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Wirtschafts. und Klimaschutzinister Robert Habeck im Bundestag.

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Update

Auch Bundesrat stimmt für Terminal vor Rügen: Gegner von Habecks LNG-Gesetz ziehen vor Gericht

Nach einer wilden Debatte und einem Hammelsprung passiert das umstrittene Gesetz von Robert Habeck das Parlament. Doch das letzte Wort zum Gasprojekt scheint noch nicht gesprochen.

| Update:

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat alle Mühe, die letzte Sitzung vor der Sommerpause ordnungsgemäß über die Bühne zu bringen. „Die Nerven liegen hier scheinbar blank“, sagt Bas. Eben hat sie ihrem Parteifreund Michael Schrodi ein Ordnungsgeld erteilt, wegen eines „verbalen Angriffs auf das Sitzungspräsidium“. Ein seltener Vorgang im Hohen Haus.

Schrodi wiederum hatte sich heftig darüber aufgeregt, dass die Union Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach der Debatte zum überarbeiteten LNG-Gesetz aus dem Bundesrat herbeizitieren wollte. Bas hatte wegen knapper Mehrheitsverhältnisse daher einen sogenannten Hammelsprung angeordnet, um über den Antrag der Union abzustimmen.

Ordnungsgeld, Hammelsprung, jede Menge Zwischenrufe und Geschrei – bei all dem Getöse rückte die inhaltliche Debatte fast ein bisschen in den Hintergrund an diesem Freitag. Doch nach langem Streit und trotz anhaltender Proteste auf Rügen hat der Bundestag dem beschleunigten Bau eines Flüssigerdgas-Terminals vor der Küste der Urlaubsinsel zugestimmt.

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Dann gab auch der Bundesrat grünes Licht und lehnte einen Antrag aus Mecklenburg-Vorpommern auf Anrufung des Vermittlungsausschusses in der Angelegenheit ab. Nach Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten müssen die örtlichen Behörden somit die Genehmigungsverfahren für die geplante Anlage im Hafen von Mukran beschleunigt bearbeiten.

Man sollte sich nicht darauf verlassen, dass alles immer gut geht.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hält das Terminal vor Rügen für nötig.

Dort hatten sich die Gegner des Projekts längst in Stellung gebracht. „Wir werden gegen die geplante Errichtung der Anlagen vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Einstweilige Anordnung mit dem Ziel des vorläufigen Baustopps beantragen“, erklärte der Rechtsanwalt Reiner Geulen, der die Rügener Gemeinde Ostseebad Binz vertritt, kurz nach dem Bundestagsbeschluss.

Zuvor hatte Habeck, der zu Beginn der Bundestagsdebatte noch anwesend war, für das Projekt im Hafen Mukran ein letztes Mal geworben. „Man sollte sich nicht darauf verlassen, dass alles immer gut geht.“ Gas-Lieferanten könnten ausfallen, Terminals defekt sein, der Winter kalt werden und Anschläge verübt werden.

„Wir sind noch nicht durch, wir müssen das Vorsorgeprinzip durchhalten.“ Es gebe berechtigte Bedenken auf Rügen, die Bundesregierung müsse aber an die Energieversorgung des ganzen Landes denken, sagte Habeck.

Gegenstimmen bei Grünen und SPD

Doch nicht einmal seine eigene Partei folgte Habeck bei der Abstimmung geschlossen. „Der Bau der Pipeline rund um Rügen nach Lubmin geht durch sensibles ökologisches Gebiet“, erklärte etwa die klimapolitische Sprecherin der Fraktion, Lisa Badum, in einer persönlichen Erklärung. Zudem gebe es in Deutschland und Europa bereits zahlreiche neue LNG-Terminals. „Damit drohen innerhalb der EU erhebliche unnötige Überkapazitäten aufgebaut zu werden“, sagte Badum, die gegen das Vorhaben stimmte.

Andere Grünen-Abgeordnete, wie die Finanzpolitiker Felix Banaszak und Sven-Christian Kindler, stimmten zwar zu, kritisierten aber die Informationspolitik der Bundesregierung. „Wir müssen feststellen, dass die Antworten nicht ausreichen, um unsere Zweifel auszuräumen“, schrieben die beiden Abgeordneten. Sie sehen „große ökonomische, ökologische und demokratische Risiken“ durch den Betrieb des Terminals.

Sogar mir als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter ist immer noch nicht klar dargelegt worden, ob dieser Bedarf tatsächlich besteht.

Anna Kassautzki, SPD-Abgeordnete für Rügen, sieht weiter offene Fragen.

Die SPD-Abgeordnete Anna Kassautzki, zu deren Wahlkreis die Insel Rügen zählt, stimmte ebenfalls gegen das Gesetz, für das sich auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) mehrfach ausgesprochen hatte. Sie betonte die Ängste der Menschen in ihrem Wahlkreis. Es sei „sehr bedauerlich“, dass es kein Miteinander auf Augenhöhe gegeben habe. „Sogar mir als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter ist immer noch nicht klar dargelegt worden, ob dieser Bedarf tatsächlich besteht“, erklärte Kassautzki.

Auch die Opposition kritisierte das Gesetz. „Skandalös“, „ignorant“ und „katastrophal“ sei der Umgang mit der Bevölkerung vor Ort und der Umwelt, sagte Linken-Politikerin Ina Latendorf. Es gebe keine Gas-Mangellage in Deutschland.

Philipp Amthor, CDU, kritisiert die Ampel für das LNG-Beschleunigungsgesetz.

© imago images/Political-Moments / via www.imago-images.de

Der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor kritisierte das Eilverfahren. Erst vor vier Tagen hatte es im Klima- und Energieausschuss eine Expertenanhörung gegeben, am Freitag soll nun nach dem Bundestag auch noch der Bundesrat zustimmen. Die Ampel „veralbere“ die Opposition.

Amthor empörte sich zudem, dass die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Scheswig (SPD), sich am Vorabend überraschend gegen die LNG-Pläne der Ampel positioniert hatte. „Zick-Zack-Schwesig hat wieder zugeschlagen“, sagte Amthor. Die SPD müsse sich entscheiden, ob sie für oder gegen das Projekt sei.

Mit dem Beschluss in Bundestag, der am Nachmittag noch vom Bundesrat behandelt wird, kann nun mit verkürzten Einspruchs- und Umweltverträglichkeitsprüfungen das LNG-Terminal in Mukran gebaut werden. Die Bürgermeister der Gemeinde Binz wollen dies jedoch noch auf juristischem Weg verhindern und kündigten den Gang vor das Bundesverwaltungsgericht an.

Das Terminal könne nicht ausreichend vor Drohnenangriffen oder Terroranschlägen gesichert werden, hieß es in der Begründung des Rechtsanwalts, der die Gemeinde vertritt. Zudem könne die Anlage nicht kurzfristig bei der Gas-Versorgung helfen. „Nach allen denkbaren Szenarien wäre eine Gaseinspeisung in das Festlandnetz nicht vor Anfang 2025 möglich.“ Auch nach der Sommerpause dürfte das LNG-Terminal auf Rügen die Gemüter erhitzen.

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