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Linken-Vorsitzende Janine Wissler bei einer Rede im Bundestag.

© IMAGO/Political-Moments/imago

Update

„Rohrkrepierer“: Linken-Chefin Wissler kritisiert Paus-Pläne zur Kindergrundsicherung

Die Kritik am Projekt von Familienministerin Paus reißt nicht ab. Die Linke spricht von „fatalen“ Plänen, Finanzminister Lindner verlangt einen neuen Entwurf. Heute berät der Koalitionsausschuss darüber.

Linken-Chefin Janine Wissler hat die derzeitigen Pläne zur Kindergrundsicherung scharf kritisiert. „Das wichtigste Reformprojekt der grünen Familienministerin (Lisa Paus) entpuppt sich immer mehr als Rohrkrepierer, das nicht wirklich umgesetzt wird“, sagte Wissler der Nachrichtenagentur AFP.

„Die Leidtragenden sind Millionen Kinder, die in Armut aufwachsen“, so Wissler. Der Streit der Regierungsparteien werde „auf dem Rücken der armen Kinder in diesem Land ausgetragen“.

Wissler warf Familienministerin Lisa Paus (Grüne) vor, die Reform „so schlecht vorbereitet“ zu haben, „dass es im Bundesrat über 100 Seiten Änderungsanträge hagelt“.

Trotz der Rückführung von Geldern in die Bürokratie würden Jobcenter und Familienservice auf gegenseitige Informationen angewiesen bleiben, sagte die Linken-Politikerin. Für viele Familien bedeuteten Paus’ Pläne, dass sie künftig mit zwei Behörden zu tun hätten statt mit einer.

 „Fatale und kurzsichtige Spar- und Streichpolitik der Ampel“

Wissler kritisierte zudem, dass zu wenig Geld für finanzielle Unterstützung vorgesehen sei. „Statt der von Paus geschätzten zwölf Milliarden Euro pro Jahr sind es nur etwas mehr als zwei Milliarden“, sagte die Linken-Politikerin. „Allein ein Viertel davon, rund eine halbe Milliarde, fließt in die Bürokratie der Behörden, statt bedürftigen Kindern zugute zu kommen.“

Die Auswirkungen von Paus’ Vorschlag auf die Armutsquote „wären minimal, allenfalls eine Veränderung in der dritten Nachkommastelle“. Für eine „spürbare Verbesserung“ sei „eine deutlich höhere finanzielle Unterstützung notwendig“, sagte Wissler.

Sie sprach von einer „fatalen und kurzsichtigen (...) Spar- und Streichpolitik“ der Ampelkoalition. Wer heute bei der Förderung von Kindern spare, müsse später die Defizite ausgleichen.

Grüne-Jugend wirft FDP „Schmutzkampagne“ gegen arme Kinder vor

Die Co-Chefin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, griff derweil die FDP an. Von den mehr als fünf Millionen Kindern, denen die Kindergrundsicherung helfen würde, lebten viele in verdeckter Armut, sagte Stolla der Deutschen Presse-Agentur. Das seien in den meisten Fällen Kinder, deren Eltern im Niedriglohnsektor arbeiteten.

Peinlicher als diese Blockade der FDP ist nur die Tatsache, dass in Deutschland immer noch jedes fünfte Kind in Armut aufwächst.

Katharina Stolla, Co-Chefin Grüne Jugend

„Der FDP sind diese Eltern und Kinder offensichtlich egal. Sie ist der Anwalt der Reichen und lässt diejenigen im Stich, die jeden Tag das Land am Laufen halten. Damit macht sich die FDP zur Speerspitze dieser Schmutzkampagne gegen Kinder in Armut“, so Stolla.

„Während durch die Kindergrundsicherung in Wahrheit Bürokratie für die betroffenen Familien abgebaut wird, spielt sich die FDP als Vorreiter des Bürokratieabbaus auf“, erklärte Stolla. „Diese Ablenkungsdebatte gleicht Kindeswohlgefährdung.“

„Peinlicher als diese Blockade der FDP ist nur die Tatsache, dass in Deutschland immer noch jedes fünfte Kind in Armut aufwächst.“ Die Kindergrundsicherung müsse nun schnell beschlossen werden, sagte Stolla.

Lindner verlangt neuen Entwurf

Zuvor hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Familienministerin Lisa Paus (Grüne) zur Überarbeitung ihres Gesetzentwurfs zur Kindergrundsicherung aufgefordert. „Es muss nachgearbeitet werden“, sagte der FDP-Vorsitzende der „Augsburger Allgemeinen“. Der Finanzminister verwies auf zwei von der Koalition vereinbarte Bedingungen als Grundvoraussetzung zur Einführung der neuen Sozialleistung.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat zu einer Überarbeitung des Gesetzentwurfs zur Kindergrundsicherung aufgefordert.

© dpa/Kay Nietfeld

„Erstens darf es keinen überproportionalen Verwaltungsaufwand geben, sondern es muss weniger Bürokratie geben durch Digitalisierung“, mahnte Lindner.

Zweitens dürfe es keine Anreize geben, dass Menschen wegen höherer Sozialleistungen nicht mehr arbeiten gehen. Beide Voraussetzungen seien beim jetzigen Entwurf von Paus „offenbar nicht gegeben“, sagte Lindner.

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) erfährt viel Kritik für ihren Entwurf zur Kindergrundsicherung. Hierfür sieht Paus eine Summe 2,4 Milliarden Euro vor.

© dpa/Michael Kappeler

Er verwies dabei auf die ungefähr 5000 neuen Stellen, die die Familienministerin in Berufung auf die Bundesagentur für Arbeit bislang zur Umsetzung der Kindergrundsicherung schaffen will.

Mit Blick auf die neuen Stellen in der Verwaltung hatte Paus am Wochenende bereits Kompromissbereitschaft signalisiert. Das reicht dem Koalitionspartner aber offenbar nicht, um dem Entwurf in seiner jetzigen Form zuzustimmen.

Kinderschutzbund kritisiert „fatalen“ Start der Reform

Auch die Präsidentin des deutschen Kinderschutzbunds, Sabine Andresen, zeigte sich mit dem Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung nicht zufrieden. „Wir alle haben uns mit der Reform deutlich mehr gewünscht“, sagte sie den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Mittwochsausgaben). Der große Wurf sei die Reform „auf alle Fälle noch nicht“.

„Wenn jetzt noch nicht einmal der Einstieg gelingt, dann wäre das fatal“, sagte Andresen. Sie forderte unter anderem eine Neuberechnung des „kindlichen Existenzminimums“.

Sie habe den Eindruck, dass es in der Ampelkoalition „unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, ob man die Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut wirklich priorisieren will oder nachrangig behandelt“.

Die Fraktionssprecherin der Linkspartei im Bundestag für Frauen-, Senior:innen-, Kinder- und Jugendpolitik, Heidi Reichinnek, kritisierte die Debatte in der Ampel als absolutes Schmierentheater. Das eigentliche Ziel, Kinder aus der Armut zu holen, sei völlig in den Hintergrund getreten. Die für die Kindergrundsicherung vorgesehene Summe von 2,4 Milliarden Euro sei lächerlich.

Nötig wären hingegen mindestens 25 Milliarden Euro, erklärte Reichinnek. „Ich weiß, das klingt nach einer ziemlich großen Summe, aber wenn wir überlegen, dass wir damit langfristig für diese Volkswirtschaft 100 Milliarden einsparen, dann klingt das alles nochmal ein bisschen anders.“ Der Entwurf von Paus sei außerdem handwerklich eine „Katastrophe“, kritisierte sie. (dpa, AFP)

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