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Bundesjustizminister Minister Marco Buschmann.

© REUTERS/LIESA JOHANNSSEN

Verfassungsgerichts-Regeln im Grundgesetz: So soll Karlsruhe vor der AfD geschützt werden

Bundesjustizminister Marco Buschmann will das Gericht unabhängiger und „deutlicher sichtbar“ machen. Einen wesentlichen Streitpunkt lässt er dafür weg.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will noch in dieser Legislaturperiode Regelungen für das Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz festschreiben. Ziel ist, die Unabhängigkeit des Gerichts zu stärken und es extremistischen Einflüssen zu entziehen.

Zu diesem Zweck hat der Minister einen „Arbeitsentwurf“ an die Unionsfraktion übermittelt, deren Stimmen im Bundestag für eine Verfassungsänderung erforderlich sind. Nach Ostern soll es darüber vertrauliche Gespräche geben, erklärte das Bundesjustizministerium auf Anfrage.

Laut vorliegendem Entwurf erscheine es nach 75 Jahren „angemessen“, die das Gericht als Verfassungsorgan prägenden Elemente im Grundgesetz selbst „deutlicher sichtbar werden zu lassen“. Es entspreche seiner Stellung im Verfassungsgefüge und trage „dem Grundkonsens Rechnung, das Gericht tagespolitischer Auseinandersetzung dauerhaft zu entziehen.“

Solche Regelungen für das Gericht im Grundgesetz beugten zugleich Bestrebungen vor, „die Unabhängigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit infrage zu stellen, wie sie seit einiger Zeit in einzelnen europäischen Ländern zu beobachten waren“, heißt es weiter. Der Entwurf spielt damit vor allem auf das Beispiel Polen an, wo das Verfassungsgericht unter der Pis-Regierung umgebaut und mit neuem, der Partei gewogenem Personal besetzt wurde.

Was soll passieren, wenn die AfD Richterwahlen blockiert?

Buschmann will dem begegnen, indem er, wie schon zuvor in Fachkreisen vorgeschlagen, zentrale Regelungen aus dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) in das Grundgesetz überführt. Dort steht zwar einiges zur Zuständigkeit des Gerichts, jedoch wenig zu Aufbau und Organisation. Da das Grundgesetz nur mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat geändert werden kann, wäre das Gericht vor dem Zugriff einer einfachen Parlamentsmehrheit geschützt.

Für dieses Vorhaben sollen die Grundgesetzartikel 93 und 94 neu geordnet und ergänzt werden. „Das Bundesverfassungsgericht ist ein allen übrigen Verfassungsorganen gegenüber selbstständiger und unabhängiger Gerichtshof des Bundes“, heißt es dann einleitend. Festgeschrieben wird demnach unter anderem die Anzahl von zwei Gerichtssenaten, die Begrenzung der Amtszeit auf zwölf Jahre sowie das Höchstalter der Richterinnen und Richter von 68 Jahren.

Auch eine Regelung soll übernommen werden, die Blockaden bei Neubesetzungen vorbeugt: „Nach Ablauf der Amtszeit führen die Richter ihre Amtsgeschäfte bis zur Ernennung des Nachfolgers fort.“ Artikel 94 enthält dann unter anderem die ausdrückliche Feststellung, dass die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden sind.

Einen wesentlichen Aspekt, um den die fachpolitische Debatte in der Vergangenheit kreiste, lässt der Entwurf unberücksichtigt: Das Zweidrittelerfordernis für die Richterwahlen, wie es bisher nur im BVerfGG steht. Dadurch sind die Fraktionen regelmäßig zum Konsens genötigt, die Posten werden entsprechend ihrer Stärke im Parlament aufgeteilt. Bislang schließt dieses Verfahren auch aus, dass sich etwa die AfD mit einem Personalvorschlag durchsetzen kann.

Würde man auch dieses Verfahren in das Grundgesetz übernehmen, bedürfte es wohl eines Ausgleichsmechanismus, der Blockaden auflöst. Denn würde die AfD mehr als ein Drittel der Stimmen im Parlament erreichen, könnte sie auf diese Weise Neubesetzungen am Gericht verhindern oder verzögern – und zugleich Änderungen im Grundgesetz blockieren. Wie ein solcher Mechanismus aussehen könnte – etwa Übertragung der Besetzungsbefugnis auf das Gericht selbst oder den Bundespräsidenten – ist umstritten.

Indem Buschmann das Thema nun ausklammert, bleibt es bei der bisherigen Praxis. Bei einer obstruktiven Haltung der AfD im Parlament könnte das Zweidrittelerfordernis im BVerfGG mit einfacher Mehrheit gestrichen werden, das Parlament wäre beim Richterpersonal wieder handlungsfähig. Kritiker geben allerdings zu bedenken, dass ein solches Vorgehen nach einer Manipulation aussehen würde, um der Partei ihr Recht vorzuenthalten.

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