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Ukrainische Soldaten in Bachmut.

© AFP/Anatolii Steoanov

Unterstützung für die Ukraine: Warum sich die EU bei der Beschaffung von Munition schwertut

Die Ukraine braucht für ihre Frühjahrsoffensive dringend Hilfe der EU. Angesichts der Blockade Frankreichs äußert der CDU-Außenpolitiker Kiesewetter eine ernste Sorge.

Der EU-Chefdiplomat Josep Borrell ist optimistisch. Eine Vereinbarung über die gemeinsame Munitionsbeschaffung für die Ukraine stehe kurz bevor, sagte der Spanier zu Beginn der Woche nach einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. Die Munition wird für die erwartete Frühjahrsoffensive der Ukraine dringend benötigt.

Allerdings hakte es auf EU-Ebene zuletzt noch am Wunsch Frankreichs, dass die gemeinsam von der Europäischen Union beschaffte Munition möglichst in der EU und Norwegen hergestellt sein müsse.

Zumindest auf dem Papier ist das Verfahren einfach. Innerhalb der kommenden zwölf Monate soll die Ukraine von der EU eine Million Artilleriegranaten erhalten. Dafür will die Gemeinschaft insgesamt zwei Milliarden Euro ausgeben. Eine Milliarde soll als Entschädigung an EU-Länder fließen, die Munition aus eigenen Armeebeständen an die Ukraine liefern. Eine weitere Milliarde soll zur gemeinschaftlichen Munitionsbeschaffung bereit gestellt werden. So hatten es die Außen- und Verteidigungsminister der EU Ende März entschieden.

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Die gemeinschaftliche Beschaffung ist ein Problem

Doch in der Praxis tut sich die Gemeinschaft mit der Umsetzung dieses Beschlusses schwer. Wie Borrell erklärte, müsse sich die Versorgung der Ukraine mit Munition in den nächsten Tagen beschleunigen. Genaue Zahlen über die bereits zur Verfügung gestellten Geschosse nannte er nicht. Aber immerhin seien bereits mehr als 1000 Raketen geliefert worden, sagte er.

Damit sprach Borrell jene EU-Milliarde an, die zur Entschädigung der Staaten gedacht ist, welche die Ukraine aus eigenen Beständen versorgen. Noch größere Probleme haben die 27 EU-Staaten, wenn es darum geht, die gemeinschaftliche Beschaffung der Geschosse anzugehen. Die dafür bereitgestellte Milliarde soll fließen, wenn die EU-Staaten im Sinne der Rüstungszusammenarbeit die Munition gemeinsam einkaufen.

Allerdings kann für diese Tranche kein EU-Geld bereit gestellt werden, so lange es noch keine rechtliche Vereinbarung darüber gibt, was als europäische Munition zu gelten hat. Nach Angaben von EU-Diplomaten ist eine Munitionsbeschaffung in Drittländern wie den USA, die über die EU in die Ukraine weitergeleitet werden könnte, inzwischen vom Tisch.

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Artilleriegranaten verschießt die Ukraine nach ukrainischen Militärangaben jeden Tag.

An diesem Mittwoch treffen sich die EU-Botschafter erneut in Brüssel. Wenn es tatsächlich zu der von Borrell angemahnten Beschleunigung kommen soll, muss bei dem Treffen eine Lösung in dem EU-Streit gefunden werden. Der war in erster Linie von Frankreich – unterstützt von Zypern und Griechenland – angezettelt worden.

Wie es in Brüssel heißt, hatte Frankreich zwischenzeitlich darauf gedrungen, dass bei der gemeinschaftlichen Beschaffung nur jene Rüstungsfirmen zum Zuge kommen dürften, die ihre Komponenten für die Geschosse ausschließlich innerhalb der EU beschaffen. Kritiker sahen darin den Versuch, französische Rüstungsfirmen zu bevorzugen.

Auch deutsche Firmen beziehen Geschossteile aus Drittstaaten

Der Großteil der EU-Länder, darunter Polen sowie weitere ost- und mitteleuropäische Staaten, Deutschland und die Niederlande, lehnen hingegen nach Angaben von EU-Diplomaten eine Lösung ab, die eine rein europäische Lieferkette bei der Herstellung der Artilleriemunition beinhalten würde. Demnach beziehen auch deutsche Rüstungsfirmen einige Geschoss-Komponenten aus Drittstaaten.

Nach der Ansicht des CDU-Außenpolitikers Roderich Kiesewetter sollte Frankreich seine Blockadehaltung „dringendst überdenken“.
Nach der Ansicht des CDU-Außenpolitikers Roderich Kiesewetter sollte Frankreich seine Blockadehaltung „dringendst überdenken“.

© Kai-Uwe Heinrich TSP

„Die weiteren Verzögerungen bei der Lieferung von Munition kann ich absolut nicht nachvollziehen“, sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter dem Tagesspiegel. Nachdem weder Deutschland noch Frankreich auf die Bitten des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg im Sommer 2022, die Rüstungs- und Munitionsproduktion anzukurbeln, reagiert hätten, „läuft der Ukraine die Zeit davon“, sagte er weiter.

„Die Ukraine-Unterstützer müssen endlich ‘all-in’ gehen und alles liefern, was die Nato selbst verwenden würde und völkerrechtlich zulässig ist – und zwar schnell“, so Kiesewetter. Dass die EU künftig die Munitionsbeschaffung gemeinsam angehen wolle, ändere nach seinen Worten nichts an der obersten Maßgabe – und zwar „alles, was an Beständen in den Partnerländern vorhanden ist, an die Ukraine zu liefern, kurzfristig Munition aus jeder denkbaren und zulässigen Quelle zu beschaffen und sofort die eigenen Kapazitäten hochzufahren“.

Die Verzögerungen bei der Einigung der EU bei Munitionslieferungen sind auf Frankreich zurückzuführen.

Roderich Kiesewetter, CDU-Außenpolitiker

Die Menge der von der Ukraine benötigten Munition könne annähernd nur dadurch erreicht werden, dass auch außerhalb von EU-Produktion eingekauft werde, verlangte er. Nicht nur die Ukraine brauche Munition, auch viele Nato-Staaten wie Deutschland hätten ihre Munitionsbestände in den vergangenen Jahren nicht aufgefüllt „und verstoßen so gegen Nato-Vorgaben“.

„Die Verzögerungen bei der Einigung der EU bei Munitionslieferungen sind auf Frankreich zurückzuführen“, kritisierte Kiesewetter. Das mache gerade aufgrund der zuletzt fragwürdigen Aussagen von Präsident Emmanuel Macron stutzig, sagte er mit Blick auf dessen Forderung, dass sich Europa im Konflikt um Taiwan nicht unbedingt an die Seite der USA stellen solle.

„Es ist zu befürchten, dass einige Staaten wie Frankreich die Ukraine in eine Verhandlungslösung, also einen de-facto-Diktatfrieden, zwingen wollen, womöglich unter Vermittlung Chinas“, lautet die Sorge des CDU-Außenpolitikers. „Insofern müssten bei einer Verzögerung durch Frankreich aktuell leider die Alarmglocken anspringen.“

Paris sollte „seine Blockadehaltung dringendst überdenken und insbesondere mit den Staaten Mittel- und Osteuropas das Gespräch suchen“, forderte er.  

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