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Izchak Herzog, Präsident von Israel, spricht bei einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit dem Schweizer Präsidenten während Herzogs offiziellem Besuch.

© dpa/Peter Klaunzer

Israels Präsident Herzog besucht Biden: Harte Worte in heikler Lage

Er wird im Oval Office empfangen und vor dem Kongress reden. An diesem Dienstag beginnt die USA-Visite von Israels Präsident. Sie fällt in eine Phase äußerst angespannter Beziehungen.

Israels konservative Medien sind empört. Dass Präsident Isaac Herzog und nicht Ministerpräsident Benjamin Netanjahu von der US-Regierung empfangen werde, sei ein Affront. Das schreibt am Montag der Diplomatische Kommentator der meistgelesenen Tageszeitung des Landes, „Israel Hayom“.

Verprellt würden alle Wähler Netanjahus. Den Anschein zu erwecken, die amtierende, rechtsreligiöse Regierungskoalition verliere die Unterstützung der USA, unterminiere die Sicherheit des Landes und ermutige Hisbollah und Hamas. Spekuliert wird auch über die Motive von US-Präsident Joe Biden. Der brauche offenbar das Geld der „großen, jüdischen, demokratischen Spender“, die Netanjahu nicht mögen, sondern mit den Protestierern in Israel sympathisieren.

Herzogs zweitägiger Besuch in den USA fällt in eine Phase äußerster Spannungen im amerikanisch-israelischen Verhältnis. Biden lehnt die umstrittene Justizreform der israelischen Regierung sowie den forcierten Ausbau von Siedlungen in den besetzten Gebieten strikt ab. Seit seiner Wiederwahl im November wurde Netanjahu deshalb demonstrativ nicht ins Weiße Haus eingeladen. Die USA hätten „andere Kontakte“, sagt Biden. „Dies ist eine der extremistischsten Regierungen, die ich gesehen habe.“

„Das Pulverfass ist kurz davor zu explodieren“

Das sind harte Worte. In ihnen spiegeln sich die Sorgen, die auch Herzog umtreiben. Israel stehe am „Rande eines verfassungsrechtlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruchs“, warnte der Präsident im Februar in einer Fernsehansprache an die Nation, die zur Prime Time ausgestrahlt wurde. „Das Pulverfass ist kurz davor zu explodieren, und ein Bruder ist kurz davor, seine Hand gegen den Bruder zu erheben.“ Das Oberste Gericht sei der „Stolz unserer Nation“.

Die geplante Justizreform sieht vor, dass die Regierung die Kontrolle über die Ernennung von Richtern am Obersten Gerichtshof bekommt. Zudem hätte die Regierung die Möglichkeit, Gerichtsurteile durch eine einfache parlamentarische Mehrheit außer Kraft zu setzen. Kritiker sehen darin eine Aushöhlung der Demokratie.

Zehntausende Israelis protestieren fast täglich gegen die Pläne. Im März rief die Histadrut, die Gewerkschaft, zum Generalstreik auf. Jetzt droht sie erneut damit. Einige Reservistenverbände erklärten vor Monaten, sie würden nicht mehr zum Dienst kommen, wenn „Israel eine Diktatur“ werden sollte. Thomas Friedman, Kolumnist der „New York Times“, schreibt: „Israel steht vor dem größten innersten Konflikt seit Gründung des Staates. Für jeden Rabbiner und jeden Vertreter einer jüdischen Organisation in den USA gilt: In diesem Kampf ruhig zu bleiben, bedeutet, irrelevant zu werden.“

Offizieller Anlass ist der 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel

Doch wie weit kann die Biden-Regierung gehen, um ihr Missfallen über die Entwicklung in Israel zum Ausdruck zu bringen? Beschlüsse sind nicht zu erwarten. Herzog wird am Dienstag von Biden im Oval Office empfangen und spricht am Mittwoch vor beiden Häusern des Kongresses. Offizieller Anlass ist der 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel.

„Herzogs Besuch und seine historische Rede vor dem Kongress zeigen klar: Washington ist besorgt über die zunehmende Gewalt israelischer Siedler und über die Erosion der demokratischen Werte“, meint Igal Avidan, der aus Berlin für deutsche und israelische Medien schreibt und gerade das Buch „… und es wurde Licht!“ über jüdisch-arabisches Zusammenleben in Israel veröffentlicht hat.

Hinter Joe Biden lauert Donald Trump

Skeptisch hingegen äußert sich Jacob Heilbrunn, der Chefredakteur des amerikanischen Debattenmagazins „The National Interest“. Biden müsse vorsichtig sein, sagt er. Amerikas Rechte bezichtigten ihn bereits, Jerusalem schlechter zu behandeln als Teheran. „Es liegt an den Israelis, und nur an den Israelis, sich selbst aus den räuberischen Klauen von Netanjahu und seiner Bande zu befreien.“

Denn hinter Biden lauert Donald Trump. Zu dessen Strategie gehört es, sich als loyaleren Israel-Freund darzustellen. Im Dezember wiederholte Trump seine Angriffe auf amerikanische Juden, die traditionell mehrheitlich für die Demokraten votieren. „Jüdische Führungspersönlichkeiten“ hätten vergessen, dass er der mit Abstand beste Präsident für Israel gewesen sei. „Sie sollten sich dafür schämen.“

Die Herzog-Visite wird folglich doppelt heikel. Erstens in Bezug auf das amerikanisch-israelische Verhältnis, namentlich das zwischen Biden und Netanjahu. Zweitens innenpolitisch in Bezug auf den Wahlkampf. Einige demokratische Kongress-Abgeordnete haben bereits angekündigt, die Rede Herzogs zu boykottieren, um gegen israelische Menschenrechtsverletzungen zu protestieren, wie sie sagen.

Biden muss beim Herzog-Besuch weiterhin klare Worte gegenüber der Netanjahu-Regierung finden – und aufpassen, nicht durch übertriebene rhetorische Härte den Trump-Anhängern Steilvorlagen für ihre These zu liefern, er wende sich gegen Israel. Am besten dürfte es für ihn sein, wenn er seinen Gast so lange und so intensiv wie möglich umarmt.

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