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Barbara Slowik, Polizeipräsidentin in Berlin.

© Tagesspiegel/Mario Heller

Update

Polizeipräsidentin über rechte Tendenzen in der Berliner Polizei: „Von Einzelfällen kann man nicht mehr sprechen“

Barbara Slowik und ihr Amtsvorgänger Klaus Kandt wurden im Ausschuss zu rechten Anschlägen in Berlin-Neukölln befragt. Die Abgeordneten zogen eine Zwischenbilanz.

| Update:

Sie sei seit Beginn ihrer Amtszeit mit der rechten Anschlagsserie in Neukölln befasst gewesen, sagte Barbara Slowik am Freitag im Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin. Nur kurz vor Beginn ihrer Amtszeit als Polizeipräsidentin war es mit den Brandanschlägen auf den Linken-Politiker Ferat Koçak und den Buchhändler Heinz Ostermann zu den wohl prominentesten Anschlägen der Serie gekommen.

Als einen Erfolg der Polizei sieht Slowik, dass es nach diesen beiden Anschlägen zu bislang keinen weiteren Serien-Angriffen gekommen sei.

Der Untersuchungsausschuss beschäftigt sich mit Ermittlungspannen rund um die rechte Anschlagsserie in Neukölln. In dem Ausschuss wurden bislang Betroffene, Ermittler und Expertinnen befragt, die mit dem sogenannten Neukölln-Komplex befasst waren. Dieser Serie werden mindestens 72 rechte Straftaten zugerechnet, darunter 23 Brandanschläge.

Slowik betonte, dass die Polizei seit Beginn ihrer Amtszeit eine Reihe von Maßnahmen ergriffen habe, um verstärkt gegen Rechtsextremismus in Berlin vorzugehen. Dazu zählte sie etwa die Einrichtung eines speziellen Kommissariats beim Staatsschutz des Landeskriminalamtes, das bei Hinweisen auf rechtes Gedankengut innerhalb der Polizei und weiterer Behörden ermittelt.

Keine Hinweise auf rechte Strukturen in der Polizei

„Wir mussten irgendwann erkennen: Von Einzelfällen kann man nicht mehr sprechen, davon sind es einfach zu viele“, sagte Slowik mit Blick auf rechte Chatgruppen und andere Äußerungen von Beamt:innen. Hinweise auf Strukturen oder eine rechte Organisation innerhalb der Behörde gebe es bislang allerdings nicht.

Bei einer Pressekonferenz am Rande der Ausschusssitzung zogen die Sprecher der beteiligten Fraktionen eine Bilanz der bisherigen Sitzungen. Der Ausschussvorsitzende Vasili Franco (Grüne) fasste die wesentlichen Erkenntnisse nach der Befragung dutzender Polizeizeug:innen zusammen.

Vieles hat auf Papier existiert, war den Beamten am Tatort aber nicht bekannt oder wurde nicht angewandt.

Der Grünen-Abgeordnete Vasili Franco über Defizite in der Polizei

So sei auffällig, dass sich die Qualität der Ermittlungen zu der Serie seit 2017 deutlich gesteigert habe. Zuvor sei kaum strukturiert vorgegangen worden, insbesondere die Datenauswertung sei – vor allem auch mit Blick auf technische Defizite – mangelhaft gewesen, sagte Franco.

Zudem gehe aus den Schilderungen von Führungskräften und tatsächlichen Ermittlern hervor, dass die Kluft zwischen Theorie und Praxis „sehr groß“ gewesen sei. „Vieles hat auf Papier existiert, war den Beamten am Tatort aber nicht bekannt oder wurde nicht angewandt“, sagte Franco.

Der Linken-Abgeordnete Niklas Schrader attestierte der Polizei „eine lange Liste handwerklicher Fehler“. Fragwürdig sei aus Sicht der Abgeordneten insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz, die offenbar lange Zeit kaum funktioniert habe. Der CDU-Abgeordnete Stefan Standfuß lobte indes die „vielen überaus engagierten Polizisten“, die er im Ausschuss habe erleben dürfen. Allerdings sprach auch er von einzelnen Fehlern.

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Die SPD-Abgeordnete Wiebke Neumann hob hervor, dass auch die interne Personalstruktur der Polizei für Probleme sorge. So sei ein umfangreicher Personalwechsel im Staatsschutz nach Bekanntwerden der rechtsextremen Terrororganisation NSU „nicht durchdacht und im Nachhinein wohl ein Fehler“ gewesen. Dadurch seien Fachkenntnisse innerhalb der Behörde verloren gegangen.

Der frühere Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt.
Der frühere Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt.

© Imago/Seeliger

Vor Slowik war bereits ihr Amtsvorgänger Klaus Kandt vernommen worden. Kandt ist seit mehreren Jahren pensioniert. Er betonte gleich zu Beginn, dass er kaum Erinnerungen an die Ermittlungen zu der rechten Anschlagsserie habe. Zudem sei er nach eigenen Angaben nicht in Einzelheiten mit den Ermittlungen zu der Serie rechtsextremistischer Straftaten befasst gewesen. „Ich hatte nicht das Wissen der Sachbearbeiter und habe mich auch nicht im Detail in die Ermittlungen eingemischt“, sagte Kandt.

In besonderer Erinnerung sei ihm der Mordfall Burak Bektaş, betonte Kandt. Der 22-jährige war im April 2012 in Neukölln auf der Straße von einem Unbekannten erschossen worden. Der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt. Angehörige vermuten ein rassistisches Motiv. Sie werfen den Behörden unzureichende Ermittlungen vor.

Dem Mordfall Bektaş sowie dem Fall des ebenfalls in Neukölln ermordeten Briten Luke Holland will sich der Ausschuss in den kommenden Sitzungen widmen. So soll in der kommenden Sitzung der frühere Mordermittler Alexander H. angehört werden, der zentral im Fall Bektaş ermittelte. Gegen H. wird aktuell intern ermittelt, weil er in seiner späteren Funktion als Kommissariatsleiter beim Staatsschutz hunderte Rechtsextremismus-Fälle nicht bearbeitet haben soll.

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