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© dpa/Jens Kalaene

Update

„Die Stadtarmut wächst stetig“: Berliner Diakonie warnt vor Einsparungen im Sozialbereich

Nach gut 100 Tagen schwarz-roter Koalition sei der soziale Kahlschlag nicht abgesagt, sagt Diakonie-Vorständin Andrea Asch. Aktuelle Kostensteigerungen sieht sie mit Sorge.

| Update:

Die Berliner Diakonie warnt weiter vor Einsparungen im Sozialbereich. „Nach 100 Tagen Berliner Koalition ist der soziale Kahlschlag nicht abgesagt“, sagte Vorständin Andrea Asch. Die Bemühungen seien erkennbar. Aber immens steigende soziale Bedarfe und Kosten für die sozialen Träger seien nicht eingepreist. „Die Stadtarmut wächst stetig, Lebensmittel- und Mietpreise sind für Tausende kaum oder gar nicht bezahlbar, Lohnkosten müssen entsprechend steigen, die Generation der Zukunft fühlt sich alleingelassen“, sagte Asch.

Ende Juni, bevor der Senat seinen Haushaltsentwurf vorgestellt hatte, hatte sich die Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Berlin, bei der auch die Diakonie Mitglied ist und deren Vorsitz Asch derzeit innehat, bereits besorgt gezeigt. Die Rede war von einer „sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bankrotterklärung“, die Berlin drohe. Den Wohlfahrtsverbänden war deswegen von einigen übertriebener Alarmismus vorgeworfen worden. Die Koalition verwies nach Vorlegen des Haushaltsplans auf den großen finanziellen Zuwachs für das Sozialressort von Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD).

Lebensmittel- und Mietpreise sind für Tausende kaum oder gar nicht bezahlbar.

Andrea Asch, Vorständin der Berliner Diakonie

Asch sagte dem Tagesspiegel auf Nachfrage, Wachsamkeit sei weiter angebracht: „Wir sind skeptisch und werden die Haushaltsberatungen sehr genau beobachten.“ Bislang habe man nur Prozentzahlen und Grundwerte zu den geplanten Finanzierungen, wisse aber nicht, worauf sich diese genau beziehen. Auch die Botschaft aus der Finanzverwaltung, dass Einsparungen erzielt werden müssten, sowie die hohen pauschalen Minderausgaben, die eingeplant wurden, ließen sie aufhorchen. „Wir können uns nicht in Sicherheit wiegen“, sagte Asch. Minderausgaben müssen im Laufe des Haushaltsjahres eingespart werden – an welchen Stellen genau, ist aber noch offen.

Folgen der Inflation „nicht aufgefangen“

Eine weitere Sorge: Die Kostensteigerungen seien auf der Grundlage von 2021 berechnet worden, nicht auf Grundlage des aktuellen Haushaltes. Insbesondere die hohen inflationsbedingten Tarif- und Sachkostensteigerungen im sozialen Bereich seien somit nicht aufgefangen.

Das bedeute, dass soziale Träger ihre Unterstützungsleistungen für Berlinerinnen und Berliner aus eigenen Mitteln bezuschussen müssten. „Aber eigene Mittel gibt es nicht mehr, weil wir schon seit Jahren zubuttern“, sagt Asch. Das würde sich bei Angeboten wie etwa der Schuldnerberatung oder Familienberatung niederschlagen, die im schlimmsten Fall eingeschränkt werden müssten. Verstärkt werde die Sorge durch Kürzungsbescheide, die einzelne Träger bereits jetzt erhalten.

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„Die nächsten 100 Tage werden zeigen, wie stark der politische Wille tatsächlich ist, die Stadt zu verbinden und alle mitzunehmen. Im September beginnen die Verhandlungen und unsere Stimme wird vernehmbar bleiben“, kündigte Asch an.

Den Vorwurf, Alarmismus zu verbreiten, wies sie zurück: „Wenn es unsere Warnrufe im Vorfeld nicht gegeben hätte, sähe die Situation möglicherweise noch ganz anders aus.“ Asch plädiert für die Aussetzung der Schuldenbremse. Deren Lockerung hatte auch Sozialsenatorin Kiziltepe in dieser Woche ins Gespräch gebracht. Die Schuldenbremse sei „trotz der Möglichkeit, Notlagen zu erklären, viel zu starr. Deshalb muss sie reformiert werden“, hatte die Senatorin gesagt.

Für viele überraschend, schloss sich diesen Überlegungen auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) an. „Wir müssen die Schuldenbremse auf Bundesebene aussetzen, um Investitionen zu ermöglichen“, sagte der CDU-Landeschef. Dafür könne er sich einen Zeitraum von fünf Jahren vorstellen. Wegner nannte Investitionen in neue Schulen, die Wohnungsbauförderung und Hilfen für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung als Beispiele.

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Auch Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) begrüßt die Debatte über eine Lockerung der Schuldenbremse. Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte sie am Sonntag: „Deutschland droht durch Preis- und Zinssteigerungen, durch Abwanderung von Unternehmen und durch Engpässe bei Fachkräften eine sich verschärfende wirtschaftliche Lage.“ Deshalb solle eine „weitere zeitlich begrenzte Lockerung der Schuldenbremse“ nicht von vornherein ausgeschlossen, „sondern ernsthaft diskutiert werden.“

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