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Rammstein-Sänger Till Lindemann

© picture alliance/dpa/Christoph Soeder

Update

Vorwürfe gegen Rammstein: Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Sänger Till Lindemann

Justizsenatorin Felor Badenberg hat den Berliner Rechtsausschuss darüber informiert – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es besteht ein Anfangsverdacht auf Sexual- und Drogendelikte.

| Update:

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat wegen des Vorliegens eines Anfangsverdachts auf ein Sexualdelikt Ermittlungen gegen Rammstein-Frontsänger Till Lindemann eingeleitet.

Das hat Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für CDU) nach Tagesspiegel-Informationen den Mitgliedern des Rechtsausschusses im Abgeordnetenhaus am Mittwoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit mitgeteilt. Die Staatsanwaltschaft ergänzte am späten Nachmittag, es gehe auch um Tatvorwürfe im Drogenbereich.

Es sind die ersten Ermittlungen, die seit Bekanntwerden der Anschuldigungen gegen Lindemann auf den Weg gebracht wurden. Mehrere Frauen hatten ihm in den vergangenen Wochen – teils anonym – unter anderem sexuelle Übergriffe im Umfeld von Konzerten vorgeworfen.

Lindemann hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Für den Rammstein-Sänger gilt die Unschuldsvermutung.

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Lindemann könnten sechs Monaten bis fünf Jahre Freiheitsstrafe drohen

Nach den Angaben im Berliner Rechtsausschuss hat die Staatsanwaltschaft von Amts wegen die Ermittlungen wegen des Verdachts nach Paragraf 177 des Strafgesetzbuches eingeleitet, zudem lägen mehrere Strafanzeigen von nicht an möglichen Taten beteiligten Personen wegen verschiedener Delikte gegen Lindemann vor, hieß es.

Paragraf 177 regelt, dass, „wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt“, mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden kann.

Ich bin sehr froh, dass unsere Stimmen endlich gehört und ernst genommen werden.

Shelby Lynn (erhob Vorwürfe gegen Lindemann)

Die Staatsanwaltschaft erklärte erst nach Erscheinen des Tagesspiegel-Berichts offiziell, dass „ein Ermittlungsverfahren gegen Till Lindemann wegen Tatvorwürfen aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln eingeleitet wurde“.

Mutmaßliches Opfer begrüßt Ermittlungen gegen Lindemann

Mehrere Frauen hatten in den vergangenen Wochen, teilweise anonym, Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann erhoben. Die Nordirin Shelby Lynn, die als erste Frau Vorwürfe gegen Lindemann erhoben und die Metoo-Debatte um die Band ins Rollen gebracht hatte, begrüßte die Entscheidung der Berliner Staatsanwaltschaft.

„Ich bin sehr froh, dass unsere Stimmen endlich gehört und ernst genommen werden“, sagte die 24-Jährige am Mittwoch der „Welt“. „Besonders nach dem Vorgehen der litauischen Polizei und den Anwälten von Till Lindemann bedeutet uns Betroffenen diese Entwicklung sehr viel.“

Lynn hatte nach einem Rammstein-Konzert in der litauischen Hauptstadt Vilnius die Polizei gerufen und Strafanzeige gegen Lindemann gestellt. Sie hatte behauptet, dass es Backstage zu einer Auseinandersetzung zwischen ihr und dem Sänger gekommen sei. Sie hätte Sex mit ihm abgelehnt, woraufhin Lindemann wütend geworden sein soll.

Lynn berichtete zudem von Erinnerungslücken. Nach dem Konzert soll sie Blutergüsse an ihrem Körper entdeckt haben: „Ich bin fast hundertprozentig sicher, dass ich Drogen bekommen habe, weil ich mich noch nie so gefühlt habe“, sagte sie.

Die Polizei in Vilnius soll, wie litauische Medien berichteten, aber keine strafrechtlichen Ermittlungen eingeleitet haben. Dagegen legte Lynn nun Medienberichten zufolge Beschwerde ein.

Drei Rammstein-Konzerte in Berlin im Juli geplant

Für die Berliner Rammstein-Konzerte im Olympiastadion am 15., 16. und 18. Juli haben die Ermittlungen bislang keine Folgen. Vom Veranstalter liege bislang keine Absage vor, sagte ein Sprecher. Man gehe aktuell davon aus, dass die „Ermittlungen nicht zu einer Absage führen“.

Berlins Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) sagte, sie habe sich unmissverständlich positioniert.

„In Berlin wird es in den Liegenschaften, die ich verantworte, keine Aftershowpartys der Band Rammstein geben“, sagte Spranger. „Die Vorwürfe wiegen so schwer, dass ich dem Schutz und der Sicherheit der Frauen hier absoluten Vorrang gegeben habe.“

Causa Rammstein im Berliner Abgeordnetenhaus

Im Berliner Abgeordnetenhaus war die Öffentlichkeit am Mittwoch bei der Besprechung des Themas von der Ausschusssitzung im Abgeordnetenhaus ausgeschlossen worden.

Der Rechtsexperte der Linksfraktion Sebastian Schlüsselburg hatte die Frage gestellt, inwieweit es aktuell staatsanwaltliche Ermittlungen gegen Till Lindemann gegebenenfalls wegen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts gebe. Die Justizsenatorin wollte auf diese Frage nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit antworten – die Abgeordneten aller Fraktionen im Ausschuss stimmten dem zu.

Es geht vor allem darum, ob strukturelle Machtgefälle ausgenutzt werden,

Sebastian Schlüsselburg, Rechtsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Berlin.

„Wenn die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht sieht, dann ist es richtig, wenn sie Ermittlungen aufnimmt. Deren Ergebnisse gilt es abzuwarten. Die Unschuldsvermutung gilt“, sagte Schlüsselburg auf Nachfrage. „Es geht hier aber nicht nur um die Frage, ob es strafrechtlich relevante Vergehen gab. Es geht vor allem auch darum, ob strukturelle Machtgefälle ausgenutzt werden“, sagte er.

Derlei Machtgefälle gebe es überall in der Gesellschaft und nicht nur im Kulturbetrieb, aber sie „laden offensichtlich zum Missbrauch ein“. Deshalb sei es wichtig, für Strukturen zu sensibilieren, die diesen Machtmissbrauch begünstigten.

„Und zugleich müssen die Menschen, die in diesen Strukturen über Macht verfügen, in die Verantwortung dafür genommen werden, dass es nicht zu einem Missbrauch kommt“, sagte Schlüsselburg.

Bahar Haghanipour, Frauen- und gleichstellungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion und Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, bewertete die eingeleiteten Ermittlungen positiv: „Es ist richtig und konsequent, dass die Berliner Staatsanwaltschaft den Strafanzeigen der letzten Tage und Wochen nachgeht“, sagte sie dem Tagesspiegel.

In den Berichten der Frauen, die ihre Stimme erhoben hätten, zeichne sich „ein frauenfeindliches Missbrauchssystem“ ab.

Grüne fordern Sicherheitskonzepte für Konzerte

Haghanipour appellierte an den Berliner Senat, für sichere Bedingungen bei Konzerten zu sorgen, damit es nicht zu Übergriffen käme. „Auf zu vielen Veranstaltungen sind die Sicherheitskonzepte für Übergriffe gegen Frauen und andere marginalisierte Gruppen noch viel zu lasch“, sagte sie.

Auch die Veranstalter forderte sie auf, geschultes Personal einzusetzen, um für Sicherheit zu sorgen. „Das gleiche gilt für Bands, Management, Konzertveranstalter*innen“, sagte die Politikerin. Einfach weiterzumachen, halte das System aufrecht.

Noch am Montag hatte sich die Staatsanwaltschaft geweigert, über mögliche Ermittlungen zu informieren. „Wir sehen uns an einer Auskunftserteilung gehindert“, hatte eine Sprecherin erklärt. Die Strafverfolgungsbehörden hätten bei Auskünften gegenüber der Presse nach der Rechtsprechung selbständig die für die Presse entwickelten Voraussetzungen für eine zulässige Verdachtsberichterstattung zu beachten.

„Wesentlich ist dabei, dass Behördeninformationen ein besonderes Vertrauen genießen, damit aber auch die große Gefahr einer öffentlichen Vorverurteilung der Betroffenen einhergeht“, sagte die Sprecherin.

„Weder bei der möglichen Erstattung einer Anzeige noch einer etwaigen Vorprüfung von Amts wegen wäre bereits der erforderliche Mindestbestand an Belegtatsachen gegeben, der dazu führen könnte, dass der presserechtliche Auskunftsanspruch die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen überwöge.“

Erst nachdem der Tagesspiegel und andere Medien von den Auskünften von Justizsenatorin Badenberg hinter verschlossenen Türen berichtete, bestätigte auch die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen.

Ergänzung: Mittlerweile wurde das im Text erwähnte Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachtes nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

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