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Der französische Staatspräsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer 1962 vor dem Bonner Rathaus.

© picture-alliance / dpa

Deutschland und Frankreich: Eine nicht-exklusive Partnerschaft

Die historische Aussöhnung zwischen den früheren Erzfeinden wird weder durch politische Verwerfungen geschmälert noch durch Freundschaftsabkommen mit anderen Staaten.

Ein Kommentar von Anja Wehler-Schöck

Die Idee, die dem von Deutschland und Frankreich 1963 unterzeichneten Élysée-Vertrag, zugrunde liegt, war visionär. Denn es wurde nicht nur politische Zusammenarbeit vereinbart, sondern weitergedacht: Im Bewusstsein dafür, wie schwer es älteren Generationen fallen dürfte, die durch die frischen Erinnerungen an zwei Weltkriege zementierten Vorbehalte zu überwinden, rückte man den Jugendaustausch ins Zentrum. Im unverstellteren Blick junger Menschen auf das jeweils andere Land sah man die Hoffnung auf nachhaltigen Frieden.

Und die Hoffnung erfüllte sich. Die über Jahrhunderte dauernde Erzfeindschaft zwischen den Nachbarn wurde innerhalb weniger Jahrzehnte überwunden und zu einer engen Partnerschaft. Für die Generationen, die wie meine in der Folge in den Genuss von Schüleraustauschen und Studienaufenthalten kamen, ist die Vorstellung, dass es zwischen Deutschland und Frankreich einen Krieg geben könnte, schlicht grotesk.

Der Wert dieser historischen Aussöhnung wird weder durch gelegentliche politische Verwerfungen geschmälert noch durch Freundschaftsabkommen mit anderen Staaten. Mit dem Élysée-Vertrag sind Deutschland und Frankreich keine Ehe mit Exklusivitätsanspruch eingegangen, sie haben eine Partnerschaft besiegelt – und haben sie durch die Jahrzehnte mit Leben gefüllt.

Heute kann das deutsch-französische Tandem nicht mehr durch die Brille der Nachkriegszeit betrachtet werden, es steht im Kontext des modernen Europas. Voraussetzung einer europäischen Einheit und Souveränität sind starke Bindungen zwischen allen EU-Partnern.

Dass Frankreich Freundschaftsabkommen mit seinen Nachbarn Spanien und Italien abgeschlossen hat, sollte aus Deutschland daher keinesfalls eifersüchtig beäugt werden. Vielmehr sollte es Anlass zum Nachdenken geben, wie auch Deutschland die Beziehungen mit seinen anderen Nachbarn weiterentwickeln kann.

Statt in Unkenrufe auszubrechen über die sinkende Zahl der deutschen Schulkinder, die Französisch lernen, sollte die deutsche Politik überlegen, welche weiteren Sprachen in Deutschland heute von Bedeutung sind und wie ihr Erlernen gefördert werden kann.

Das heißt nicht, dass die deutsch-französische Partnerschaft an Bedeutung verloren hat. Europa braucht Deutschland und Frankreich als starken Motor, um sich weiterzuentwickeln. Dass es in den vergangenen Jahren nur wenige gemeinsame Initiativen gab, ist bedauerlich und darf sich als Trend nicht fortsetzen. Wir dürfen die Beziehung nicht als Selbstverständlichkeit betrachten und ihre Pflege vernachlässigen. Die Schöpfer des Élysée-Vertrags haben eine solide Grundlage geschaffen. Sie mit Leben zu füllen, bleibt jeder Generation aufs Neue überlassen.

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