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Mahnwache vor der neuen Synagoge in Potsdam am 13. Oktober. Etwa 40 Personen folgten dem Aufruf.

© Andreas Klaer

Polizeischutz für jüdische Einrichtungen: Angst in Potsdam nach Aufruf der Hamas

Vertreter jüdischer Einrichtungen sind zu einem Sicherheitsgespräch im Potsdamer Polizeipräsidium eingeladen gewesen. Die Behörde nimmt die Bedrohung sehr ernst.

Die Gottesdienste der jüdischen Gemeinde in Potsdam zum Schabbat finden unter Polizeischutz statt. Ein Streifenwagen steht dann vor dem Gemeindehaus in der Werner-Seelenbinder-Straße. Nach dem Aufruf der Hamas, Juden und jüdische Einrichtungen am Freitag anzugreifen, fand am Donnerstag ein Sicherheitsgespräch im Potsdamer Polizeipräsidium statt, zu dem Vertreter jüdischer Einrichtungen eingeladen waren.

„Die Sicherheit unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie ihrer Einrichtungen hatte und hat für uns sehr hohe Priorität. Die aktuellen Entwicklungen in Israel verdeutlichen einmal mehr die dringende Notwendigkeit, das jüdische Leben zu schützen“, sagte Polizeipräsident Oliver Stepien am Freitag. Angriffe auf die jüdische Bevölkerung seien inakzeptabel und zu verurteilen.

Polizei vor dem Gebäude der Jüdischen Gemeinde in Potsdam.
Polizei vor dem Gebäude der Jüdischen Gemeinde in Potsdam.

© Andreas Klaer

Stepien sagte, dass Vertreter der jüdischen Gemeinden und Einrichtungen ihre Angst zum Ausdruck gebracht hätten, die vor allem nach den Gewaltaufrufen der Hamas bestehen würden. Die Polizei nehme die Bedrohung sehr ernst und werde „lageangepasste Maßnahmen“ durchführen. Nähere Angaben dazu wollte er aus Sicherheitsgründen nicht machen.

Wir sind nicht allein.

Evgueni Kutikow, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Potsdam.

Evgueni Kutikow, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Potsdam, bestätigte den PNN, dass viele Gemeindemitglieder in Sorge seien und bei ihm anriefen. „Natürlich haben sie Angst. Ich versuche sie zu beruhigen und sage ihnen, wir sind nicht allein“, sagte Kutikow. Die Polizei sorge für Sicherheit. Dennoch würden sich Gemeindemitglieder an diesem Freitag zurückziehen und zu Hause bleiben. Er gehe aber davon aus, dass die Gottesdienste wie üblich besucht werden, sagte Kutikow.

Nach Ansicht der Antisemitismusbeauftragten des Landesverbands der jüdischen Gemeinde in Brandenburg, Diana Sandler, ist der Schutz der Gemeinden nicht ausreichend. „Wir brauchen zusätzliche Mittel für Sicherheitsverantwortliche in jeder jüdischen Gemeinde in Brandenburg“, sagte Sandler. Zur Situation in den Gemeinden nach dem Terroraufruf sagte sie: „Alle haben Angst.“ In mindestens zwei der sieben zum Verband gehörenden Gemeinden seien deshalb Veranstaltungen zum Schabbat abgesagt worden. Sie forderte Notfallknöpfe, mit denen in den Einrichtungen ein Signal an die Polizei ausgelöst werden kann.

Rückkehr nach Potsdam nach dem Terrorangriff

Auch das von der jüdischen Gemeinde nicht weit entfernt liegende Moses-Mendelssohn-Zentrum für europäisch-jüdische Studien erhält zusätzlichen Polizeischutz, sagte dessen Sprecher Olaf Glöckner. „Wir sind zwar keine jüdische Einrichtung“, so Glöckner, doch habe die Polizei die Gefährdungslage als „abstrakt hoch“ eingestuft. Potsdam gelte für Juden als relativ sicher. Dennoch sei der Aufruf der Hamas besorgniserregend, sagte Glöckner, der sich am 7. Oktober selbst in Israel aufgehalten hatte und erst am Dienstag nach Potsdam zurückkehrte.

Er habe an einer Konferenz für europäisch-jüdische Studien teilnehmen wollen, die an der Ben-Gurion-Universität in Beersheba stattfinden sollte. Die Stadt liegt nur etwa 25 Kilometer von Gaza entfernt. Die Konferenz wurde umgehend abgesagt. Glöckner blieb bis zum geplanten Rückflug am Dienstag bei Verwandten in der Nähe von Tel Aviv. Zwei Studenten aus Potsdam seien zunächst in Israel geblieben. Sie sollten mit einem der Sonderflüge zurück nach Deutschland kommen, so Glöckner.

„Es kam komplett aus dem Nichts“, sagt Glöckner über den Terrorangriff der Hamas. Noch am vergangenen Freitag hätten Juden und Araber „in entspanntem Umgang“ den letzten Tag des Laubhüttenfests Sukkot in Tel Aviv-Jaffa gefeiert. Die Jerusalemer Altstadt sei voller Juden, Araber und Touristen und vor allem völlig friedlich gewesen, berichtet Glöckner.

Das Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) zeigte sich am Freitag entsetzt vom „terroristischen Angriff der Hamas auf Israel und seine unbewaffnete Zivilbevölkerung“ und verurteilte die Gewalt. „Als deutsche Wissenschaftler:innen sehen wir die Parallelen zur antisemitischen Gewalt, die Teil unserer eigenen Geschichte ist“, hieß es in einer Stellungnahme. „Als ein Institut mit engen Verbindungen zur Hebräischen Universität Jerusalem und der Universität Tel Aviv erklären wir uns solidarisch mit den wissenschaftlichen Institutionen im Land und der gesamten israelischen Bevölkerung“, so das ZFF.

Die Gedanken seien bei den Kolleginnen und Kollegen in Israel und ihren Familien. Einige seien selbst unmittelbar von den Angriffen betroffen. So habe sich Sagui Dekel-Chen, der Sohn des langjährigen ZFF-Kooperationspartners Professor Jonathan Dekel-Chan, am 7. Oktober im Kibbuz Nir Oz befunden. Dort richteten Hamas-Terroristen ein Massaker an und verschleppten zahlreiche Personen. Sagui Dekel-Chen, Vater von zwei, demnächst drei Kindern, sei seither verschwunden und werde möglicherweise als Geisel in Gaza festgehalten, so das ZFF, das zu Spenden für den Kibbuz aufruft.

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