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Nancy Faser ist auch SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Hessen.

© dpa/Boris Roessler

Update

Sondersitzung wieder ohne die Ministerin: Der Fall Schönbohm holt Nancy Faeser ein

Eine interne Korrespondenz wirft ein weiteres zweifelhaftes Licht auf die Versetzung des früheren BSI-Chefs durch die Innenministerin. Die Union fordert Aufklärung.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gibt der Opposition immer wieder Gelegenheit, heftige Kritik an ihr zu üben. Besonders angreifbar ist sie derzeit dadurch, dass sie parallel zu ihrem Ministerposten in Berlin als SPD-Spitzenkandidatin Wahlkampf in Hessen macht, wo sie Ministerpräsidentin werden will. Dort wird am 8. Oktober gewählt.

Jetzt ist es – wieder einmal – der Fall um die Versetzung des früheren Chefs des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm, der sie in Schwierigkeiten bringt.

Faeser ließ Schönbohm abberufen, nachdem der TV-Entertainer Jan Böhmerman ihm in seiner ZDF-Sendung „Neo Magazin Royale“ mittelbar Kontakte zum russischen Geheimdienst unterstellt hatte. Seitdem reißt die Kritik an der Ministerin nicht ab. Denn die im Rahmen einer Satire, der Überspitzung wesenseigen ist, erhobenen Vorwürfe ließen sich nicht erhärten.

Über die „Bild“-Zeitung gelangte nun eine interne E-Mail aus Faesers Ministerium an die Öffentlichkeit. Darin heißt es wörtlich, die Mitarbeitenden sollten auf Wunsch der Chefin im Fall Schönbohm „nochmals BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz; Anm. der Redaktion) abfragen und alle Geheimunterlagen zusammentragen“.

Arne Schönbohm fordert vom ZDF wegen der Satiresendung von Jan Böhmermann eine finanzielle Entschädigung von 100.000 Euro.

© dpa/Rolf Vennenbernd

Für die „Bild“ bot das Anlass, der Ministerin vorzuhalten, sie habe gegen den ungeliebten Schönbohm „illegal den Geheimdienst angesetzt“. Das war wohl etwas übertrieben. Das Bundesinnenministerium bestätigte auf Tagesspiegel-Anfrage am Mittwoch, es seien „zu keinem Zeitpunkt nachrichtendienstliche Maßnahmen gegen Herrn Schönbohm durchgeführt“ worden. Was allerdings nicht bedeutet, dass nicht jemand aus seinem Umfeld abgehört wurde. Dann könnten theoretisch auch Gespräche mit ihm vorliegen.

Faeser drang auf weitere Ermittlungen

Die Mail ist nach Tagesspiegel-Informationen authentisch. Sie stammt aus der Personalabteilung des Ministeriums. In der Betreffzeile geht es um ein mögliches Disziplinarverfahren gegen Schönbohm: „hier: Abschluss der Vorermittlungen“. In diesem Zusammenhang eine Anfrage an den Verfassungsschutz zu stellen, scheint nicht abwegig – schließlich ist das BfV die für Spionageabwehr zuständige Behörde, und die Vorwürfe gegen Schönbohm hatten mit Spionage zu tun.

Sie unterzeichnet unsere Vorlage derzeit nicht und war sichtlich unzufrieden.

Auszug aus einer E-Mail des Bundesinnenministeriums zur Disziplinar-Vorprüfung im Fall Schönbohm

Eigentlich schweigen Behörden zu ihren Personalangelegenheiten, aber hier sieht sich das Ministerium wohl zur Verteidigung genötigt: „Bei einer Vorprüfung, ob ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, werden alle belastenden und entlastenden Umstände sorgfältig geprüft“, betont ein Sprecher.

Dafür würden, wie auch bei Sicherheitsüberprüfungen von Beamt:innen, vorhandene Erkenntnisse anderer Behörden abgefragt. Schließlich verweist der Sprecher darauf, Schönbohm selbst habe um eine disziplinarische Untersuchung gebeten. Im Ergebnis wird der gesamte Sachverhalt damit bestätigt.

Die Union fordert Aufklärung

Unangenehm an der E-Mail scheint indes ein anderer Aspekt, der die Ministerin betrifft: „Sie unterzeichnet unsere Vorlage derzeit nicht und war sichtlich unzufrieden. Sie fand die Dinge, die wir ihr zugeliefert haben, zu ,dünn‘“, heißt es einleitend – dann folgt Faesers Drängen nach nochmaliger BfV-Abfrage. „Ich habe ihr gesagt, dass wir alle relevanten Behörden und Abteilungen bereits beteiligt hätten und es schlicht nicht mehr gäbe“.

Nun kann man rätseln, was nach Faesers Ansicht so „dünn“ war. Insgesamt klingt es aber so, als habe die Ministerin nicht wahrhaben wollen, dass es den Vorwürfen gegen Schönbohm an Substanz mangelte – und dass ihre Leute suchen sollten, bis sie endlich was finden.

Sondersitzung ohne Faeser

Nun gab es am Donnerstagmorgen um 7:30 Uhr eine weitere Sondersitzung des Innenausschusses. Einziger Tagesordnungspunkt: „Bericht der Bundesministerin des Innern und für Heimat zu ihrem dienstlichen Verhalten zur Herbeiführung einer Rechtfertigung von dienstlichen Maßnahmen gegenüber Herrn Schönbohm, insbesondere im Zusammenhang mit ihrem Gespräch am 2. März 2023 mit dem Abteilungsleiter von Simson.“

Die Sondersitzung wurde von der Union beantragt. Nach der ersten Sitzung am Dienstag, für die Faeser sich krankgemeldet hatte, hatte der innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, in einem Pressestatement mitgeteilt: „Der im Raum stehende Vorwurf gegen Frau Faeser, sie habe den Inlands-Nachrichtendienst gegen einen ihr unliebsamen Beamten instrumentalisiert, ist schwerwiegend und konnte auch in der heutigen Sondersitzung nicht ausgeräumt werden.“

Auch an der zweiten Sondersitzung nahm Faeser nicht teil. Faeser habe sich von einer Parlamentarischen Staatssekretärin vertreten lassen, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Am frühen Nachmittag wurde Faeser zur Debatte über den Etat ihres Ressorts im Plenum des Bundestags erwartet.

Das Umfeld der Ministerin hatte dem Tagesspiegel schon am Mittwoch zuvor mitgeteilt, die Fragen seien „am Dienstag erneut umfassend erörtert und beantwortet worden“. Die Ministerin konzentriere sich auf die Beratung des Etats des Innenressorts im Plenum des Bundestages.

Union erhebt schwere Vorwürfe gegen Faeser

Die Unionsfraktion reagierte verärgert auf Faeser Fehlen. „Sie hat sich dieser Gelegenheit heute erneut entzogen“, sagte Throm nach der Sitzung, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. Es zeige, dass die Ministerin zu keinem Zeitpunkt vorgehabt habe, dem Ausschuss Rede und Antwort zu stellen. Dies nähere den Verdacht, dass sie etwas zu verbergen habe. „Das ist bei einem so ernstzunehmenden Verdacht, nämlich den Verfassungsschutz für bestimmte Zwecke zu instrumentalisieren, schlicht nicht akzeptabel“, sagte Throm. Die Unionsfraktion gerate so an ihre Grenzen, „mit normalen parlamentarischen Mitteln hier Aufklärung von der Ministerin zu erlangen“.

Auch aus der CSU kam scharfe Kritik an Faeser. „Anstatt die Vorwürfe aufzuklären, missachtet Nancy Faeser mit an den Haaren herbeigezogen Begründungen das gesamte Parlament“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber. Faeser gebe sich noch nicht einmal Mühe, sich glaubwürdige Ausreden zu überlegen.

„Das zeigt deutlich ihre ganze Verachtung gegenüber dem Parlament. Dieses Verhalten ist unwürdig.“ Faeser sei als Ministerin vollkommen überfordert. „So jemand kann kein Bundesland regieren“, sagte der CSU-Generalsekretär.

Auf Tagesspiegel-Anfrage hatte sich zuvor Sebastian Hartmann, Sprecher der SPD-Fraktion, geäußert: „Angesichts der Schwere der im Raum stehenden, öffentlichen Vorwürfe hinsichtlich der möglichen Verwicklung hochrangiger deutscher Regierungsbeamter in Vereinen und Strukturen, die möglicherweise in Kontakt zu russischen Nachrichtendiensten standen, war es zur Klärung der Vorwürfe geradezu zwingend notwendig, vorhandene nachrichtendienstliche Erkenntnisse in deutschen Behörden abzufragen und abzugleichen.“

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Manuel Höferlin, sagte dem Tagesspiegel: „Die Ausführung der parlamentarischen Staatssekretärin Frau Schwarzelühr-Sutter ergab, dass es keine nachrichtendienstlichen Maßnahmen im Auftrag des BMI und der Bundesministerin gab.

Insgesamt konnte man den Eindruck gewinnen, dass der Grund der Sondersitzung mehr im laufenden Wahlkampf in Hessen zu suchen ist, als in einem Erkenntnisgewinn. Ich bin gespannt, ob es in der morgigen Sondersitzung zu neuen Erkenntnissen kommt oder es sich weiterhin als Wahlkampfschützenhilfe der Union aus Berlin entpuppt.“ 

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