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Ein Startgerät des Flugabwehrraketensystems Patriot

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Update

Patriots, aber keine Taurus : Scholz’ Ukraine-Politik bringt der Ampel neue Unruhe

Das Kanzleramt widerspricht Meldungen, wonach sich Scholz gegen die Lieferung von Marschflugkörpern entschieden habe. Doch zumindest vorläufig gibt es Klarheit – was Grüne und FDP verärgert.

| Update:

Sehr früh am Morgen hat Bundeskanzler Olaf Scholz in der vergangenen Sitzungswoche des Bundestages dem Auswärtigen Ausschuss Rede und Antwort gestanden. Übereinstimmend berichten Teilnehmer nachträglich, dass er dort gesagt hat, dass die Verbündeten „etwas können, was wir nicht dürfen“. Er bezog sich dabei auf deutsche Marschflugkörper vom Typ Taurus und die bereits aus Frankreich und Großbritannien gelieferten „Storm-Shadow“-Modelle.

Gemeint war mit der Aussage, die bei seinen grünen und liberalen Koalitionspartnern nun als vorläufiges Nein zu einer Lieferung an die Ukraine interpretiert wird, dass Paris wie London die Geodaten der Waffe selbst bereitstellten und die Briten gar mit eigenem Militärpersonal vor Ort die Programmierung der komplizierten Systeme übernehmen. Bundeswehrsoldaten in der Ukraine kommen für Scholz nicht infrage. Ihn treibt schon länger die Sorge um, Deutschland könne zur direkten Kriegspartei werden.

Kein formales Nein zur Lieferung

Das Kanzleramt ließ am Donnerstag ausrichten, es gebe keinen neuen Stand in der Sache – obwohl etwa Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Mitte September einen entsprechenden Beschluss innerhalb der nächsten zwei Wochen angekündigt hatte.

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„Fakt ist, dass die Entscheidung dazu noch aussteht und aus den Äußerungen des Kanzlers im Auswärtigen Ausschuss nicht abgeleitet werden kann, dass er bereits Nein gesagt hätte“, erklärte Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, gegenüber dem Tagesspiegel: „Auch die Amerikaner haben eine mögliche Lieferung bisher nur angedeutet, aber noch nicht beschlossen.“

Der Kanzler muss erklären, warum er sich dieser essenziellen Hilfe für die Ukraine verweigert.

Sebastian Schäfer, Grünen-Bundestagsabgeordneter

Hinter den Kulissen ist gleichwohl zu hören, dass aufgrund der Bedenken zumindest vorläufig nicht mit einer Lieferfreigabe zu rechnen ist. Das Kanzleramt hält sich diese Option zwar für den weiteren Kriegsverlauf offen, aktuell jedoch sind die Taurus für Scholz offenbar kein Thema, Entscheidungsdruck sieht er ebenfalls nicht.

Verwiesen wird stattdessen darauf, dass die ukrainische Regierung immer wieder auch weitere Hilfe bei der Luftabwehr anmahnt. Bei einem Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj am Rande eines europäischen Gipfeltreffens im spanischen Granada sagte Scholz ihm daher auch ein weiteres Raketenabwehrsystem vom Typ Patriot zu. Eines der Systeme ist nur noch für kurze Zeit in Polen stationiert.

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Marschflugkörper vom Typ Taurus finden sich in den Beständen der Bundeswehr.

Die Kritik aus den eigenen Reihen ist dennoch laut und harsch – wegen der vorläufigen Nicht-Lieferung selbst, aber auch der Begründung, dass für Taurus eigene Kräfte gebraucht würden. „Kein Deutscher muss bei der Zieleingabe helfen, so ein Unsinn“, teilte der FDP-Verteidigungsexperte Alexander Müller mit. „Fortwährendes Zaudern mit fragwürdigen Argumenten kostet schlichtweg Menschenleben“, kritisierte seine Parteifreundin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

„Ermunterung für Putin“

„Ich befürchte, dass der Bundeskanzler das völlig falsche Signal an Moskau sendet“, sagte der Grüne Anton Hofreiter, der Vorsitzende des Europaausschusses, dem Tagesspiegel: „Das Zögern des Kanzlers kann von Putin somit nur als Ermunterung verstanden werden, seinen brutalen Angriffskrieg fortzusetzen.“

Zu der ebenfalls in der Regierung vorhandenen Sorge eines möglichen Waffeneinsatzes in Russland sagte der Grünen-Abgeordnete Sebastian Schäfer: „Vertreterinnen und Vertreter der ukrainischen Regierung haben mir in Gesprächen in Kiew Ende August zugesichert, dass dieses Waffensystem ausschließlich auf dem Territorium der Ukraine eingesetzt wird – es besteht kein Anlass, an dieser Zusage zu zweifeln.“

Er forderte zudem eine öffentliche Stellungnahme: „Der Kanzler muss erklären, warum er sich dieser essenziellen Hilfe für die Ukraine verweigert.“

Scholz will Eskalation des Ukrainekriegs verhindern

Das tat schon Scholz Donnerstagabend. Er begründete das vorläufige Nein zur Taurus-Lieferung damit, dass er eine Eskalation des Krieges vermeiden will.

Bei den Waffenlieferungen in die Ukraine müsse beachtet werden, „was uns die Verfassung vorgibt und was unsere Handlungsmöglichkeiten sind“, sagte Scholz am Donnerstag nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Rande des Europa-Gipfels im spanischen Granada. „Dazu zählt ganz besonders die Tatsache, dass wir selbstverständlich gewährleisten müssen, dass es keine Eskalation des Krieges gibt und dass auch Deutschland nicht Teil der Auseinandersetzung wird.“

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, sprach sich am Donnerstag im ZDF-„heute journal“ für die Taurus-Lieferung aus und stellte sich damit gegen die Entscheidung von Scholz. Es sei „legitim und wichtig“, wenn die Ukraine mit deutschen Taurus-Marschflugkörpern die von Russland vor fünf Jahren erbaute Krim-Brücke angreifen wolle, sagte Heusgen. (mit dpa)

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