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Auf dem Mittelmeer sterben jedes Jahr viele Menschen auf der Flucht.

© dpa/Francisco Seco

Exklusiv

Zwei Rechtsgutachten warnen: Ausgerechnet die Seenotrettung Minderjähriger könnte doch strafbar werden

Die Ampel-Fraktionen wollten die Kriminalisierung von Seenotrettung im Mittelmeer verhindern. Nun warnen Rechtsprofessoren vor einer Gesetzeslücke. Das Asyl-Paket soll aber schon Donnerstag beschlossen werden.

In zwei neuen Rechtsgutachten warnen Juristen vor einer womöglich ungewollten Kriminalisierung der Rettung von alleinreisenden Minderjährigen aus dem Mittelmeer. Dies könne durch die im Asyl-Paket geplante Verschärfung des Schleuserparagrafen geschehen.

So argumentieren die Juraprofessoren Aziz Epik und Valentin Schatz sowie der Rechtsanwalt David Werdermann in ihren Gutachten. Das Asyl-Paket will die Ampel-Koalition allerdings schon am Donnerstag im Bundestag verabschieden. Am Mittwoch wurde das Gesetzespaket mit den Stimmen der Ampel-Parteien im Innenausschuss beschlossen.

Zwar will die Ampel-Koalition, wie berichtet, klarstellen, dass sich geplante Straf-Verschärfungen im Gesetz nur auf den Landweg und damit nicht womöglich auch auf die Rettung Schiffbrüchiger beziehen. Allerdings wurde laut der Juristen eine Lücke übersehen.

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Aziz Epik, Juniorprofessor für Internationales Strafrecht an der Universität Hamburg, sagte dem Tagesspiegel dazu: „Es wurde offenbar übersehen, dass durch einen Verweis auf einen anderen Absatz des Gesetzes der spezielle Fall der Einreise unbegleiteter minderjähriger Ausländer auf dem Seeweg weiterhin von der Ausweitung der Strafbarkeit erfasst wäre.“

Schleusung Minderjähriger wird besonders hart bestraft

Die Schleusung alleinreisender Minderjähriger wird als besonders strafverschärfender Aspekt, als sogenannter Qualifikationstatbestand, im Aufenthaltsgesetz extra aufgeführt. Sobald Seenotrettungsorganisationen nun unbegleitete Minderjährige retteten, blieben deshalb Strafbarkeitsrisiken bestehen, argumentiert Epik.

Ähnliches schreibt der Rechtsanwalt David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte in seinem Gutachten: „Diesen Qualifikationstatbestand erfüllt nach dem Änderungsantrag auch, wer (uneigennützig) wiederholt oder zugunsten von mehreren unbegleiteten Minderjährigen handelt“, schreibt der Jurist.

Bundesinnenministerium sieht ohnehin keine Strafbarkeit

Die Sprecherin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, forderte am Abend Konsequenzen: „Das Gesetz darf weder am Donnerstag noch sonst irgendwann beschlossen werden“, sagte sie dem Tagesspiegel. Das Gesetzesvorhaben sei von Anfang an „unmenschlich“ gewesen. „Das muss man sich mal vorstellen. Menschen, die Kinder vor dem Ertrinken retten, unter Strafe zu stellen, ist skandalös und unverschämt“, sagte Stolla.

Katharina Stolla ist eine der beiden Vorsitzenden der Grünen Jugend.
Katharina Stolla ist eine der beiden Vorsitzenden der Grünen Jugend.

© dpa/Kay Nietfeld

Strittig ist allerdings weiterhin, ob die Seenotrettung überhaupt wegen der geplanten Verschärfung des Schleuserparagrafen angreifbar wäre. Zwar sollen künftig auch Schleusungen bestraft werden, die ohne finanzielles Interesse erfolgen. Das Bundesinnenministerium hatte aber stets argumentiert, dass die Rettung aus Seenot nicht als Schleusung zu sehen sei. Durch die Übergabe der geretteten Menschen an Behörden könne man nicht von einer Schleusung sprechen.

Allerdings hatten insbesondere die Grünen und viele zivilgesellschaftliche Akteure sich hier mit ihren Bedenken gegen FDP, SPD und das Bundesinnenministerium durchgesetzt. Deshalb wurde die Klarstellung im Gesetz überhaupt vorgenommen.

Die Juristen fordern trotzdem Rechtssicherheit. Die Professoren Epik und Schatz schlagen deshalb als Notlösung vor, die Begrenzung der Strafbarkeit auf den Landweg auch für die Einreise alleinreisender Minderjähriger vorzunehmen. Darüber hinausgehend fordern sie aber, dass in Fällen humanitärer Hilfe grundsätzlich von Sanktionen abgesehen wird. Das ermöglicht die Europäische Union ihren Mitgliedsstaaten explizit. Aus Sicht der Autoren der Stellungnahme würde dies Rechtssicherheit schaffen.

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