mit einem Zugewinn von neun Prozentpunkten. Die SPD mit Ministerpräsident Dietmar Woidke, der seit zehn Jahren amtiert, kommt auf 20 Prozent.

So groß das Entsetzen über den AfD-Höhenflug, so klein die Überraschung. Bundesweit wird die AfD in den Umfragen seit Wochen besser, ein sich selbst verstärkender Effekt - und kein rein ostdeutscher.

In Hessen, wo in knapp einem Monat gewählt wird, steht die Partei jetzt bei 17 Prozent. Sechs Prozentpunkte ging es nach oben, fünf verloren die Grünen, die gleichauf liegen. Was Ost und West eint: Strategien gegen das Erstarken der Rechten zeigen wenig Erfolg.

Der Zulauf zur AfD begründet sich, auch in Brandenburg, vor allem in Themen, zu denen wenig in Länderparlamenten entschieden wird: Heizungsgesetz und Energiepolitik, Ukraine-Krieg, Inflation, Klimawandel. Die Landespolitik spielt kaum eine Rolle.

Der AfD-Wähler als reiner Protestwähler ist Geschichte

Die Rechte stark reden will von CDU bis Linke niemand. Aber die demokratischen Parteien dürfen die AfD nicht unterschätzen. Was in Brandenburg vor der Landtagswahl 2019 noch funktionierte, wird heute nicht mehr aufgehen. Damals gab es auf den letzten Metern ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und AfD. Alles lief hinaus auf die Frage: Bleibt Brandenburg, das Umland der Bundeshauptstadt, demokratisch? Die Polarisierung nutzte der Woidke-SPD, sie gewann mit knapp drei Prozent Vorsprung. Darauf verweisen Sozialdemokraten in Potsdam heute wieder. Doch jetzt auf diesen Effekt zu setzen, ist gefährlich.

Denn die Normalisierung der AfD, selbst in unverhohlen rechtsextremistischen Landesverbänden wie in Brandenburg und Thüringen, geht rasant voran. Der Zuspruch verfestigt sich. Gemeinsame Beschlüsse von CDU und AfD, wie jetzt im Erfurter Landtag, werden das verstärken.

58
Prozent der Brandenburger finden nur noch, dass sich die AfD nicht genug von rechtsextremen Positionen distanziert.

Der AfD-Wähler als reiner Protestwähler ist Geschichte. Der Brandenburg-Trend untermauert das. Nur noch 58 Prozent der Brandenburger, eine knappe Mehrheit, finden, dass sich die AfD nicht genug von rechtsextremen Positionen distanziert. Vor vier Jahren waren es 77 Prozent. Knapp 20 Prozentpunkte mehr.

Vier von zehn wahlberechtigten Brandenburgern hätten kein Problem damit, wenn die AfD an der Regierung beteiligt würde. Jeder dritte Anhänger der Freien Wähler könnte sich das vorstellen, jeder vierte der CDU-Anhänger.

Die demokratischen Parteien müssen endlich Entschlossenheit zeigen

Bei 35 Prozent liegt die AfD in Umfragen in Sachsen, bei 32 Prozent in Thüringen und Brandenburg. In allen drei Ländern wird im Herbst 2024 gewählt. Die Unbekannte im Spiel: die mögliche Wagenknecht-Linke, die Kräfteverhältnisse verschieben würde. Das Risiko: eine noch stärkere Polarisierung. Die Chance: eine Schwächung der AfD, nicht nur der Linken.

Was jetzt hilft? Auf jeden Fall nicht, sich Positionen der AfD inhaltlich teils zu eigen zu machen – ob mit populistischen Sprüchen wie CDU-Chef Friedrich Merz oder wie Brandenburgs Christdemokraten, die Unterschriften für Grenzkontrollen sammeln. Die märkische CDU hat seit April fünf Prozentpunkte eingebüßt.

Die demokratischen Parteien müssen endlich Entschlossenheit zeigen. Sie müssen in der Migrationspolitik einen eigenen, härteren Kurs einschlagen, Antworten geben: Wie wird Zuwanderung geregelt und begrenzt? Wie soll Integration funktionieren?

Rechtsextremismus darf nie unwidersprochen bleiben. Oder heruntergespielt werden wie jüngst in Brandenburg, als die Lehrer aus Burg im Spreewald, die sich gegen rechte Strukturen stellten, Rückendeckung des Bundespräsidenten bekamen. Aber nicht die des märkischen Bildungsministers.

Wer die AfD zurückdrängen will, muss das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit – auch sozialer – begreifen und handeln. Besonders im Osten, wo das Erarbeitete schneller bedroht ist. Gesellschaft und Politik haben sich entfremdet. Wer auch nur das Gefühl zulässt, sich nicht wirklich zu kümmern, wird die AfD nicht stoppen können.

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