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Ron Prosor ist seit vergangenem August Botschafter in Berlin

© REUTERS/ANNEGRET HILSE

Israelischer Botschafter mahnt: „Worten müssen Taten folgen“

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel haben die antisemitischen Straftaten in Deutschland zugenommen. Israels Botschafter Ron Prosor lobt aber die Haltung der Bundesregierung. 

Israels Botschafter, Ron Prosor, sagte dem Tagesspiegel: „Eine Steigerung um 240 Prozent. Lassen Sie das einen Moment auf sich wirken.“ Und er fügt hinzu: „In den vergangenen sechs Wochen, seit dem barbarischen Massaker, das von der Terrororganisation Hamas verübt wurde, gab es eine Steigerung von 240 Prozent bei antisemitischen Vorfällen – hier in Deutschland. Ausgerechnet.“

Die Zahlen stammen vom Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias). Sie dokumentierten vom 7. bis 18. Oktober bundesweit 202 Vorfälle, 240 Prozent mehr als in der gleichen Zeit des Vorjahrs.
Einen drastischen Anstieg beobachtet auch das zivilgesellschaftliche Lagebild Antisemitismus der Amadeu Antonio Stiftung, das vom Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, unterstützt wurde. „Was wir seit dem 7. Oktober sehen, ist Judenhass auf einem in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr dagewesenen Niveau“, sagte Klein.

Seit den Attacken der Hamas werde die Lage zunehmend bedrohlicher, skizziert das Lagebild. Die Geschehnisse hätten „drastische Auswirkungen auch für Jüdinnen*Juden in Deutschland“, heißt es. Erinnert wird beispielsweise daran, dass kürzlich vor dem Auswärtigen Amt in Berlin „Free Palestine from German guilt“ skandiert wurde.

Die entschlossene und unmissverständliche Politik des Bundeskanzlers und der Innenministerin weisen den richtigen Weg.

Ron Prosor, Israelischer Botschafter in Berlin

„Die Vorfälle machen deutlich, wie das Gedenken an den Nationalsozialismus angegriffen wird, um gegen den Staat Israel zu agitieren. Israelbezogener Antisemitismus und Post-Shoah-Antisemitismus gehen oft Hand in Hand“, erklären die Verfasser der Evaluation.

Der israelische Botschafter Prosor sagte, dem Anstieg vorausgegangen sei Antisemitismus von rechts und links, „aber auch von muslimischen antisemitischen Elementen, etwa der Samidoun-Organisation“.

202
antisemitische Vorfällte zählte Rias vom 7. bis 18. Oktober

Die klare Haltung der Bundesregierung lobte er, insbesondere die Rede von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). „Die entschlossene und unmissverständliche Politik des Bundeskanzlers und der Innenministerin weisen den richtigen Weg, und wir müssen dafür sorgen, dass diesen Worten Taten folgen“, sagte er. Die mutige Stimme von Habeck zeige „null Toleranz für jegliche Form von Antisemitismus“, sagte er.

Antisemitismus von rechts

Das Lagebild der Amadeu-Antonio-Stiftung beschäftigt sich vor allem mit Antisemitismus von rechts. Die Verfasser beobachten einen Deutungskampf um den Nationalsozialismus, die Shoah und den Zweiten Weltkrieg, der versucht, Deutsche zu opfern zu machen.

Zitiert wird der AfD-Politiker Björn Höcke. In einer Rede im Juni 2023 habe dieser die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki als „singulären Zivilisationsbruch“ bezeichnet. Das sei offensichtlich eine Anspielung auf die Singularitätsthese der Shoah: „In der Umdeutung sind die Alliierten, nicht die Deutschen, die Verantwortlichen eines einzigartigen Zivilisationsbruchs.“

Zudem nähmen Angriffe auf Gedenkstätten zu. „Das erinnerungspolitische Klima kippt“, heißt es in dem Lagebild. Aufgezählt werden einzelne Fälle, um das Problem zu illustrieren. Darunter sind zum Beispiel Schmierereien, Diebstahl von Informationstafeln, das Aufstellen einer Gipsfigur mit der Aufschrift „Tötet alle Juden!“ an der KZ-Gedenkstätte Schillstrasse in Braunschweig oder die Beschädigung von Stolpersteinen. Das Fazit: Orte zum Gedenken an die Opfer der Shoah seien inzwischen „Dauerzielscheibe“ antisemitischer Straftaten.

„85 Jahre nach dem Pogrom, und wir stehen noch immer im Krieg zwischen Licht und Dunkel. Barbarei gegen Zivilisation“, sagte Prosor dem Tagesspiegel. „Die Geschichte hat uns gelehrt, dass wir nicht das Privileg haben, am Seitenrand zu stehen.“

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