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Die Schuldenbremse ist die Sollbruchstelle zwischen Lindner (r.), Scholz (m.) und Habeck.

© imago/Future Image/IMAGO/Frederic Kern

Ampel-Streit um Schuldenbremse: Bei der Sicherheit Europas sollte nicht auf den deutschen Schuldenstand geschielt werden

Bei den Haushaltsverhandlungen vertagten die Ampel-Spitzen das Thema Schuldenbremse. Nach der US-Blockade für Ukraine-Gelder kommt es mit voller Wucht zurück. Zeit, für eine Entscheidung.

Ein Kommentar von Felix Hackenbruch

Es war der Knackpunkt in den Haushaltsverhandlungen von Bundeskanzler, Wirtschaftsminister und Finanzminister im Dezember. Mehr als 200 Stunden hatten Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner heftig über ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse gestritten, in der finalen Sitzung bis 5:07 Uhr in der Früh. Am Ende traten die drei Ampel-Männer mit kleinen Augen vor die Presse und erklärten, man werde die Schuldenbremse 2024 einhalten. Mit einer Einschränkung.

„Sollte sich die Situation durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärfen, etwa weil die Lage an der Front sich verschlechtert, weil andere Unterstützer ihre Ukraine-Hilfe zurückfahren oder weil die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunimmt, werden wir darauf reagieren müssen“, sagte Scholz damals und erklärte, man habe sich für den Fall verabredet, dem Bundestag einen Überschreitensbeschluss vorzuschlagen. Das Wort Notlage kam dem Kanzler nicht über die Lippen, gemeint war damit aber genau das.

Entscheidung vertagt, kommentierten Beobachter damals. Von Anfang an war der Umgang mit der Schuldenbremse die Sollbruchstelle dieser Koalition. Fundamental konträr blicken Liberale auf der einen und Sozialdemokraten und Grüne auf der anderen Seite auf die Schuldenfrage. Nur mit größter Mühe und Verschleierungsrhetorik fand die Ampel zu einem fragilen Weihnachtsfrieden.

SPD und Grüne nutzen jede Gelegenheit, um die Schuldenbremse ins Visier zu nehmen

Doch nun kommt die Debatte mit voller Wucht zurück. Im US-Senat haben die Republikaner ein Milliarden-Hilfspaket für die Ukraine gestoppt. Immer deutlicher wird, dass der Ukraine Waffen, Munition und Mittel auszugehen drohen, während Russland seine Aggression erhöht und immer mehr junge Männer an die Front schickt.

Doch statt ernsthaft über die Sicherheitslage für die Ukraine und Europa zu diskutieren, verfällt die Ampel in alte Reflexe. Denn die Vereinbarung von Scholz, Habeck und Lindner lässt viel zu viel Raum für Deutung. Wie schlecht muss die Lage an der Front werden, auf wie viele Milliarden können die Ukrainer verzichten, ab wann wird die militärische Bedrohung für Deutschland zu groß, größer als die fiskalische? Das wirkt befremdlich zynisch.

Die Skepsis der Liberalen ist verständlich, schließlich lassen SPD und Grüne kaum eine Möglichkeit aus, die FDP bei ihrem Kernthema zu provozieren. Das Jahr ist noch keine zwei Monate alt und die Ampel streitet schon zum zweiten Mal über die Schuldenbremse. Zuletzt im Januar, als das Wasser auf den Wiesen in Niedersachsen stand und es noch nicht einmal eine Schadenssumme gab, aber von links schon wieder den Ruf nach neuen Schulden.

„Die Sicherheit des Kontinents ist zu wichtig für Parteitaktik“

Doch Wladimir Putins Imperialismus ist nicht mit ein paar Tagen Starkregen vergleichbar. Bei der Sicherheit Europas sollte nicht auf den deutschen Schuldenstand geschielt werden. Es war von Anfang an unverständlich, die Milliardenhilfen für die Ukraine aus dem Regelhaushalt finanzieren zu wollen. Wer die Zeitenwende ernst nimmt, kann finanzpolitisch nicht Normalität vortäuschen.

Solange an der Schuldenbremse festgehalten wird, konkurrieren nun Entlastungsmaßnahmen und Sozialabgaben mit Geldern für die Ukraine. Und das, obwohl das Leben für viele Menschen zuletzt spürbar teurer geworden ist. Ein brandgefährlicher Umstand, den Populisten dankend aufgreifen.

Man kann es in Umfragen bereits ablesen: Der Zuspruch für die Ukraine-Hilfen hat in Deutschland zuletzt stark abgenommen – obwohl eine Mehrheit Europas Sicherheit gefährdet sieht, sollte Russland in der Ukraine gewinnen.

Die Ampelpartner sollte sich in dieser entscheidenden Frage endlich ehrlich in die Augen schauen. Dabei müsste sich nicht nur die FDP bewegen, auch SPD und Grüne können in Krisenzeiten nicht jedes Lieblingsprojekt finanzieren. Eine Reform der Schuldenbremse würde nicht nur dabei helfen, die gesellschaftliche Verunsicherung zu lindern.

Deutschland muss auch als Vorbild für die europäischen Partner vorangehen, sonst ist die Last nicht zu tragen. Es braucht eine Allianz der europäischen Staaten. Die Ampel sollte sich jetzt dafür vorbereiten und nicht warten, bis im Herbst ein neuer US-Präsident gewählt ist. Die Sicherheit des Kontinents ist zu wichtig für Parteitaktik.

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