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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht während der Sendung „RTL Direkt Spezial“.

© dpa/Jörg Carstensen

TV-Auftritt von Kanzler Scholz: „Ich weiß gar nicht, was wegscholzen ist“

Am Dienstagabend stellte sich Olaf Scholz im Fernsehen Bürgerfragen. Beim Heizungsgesetz versuchte er es mit einer Beruhigungspille. Und der Kanzler versicherte, sich nicht wegzuducken.

Vier Bürger an einem quadratischen Tisch, ein Fernsehstudio, Pinar Atalay als Moderatorin – und Olaf Scholz: Der Kanzler ist am Dienstagabend zu Gast bei „RTL Direkt Spezial“.

Atalay fragt den Kanzler gleich nach seinem Auftritt am letzten Wochenende, wo er als „Kriegstreiber“, „Lügner“ und „Bandit“ beschimpft worden war. Als „Liebe Schreihälse“ hatte Scholz die Störer angesprochen. Die Störer würden Putin als Kriegstreiber erkennen, „wenn Ihr irgendeinen Verstand in Euren Hirnen hättet“.

Ob das ein neuer Scholz sei, fragt Atalay den Kanzler, der „on fire“ sei und nicht mehr „wegscholze“? „Ich weiß gar nicht, was wegscholzen ist“, sagt Scholz norddeutsch-nüchtern.

Eine 81-jährige Klimaaktivistin aus Niedersachsen verteidigt die Klimakleber. Regine Springorum hält dem Kanzler vor, dessen Urteil über die Klimakleber („bekloppt“) sei „völlig populistisch und billig“. Der Kanzler hält dagegen, verteidigt sein Urteil und hält der Klimaaktivistin, die die Klebeaktionen für richtig hält, entgegen: „Das finde ich einen politischen Fehler, so nett wie Sie sind.“

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Die Klebeaktionen trügen nicht dazu bei, den Klimawandel aufzuheben. Da ist er noch einmal, der Klartext-Kanzler. Im Laufe des Abends findet er kein gutes Wort zur „Letzten Generation“.

Klipp und klar hält es Scholz auch, während er auf den Zoff in der von ihm geführten Ampel-Koalition angesprochen wird. „Ich bin der Kanzler von allen, aber ich rede nicht allen nach dem Mund“, hält er Atalay entgegen.

Dem Zerspanungsmechaniker und vierfachen Familienvater, der eine De-Industrialisierung Deutschlands befürchtet und die Inflation beklagt („Das Leben ist so teuer geworden, man kann sich nichts mehr leisten“), hält er die Investitionen und Hilfsprogramme des Staates entgegen. „Ich habe mich ein ganzes Leben für anständige Löhne eingesetzt“, sagt Scholz. Er verweist auf den Arbeitskräftemangel, die Rekord-Erwerbstätigenzahl.

Unmut über Klimapolitik und Heizungsgesetz

„Es geht alles bergab“ sagt der Brandenburger Chris Rücker, ein Schmelzer in der Stahlindustrie. Die Klimapolitik gehe wie mit der Brechstange vor. Damit ist das Thema Heizungsgesetz angesprochen.

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Scholz verweist auf Ausnahmeregelungen, Zuschüsse, „das wird sich, glaube ich, rumsprechen“. Rücker sagt: „Die Leute sind sehr unzufrieden.“ Wie es mit dem Stahl-Standort Deutschland weitergehe, will er wissen. Der Kanzler verweist auf Gespräche.

Ich zähle nicht zu denen, die sich wegducken.

Bundeskanzler Olaf Scholz

Scholz kommt zugute, dass in dieser Runde die beiden Pole der Klimadebatte präsent sind. Der eine warnt vor einer „Überforderung“, der Aktivistin geht alles nicht schnell genug. So kann sich der Kanzler inszenieren als derjenige, der die Interessen zusammenführt, austariert und Konsens herstellt.

Einen neuen Punkt bringt Scholz in die Debatte, eine Art Beruhigungspille, mit der er Tempo und Dramatik aus der Diskussion nehmen will. Das Projekt Heizungsumbau sei „ein Programm bis 2045, nicht für die nächsten zwei Jahre“

Thema Flüchtlinge: „Wir schaffen es nicht mehr“

Nicole Rathgeber, 39, Landrätin des Werra-Meißner-Kreises (Hessen) von den Freien Wählern, klagt, die Ehrenamtlichen kämen bei dem starken Zustrom von Migranten an ihre Grenzen. Der Flüchtlingsgipfel habe sich vertagt. Scholz verweist darauf, der Bund zahle 15 Milliarden Euro. Damit ist das Thema Flüchtlinge gesetzt. Gut eine Million Ukrainer leben in Deutschland, zudem steigen die Asylbewerberzahlen rasant an. „Wir schaffen es nicht mehr“, sagt sie.

„Wir müssen auf unsere Demokratie extremst aufpassen“, sagt Rathgeber, als die Stärke der AfD zur Sprache kommt.

Er mache sich „Sorgen“ sagt Scholz auf die Frage, ob er Angst habe angesichts von 18 Prozent Zuspruch für die AfD, die damit gleichauf ist mit der SPD. Deutschland sei eine „stabile Demokratie“, sagt der Kanzler.

„Es ist viel auf einmal“, sagt er mit Verweis auf Krieg und Krisen. „Wir fühlen uns alleingelassen“, hält die Landrätin Scholz entgegen, der dem erwartungsgemäß widerspricht. „Ich zähle nicht zu denen, die sich wegducken“, sagt Scholz.

Ich bin der Chef, aber das Land ist eine Demokratie.

Bundeskanzler Olaf Scholz

Andere Fragen aber lässt Scholz offen. So geht er auf die Klage, eine reguläre Wochenzeitarbeit von 40 Stunden bringe für eine sechsköpfige Familie mitunter nur 200 oder 300 Euro mehr als das Bürgergeld, kaum ein.

Wie schon mehrfach in den vergangenen Monaten übt Scholz Medienkritik, oft gebe es nur „Klatsch statt Wiedergabe von Inhalten“ klagt er. „Topfschlagen“ hielt er einst Journalisten vor.

Die öffentliche Kritik perlt am Kanzler also nicht ab. Ansonsten verweist er auf seine Bürgergespräche, bei dem jeder Antworten bekomme, „und ich suche die Teilnehmer nicht aus“.

Zum Ende, inzwischen ist es weniger als eine Stunde bis Mitternacht, geht es um den Ukraine-Krieg. Erst am Montag hatte Scholz – in Jeans und Pullover – einen Besuch der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ an der Ostseeküste abgestattet, besuchte dort das von den USA geführten Manöver „Baltops“ und die Deutsche Marine.

Den Angriff auf den Staudamm charakterisiert Scholz als „eine Aggression der russischen Seite“, einer neuen Dimension des russischen Krieges gegen die Ukraine. „Deutschland ist der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine nach den USA“, sagt er.

Die Militärunterstützungen helfe nun. Er bleibe „vorsichtig“, der Krieg dürfe nicht zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato eskalieren, sagt der Kanzler. Mit Putin habe er länger nicht gesprochen, „ich habe mir vorgenommen, das wieder zu tun“.

„Er soll mehr Chef sein“, sagt einer der Bürger in der Abschlussrunde, das könne man vom Kanzler auch erwarten. „Ich bin der Chef“, verteidigt sich Scholz, „aber das Land ist eine Demokratie.“

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