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Abflug nach Washington mit vorherigem Pressestatement: Der Kanzler hat seine außenpolitische Kommunikation verändert.

© dpa/Michael Kappeler

Von außen gesehen gut: Auf der Weltbühne kann der Kanzler punkten

Zurück aus Washington gehen die außenpolitischen Termine von Scholz diese Woche weiter. Das hat mit dem Ernst der internationalen Lage zu tun. Aber auch mit der blockierten Koalition.

Bisher ist es immer anders abgelaufen, wenn Olaf Scholz ins Ausland aufbrach. Die mitreisenden Beamten und Journalisten mussten sich schon lange vor dem Abflug am militärischen Teil des Berliner Flughafens BER einfinden, während der Kanzler erst wenige Minuten vorher den Regierungsflieger bestieg.

Wie es vor seinem Trip nach Washington abgelaufen ist, sagt etwas aus darüber aus, was der in Umfragen so in Bedrängnis geratene Scholz nun vorhat.

So lud das Bundespresseamt am vergangenen Donnerstagvormittag die Medien vor dem Abheben zu einem öffentlichen Statement des Kanzlers ein: Im Hintergrund war der Airbus mit den schwarz-rot-goldenen Streifen zu sehen, der Olaf Scholz gleich nach Washington bringen würde. Dort wollte der deutsche Gast US-Präsident Joe Biden treffen und US-Kongressmitglieder zu einem Ja für das wichtige Ukraine-Hilfspaket bewegen.

Es war eine doppelte Botschaft, die in dem Kurzauftritt steckte. Erstens: Der Kanzler versteckt sich nicht, sondern will auch kommunikativ neue Wege gehen, um seine Politik zu erklären. Zweitens: Auf internationaler Bühne ist er – anders als zu Hause, wo sein Ansehen, das seiner SPD und seiner Koalition im Keller sind – ein hoch angesehener Gesprächspartner und Verbündeter.

Bidens Dank, Scholz’ Selbstwusstsein

Bidens Dank an ihn im Oval Office wird Scholz daher gern vernommen haben: „Sie haben etwas getan, von dem niemand dachte, dass es gelingen könnte: Sie haben die deutsche Militärhilfe für die Ukraine in diesem Jahr verdoppelt.“

Vor dem Weißen Haus schrieb es der Kanzler allen, die an ihm (ver-)zweifeln, ins Stammbuch, was er für ein guter Regierungschef ist: dass „die Beziehungen insbesondere zwischen Deutschland und den USA so intensiv, so eng und so einvernehmlich sind, wie das wahrscheinlich über viele Jahre und Jahrzehnte nicht der Fall war“.

Es ist offensichtlich, dass sich Olaf Scholz vorgenommen hat, sein außenpolitisches Wirken stärker herauszustellen. Weil er insbesondere in der Ukrainepolitik in letzter Zeit tatsächlich einiges vorzuweisen hat.

Trotzdem ist das Bild vom Zauderer noch nicht aus der Welt. Etwa, weil Scholz weiterhin Nein zu Taurus-Marschflugkörpern für Kiew sagt. Aber zugleich sind da die Erhöhung der Etatmittel trotz deutscher Haushaltskrise, die Überwindung der Blockade des Ungarn Viktor Orbán auf EU-Ebene und der Einsatz gegenüber den europäischen Partnern, mehr zu liefern, damit Deutschland nicht mehr Militärhilfe leistet als sie alle zusammen.

Erst ein Spatenstich, dann Selenskyj

In dieser Woche gehen die außenpolitischen Ukraine-Auftritte des Olaf Scholz weiter: Bereits am Montag hat er zusammen mit seinem Verteidigungsminister Boris Pistorius den symbolischen Spatenstich für eine Munitionsfabrik des Rüstungskonzerns Rheinmetall in Niedersachsen getätigt. Die künftig dort produzierten Geschosse sollen die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine, aber auch der Bundeswehr stärken – Abschreckung gegenüber Russland für den Fall der Fälle.  „200.000 Artilleriegeschosse pro Jahr, dazu Sprengstoff und Komponenten für Raketenartillerie sollen hier künftig entstehen“, sagte Scholz. „Das ist beeindruckend.“

Ende der Woche dürfte es zu einem weiteren Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kommen, der zu einem Besuch in Deutschland erwartet wird. Der äußert sich völlig anders – nämlich sehr viel positiver – zu Scholz als noch vor einem Jahr. Der Kanzler wird zudem den zweiten Tag der Münchner Sicherheitskonferenz mit einer Rede eröffnen und in einer anschließenden Talkrunde seine Sicht der Dinge darstellen.

Das ist nicht alles politischem Kalkül geschuldet, sondern dem bitteren Ernst der internationalen Lage. Während seine Vorgängerin Angela Merkel erst mit fortgeschrittener Amtszeit als internationale „Krisenkanzlerin“ agierte, war der für höhere Mindestlöhne und mehr „Respekt“ gewählte Scholz nach wenigen Wochen im Amt mit einem Krieg in Europa konfrontiert.

Es ist klar, was eine Niederlage Bidens bedeutet

Dem Kanzler ist längst klar, dass eine Niederlage seines politischen Verbündeten Joe Biden und eine Rückkehr von Donald Trump schwerwiegende Auswirkungen auf Europas Sicherheitslage haben würde: Ohne US-Militärhilfe könnte der Ukraine eine Niederlage drohen, wenn die EU-Staaten sie nicht kompensieren können. Im Wissen um eine infrage gestellte Nato-Beistandsgarantie würde Russlands Präsident Wladimir Putin wohl noch mehr imperialistische Gelüste entwickeln.

Erst am Wochenende kündigte Trump an, im Falle seiner Wiederwahl säumige Nato-Mitglieder nicht vor einem russischen Angriff zu schützen. „Nein, ich werde Sie nicht beschützen“, zitierte Trump bei einer Kundgebung seine eigenen Aussagen bei einem nicht näher beschriebenen Treffen mit dem Präsidenten eines Nato-Staates. Er werde Russland sogar ermutigen zu tun, „was immer sie wollen“.

Die Auseinandersetzung mit dieser Gefahr bietet Scholz derzeit praktisch die einzige Möglichkeit, jene politische Führung zu zeigen, die er einst versprochen hat. So überzeugt wie Scholz von sich ist, hält er es zwar für ungerecht, dass so schlecht über die Arbeit seiner Koalition geredet wird. Und das, obwohl die Migrationszahlen mit Einführung der Grenzkontrollen deutlich gesunken sind und trotz Haushaltskrise weiter hohe Summen für die Ansiedlung von Hightech-Unternehmen ausgegeben werden.

Seine internen Mahnungen verhallen

In vielen Fragen aber blockiert sich die Regierungskoalition trotz aller gegenteiligen Beteuerungen mehr denn je. Und wenn eine Lösung gefunden wird – wie beim Etat – dient das in der Koalition eher dem inneren Frieden und nicht dem gesellschaftlichen, wie die Bauernproteste zeigen. Scholz’ wiederholte Mahnung, dass er „auf manch laute Debatte in den vergangenen Wochen und Monaten durchaus hätte verzichten können“, verhallt ein ums andere Mal. Erst vor wenigen Tagen hat das Last-Minute-Nein der FDP zum EU-Lieferkettengesetz den nächsten Konflikt verursacht. Die Frustration darüber ist beim Kanzler groß.

Auf internationaler Ebene erwartet die Öffentlichkeit, dass man Zugeständnisse machen muss, national ist eher das Bedürfnis wahrzunehmen, dass der Kanzler auf den Tisch haut und seine Position durchsetzt.

SPD-Außenpolitiker Nils Schmid darüber, wie unterschiedlich dieselbe Arbeitsweise des Kanzlers wahrgenommen wird

„Ich sehe nicht, dass Olaf Scholz vor der Ampel in die Europa- und Weltpolitik flüchtet: Er arbeitet hier wie dort mit seiner langjährigen Verhandlungserfahrung an tragfähigen Kompromissen“, sagt der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid.

Für Schmid liegt der große Unterschied in der außen- wie innenpolitischen Wahrnehmung des Kanzlers eher an den unterschiedlichen Erwartungen: „Auf internationaler Ebene erwartet die Öffentlichkeit, dass man Zugeständnisse machen muss, national ist eher das Bedürfnis wahrzunehmen, dass der Kanzler auf den Tisch haut und seine Position durchsetzt.“ Das aber funktioniere in einer Dreierkoalition so nicht.

Als es vor der jüngsten Generaldebatte im Bundestag um die Frage ging, womit Scholz in seiner Rede Bürgerinnen und Bürger für sich und seine Regierung einnehmen könnte, erklärten seine Leute offen, dass die Möglichkeiten begrenzt seien.

Der Kanzler konnte keine großen neuen Vorhaben ankündigen – und erst recht „nichts, was Geld kostet“. Die Frage, ob all die immensen Herausforderungen dieser Zeit ohne Lockerung der Schuldenbremse zu bewältigen sind, spaltet die Regierung tief.

Mit Ausnahme der Ukrainepolitik. Hier hat Scholz in den Etatberatungen mit seinem FDP-Finanzminister Christian Lindner erreichen können, dass die Schuldenbremse dieses Jahr nur in einem einzigen Fall erneut ausgesetzt werden darf.

Nämlich dann, wenn die sicherheitspolitische Entwicklung rund um die Ukrainepolitik dies notwendig machen sollte. Sie ist der vielleicht letzte Kitt, der die Regierungskoalition zusammenhält. Und das vielleicht letzte Terrain, auf dem der Kanzler vergleichsweise frei agieren kann.

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