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Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, am 20.07.2023.

© dpa/Bernd Weißbrod

„Scholz muss echt die Kurve kriegen“: Kretschmann geht Ampel-Koalition und Kanzler scharf an

Die Umfragewerte der Bundesregierung und ihrer führenden Köpfe sind äußerst schlecht. Auch der baden-württembergische Ministerpräsident ist sehr verärgert.

Dauerstreit zwischen SPD, Grünen und FDP, stetig sinkendes Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in die Ampel-Regierung und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, spricht Klartext. Für ihn ist die größte Schwachstelle der Koalition „der dauernde öffentliche Streit. Das ist unprofessionell“.

Im Interview mit den Zeitungen der Mediengruppe Bayern sagte der Grünen-Politiker: „Ich dachte, das hört nach der Sommerpause auf, aber es war leider nicht so. Der Regierungschef darf es nicht immer so weit kommen lassen, da muss Kanzler Scholz mal echt die Kurve kriegen. Er hat gesagt: Wer bei mir Führung bestellt, kriegt sie. Führen heißt aber nicht nur, eine Sachagenda zu bearbeiten, sondern auch zu gucken, dass sie positiv kommuniziert wird.

Die aufgeheizte politische Stimmung im Land bewertete Kretschmann so: „Es steigt der Anteil derer, die an Verschwörungserzählungen glauben.“ Sein Rat für den Rest des Wahlkampfes in Bayern an alle sei, sich wieder an die Fakten zu halten und nicht Dinge über den politischen Gegner zu erzählen, die der gar nicht wolle oder sage. In Bayern und Hessen wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt.

Wir beobachten leider eine zunehmende Verrohung des öffentlichen Diskurses, die schleichend immer weiter die Grenzen verschiebt.

Winfried Kretschmann,

Weiter sagte Kretschmann: „Demokratie braucht eine Streitkultur, die von Respekt und Sachlichkeit geprägt ist. Wir beobachten leider eine zunehmende Verrohung des öffentlichen Diskurses, die schleichend immer weiter die Grenzen verschiebt. Wenn wir uns nicht mehr über Tatsachenwahrheiten verständigen können, können wir auch keine Kompromisse mehr machen und keine Koalitionen mehr eingehen. Das geht an die Wurzel der Demokratie“, so Kretschmann

Kretschmann ist der erste und bislang einzige grüne Ministerpräsident in Deutschland. Er regiert in Baden-Württemberg in einer Koalition mit der CDU.

Zur Wahrscheinlichkeit von Schwarz-Grün in Bayern, trotz des klaren Neins von Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder, sagte Kretschmann: „Der frühere baden-württembergische CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger war einmal in einer ähnlichen Situation und hat sich gegen die Grünen entschieden. Das Ergebnis sitzt vor Ihnen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Diese Geschichte habe ich auch schon Markus Söder erzählt. Mehr kann ich nicht machen.“

Trotz der Affäre um ihren Vorsitzenden Hubert Aiwanger und ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten befinden sich die Freien Wähler (FW) in Bayern-Umfragen auf einem mindestens vorläufigen Höhenflug. Einen Monat vor der Landtagswahl haben inzwischen drei Umfrageinstitute Werte von 15 beziehungsweise 16 Prozent für die Partei ermittelt. Darunter auch ein am Freitag veröffentlichtes ZDF-Politbarometer mit 16 Prozent.

Die CSU unter Markus Söder muss dort mit nur 36 Prozent den niedrigsten Umfragewert seit mehr als eineinhalb Jahren hinnehmen. Damit fällt die Partei noch unter ihr historisch schlechtes Wahlergebnis von 2018, wo sie 37,2 Prozent erzzielte. Söder und Aiwanger hatten schon vor der Flugblatt-Affäre klargestellt, dass sie nach der Wahl weiter koalieren wollen.

Dem Politbarometer zufolge kämen die Grünen wie die FW auf 16 Prozent. Dahinter folgen die AfD mit zwölf und die SPD mit neun Prozent. Die FDP liegt in dieser Umfrage bei 4 Prozent, muss also um den Wiedereinzug in den Landtag zittern. Allerdings: 43 Prozent der Befragten wissen der Umfrage zufolge noch nicht sicher, ob und wen sie tatsächlich wählen wollen. (lem)

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