zum Hauptinhalt
Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, beim Einstieg in den Airbus A321 der Luftwaffe.

© dpa/Kay Nietfeld

Bereit für die Zeitenwende?: In „Politstar“ Pistorius setzen die USA große Hoffnungen

Der Bundesverteidigungsminister ist bei vielen Amerikanern hoch angesehen. Aber vor allem soll er bewirken, dass Deutschland mehr Verantwortung in Europa übernimmt. Nun reist er nach Washington.

Wenn Verteidigungsminister Boris Pistorius an diesem Mittwoch zu seinem Antrittsbesuch in Washington eintrifft, kann er auf große Aufmerksamkeit hoffen. Schon Anfang Juni hatte ihn die „Washington Post“ in einem Meinungsbeitrag geadelt.

In Deutschland gebe es einen Politiker, der es mit Waffenlieferungen an die Ukraine ernst meine, lautete die Überschrift des damaligen Artikels. Und: „Deutschlands derzeitiger Politstar“, der von vielen als „stinknormaler“ Mann bewundert werde, habe es in nur fünf Monaten im Amt an die Spitze der Umfragen geschafft. Der Grund dafür sei, dass er sich ganz der Aufgabe verschrieben habe, die „lange vernachlässigte“ Bundeswehr zu modernisieren.

Dass Pistorius dann vom Montag – unmittelbar vor seiner USA-Reise – ankündigte, die Bundeswehr werde zur Verteidigung der Nato-Ostflanke erstmals 4000 Kampftruppen dauerhaft ins Ausland schicken, war die perfekte Vorlage für seine Gespräche in der amerikanischen Hauptstadt. Denn ein größeres Engagement Deutschlands und generell Europas wird auf beiden Seiten des politischen Spektrums regelmäßig eingefordert.

Auch wenn die von Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete „Zeitenwende“ viel für das bilaterale Verhältnis getan hat: Das Stichwort Lastenteilung fehlt weiter in kaum einer Rede, wenn es um die transatlantischen Beziehungen geht.

Jim Risch ist der ranghöchste Republikaner im Auswärtigen Ausschuss des US-Senats.

© REUTERS/Pool

So sagte Jim Risch, ranghöchster Republikaner im Auswärtigen Ausschuss des US-Senats, dem Tagesspiegel: „Ich begrüße den Besuch von Minister Pistorius diese Woche in Washington. Die Vereinigten Staaten sind gespannt auf die Umsetzung der im Rahmen der Zeitenwende gemachten Zusagen und darauf, was ein robusteres deutsches Verteidigungsministerium für unsere bilateralen Beziehungen, unser Nato-Bündnis und eine stärkere Lastenteilung bedeuten kann.“

Die Ankündigung zu Litauen wird parteiübergreifend gelobt

Der Senator lobte die dauerhafte Stationierung einer Brigade in Litauen, die Pistorius angekündigt hatte und sagte: „Die Vereinigten Staaten haben mehrere tausend Soldaten in Polen stationiert; die engagierte Präsenz Deutschlands in der Nachbarschaft wird die Verteidigungsposition der Nato im Baltikum nur stärken.“

Risch machte aber auch klar, dass die USA weiter auf ein stärkeres Engagement Berlins pochen werden: „Ich hoffe, dass Deutschland in den kommenden Monaten weitere zukunftsweisende Maßnahmen wie diese ergreift.“

Für Peter Rough, Direktor des Europazentrums am konservativen Hudson Institute in Washington, ist Pistorius „der beste Verteidigungsminister, auf den die USA hoffen können“ Der 63-Jährige sei eine starke Führungspersönlichkeit, und dass er Sozialdemokrat ist, sei hilfreich, sagt Rough. „So wie nur (der ehemalige US-Präsident Richard) Nixon nach China gehen konnte, kann vielleicht nur ein SPD-Mann die Zeitenwende umsetzen.“

Die Ankündigung, dass Deutschland bereit ist, eine Brigade dauerhaft in Litauen zu stationieren, sei „ermutigend“ und „ein guter Anfang“. Er hoffe, so Rough, „dass Pistorius die SPD führen und ihr sicherheitspolitisches Denken prägen kann“.

Der republikanische Senator Josh Hawley gilt als Hardliner im US-Kongress.

© action press/ZUMA Press Wire / Zuma Press

Deutlich konfrontativer formuliert der republikanische Senator Josh Hawley, der dem rechten Flügel der Partei angehört und als Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump gilt. „Die Europäer müssen die Führung in der Ukraine übernehmen. Wir müssen im Umgang mit China federführend sein“, sagte er dem Tagesspiegel.

„Aber derzeit tun die USA mehr als alle europäischen Staaten zusammen – und sie (die Europäer) sprechen darüber, dass sie weniger tun wollen. Das ist einfach nur lächerlich.“ Er mache den europäischen Partnern bei jeder Gelegenheit deutlich, sie müssten mehr Geld für Verteidigung ausgeben und mehr Verantwortung in Europa übernehmen.

Wir brauchen eine bessere Lastenverteilung.“

Der republikanische US-Senator Josh Hawley.

„Wenn sie denken, dass wir ihnen alles abnehmen, in China tun, was wir tun müssen, und unsere Grenzen besser schützen, dann sind sie verrückt. Wir können das nicht alles gleichzeitig tun. Daran müssen sie sich gewöhnen. Wir brauchen eine bessere Lastenverteilung.“

Mit dem anziehenden Präsidentschaftswahlkampf und der drohenden Rückkehr von Trump wird Deutschland wieder mehr ins Zentrum rücken. Schon jetzt machen Republikaner mit „German bashing“ Stimmung für sich – und gegen die Biden-Regierung, die zu wenig Druck ausübe.

Pistorius trifft auch Bidens Sicherheitsberater Sullivan

Auch daher ist der Besuch des deutschen Verteidigungsministers und seine geplanten Treffen mit Pentagon-Chef Lloyd Austin und dem Nationalen Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, wichtig. Umso enger die Beziehungen und Absprachen zwischen den Regierungen auf beiden Seiten des Atlantiks sind, umso besser.

Gespräche mit Republikanern im Kongress stehen allerdings nicht auf dem Programm. Der Besuch ist nur für einen Tag geplant. Ursprünglich war Pistorius‘ Antrittsbesuch schon für Ende April angesetzt gewesen. Aber die eskalierende Lage im Sudan machte dem Minister einen Strich durch die Rechnung. Auch jetzt will der Verteidigungsminister Berlin offenbar nicht allzu lange fernbleiben.

Jeff Rathke, Präsident des American-German Institute an der Johns Hopkins University in Washington, sagt: „Es ist gut, dass der Besuch jetzt nachgeholt wird.“ Die Ungewissheiten mit Blick auf die Lage in Russland sei groß, vor allem nach dem Putschversuch von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin und der Frage, ob der russische Präsident Wladimir Putin nun dauerhaft geschwächt sei und sich durch die Machtkämpfe in Moskau neue Möglichkeiten für Kiew entwickelten.

Deutschland ist die zweitwichtigste Quelle der Unterstützung für die Ukraine.

Jeff Rathke, Präsident des American-German Institute in Washington

Vor diesem Hintergrund sei Pistorius‘ Ankündigung, die Bundeswehr-Präsenz an der Ostflanke auszubauen, sehr stark, sagt Rathke. Denn sie unterstreiche die Rolle Deutschlands bei der Absicherung des Nato-Territoriums.

„Deutschland ist die zweitwichtigste Quelle der Unterstützung für die Ukraine. In dieser Lage kann der Schulterschluss zwischen Deutschland und den USA bei den Waffenlieferungen und bei der Stärkung der konventionellen Nato-Verteidigung eine wichtige Botschaft an Russland senden: dass das Bündnis die Unterstützung erhöht und die Sicherheitspartnerschaft mit der Ukraine ausbaut, und dass, egal welche Turbulenzen in Russland stattfinden, die Resultat eine stärkere Ukraine und eine stärkere Nato ist.“

Im vergangenen Jahr hatte Bundeskanzler Olaf Scholz dem litauischen Präsidenten Gitanas Nausėda bereits eine Kampfbrigade versprochen. Aber bisher wurden in Litauen nur rund 20 Soldaten dauerhaft stationiert.

Auch jetzt machte Pistorius klar, dass der geplante „Aufwuchs der Brigade“ davon abhängen, wie schnell Litauen die dafür benötigte Infrastruktur bereitstellt. Nausėda spricht in diesem Zusammenhang von 2026.

Die Stationierung sei „mit erheblichem Aufwand“ verbunden und müsse zudem noch vom Nato-Oberbefehlshaber abgesegnet werden, sagte Pistorius. Angesichts der „sehr langen Ostflanke“ müsse die Allianz ihre militärische Flexibilität bewahren und deshalb prüfen, ob die dauerhafte Stationierung deutscher Truppen in Litauen mit ihren Verteidigungsplänen vereinbar sei. Dafür werde unter anderem der Nato-Gipfel im Juli in Vilnius entscheidend sein.

Deutschland leitet derzeit die Nato-Kampftruppe Enhanced Forward Presence im litauischen Rukla und ist mit knapp 8000 Soldaten vor Ort. Diese sind dort aber nicht dauerhaft, also auf mit ihren Familien, stationiert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false