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Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen müssen komplett wiederholt werden.

© Bearbeitung: TSP | Foto: imago/Christian Ditsch

Update

Neuer Termin am 12. Februar 2023: Berlin-Wahl muss wegen Pannen komplett wiederholt werden

Das Berliner Verfassungsgericht hat entschieden: Die Wahlen für das Abgeordnetenhaus und alle zwölf Bezirke müssen komplett wiederholt werden. Grund sind schwere Wahlfehler.

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Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und allen zwölf Bezirksverordnetenversammlungen müssen komplett wiederholt werden. Das hat der Berliner Verfassungsgerichtshof entschieden. Gerichtspräsidentin Ludgera Selting verlas am Mittwoch ein entsprechendes Urteil. Damit bestätigten die Richterinnen und Richter ihre vorläufige Rechtseinschätzung von Ende September.

„Die verbundenen Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen werden im gesamten Wahlgebiet für ungültig erklärt“, sagte Selting. Dies sei „wegen Häufigkeit und Schwere der Wahlfehler erforderlich“. Die Fehler seien mandatsrelevant gewesen - haben sich also auf die Zusammensetzung des Parlaments ausgewirkt. Der Grundsatz der Allgemeinheit, Gleichheit und Freiheit sei bei der Wahl verletzt worden.

„Eine nur punktuelle Wahlwiederholung in einzelnen Wahlkreisen wäre angesichts der Vielzahl und Schwere der Wahlfehler nicht geeignet, einen verfassungsgemäßen Zustand herzustellen“, heißt es in der Begründung des Gerichts. Die Entscheidung sei mit einer Mehrheit von sieben zu zwei Stimmen getroffen worden. Es sei ein Sondervotum abgegeben worden. Dessen Inhalt sollte im Tagesverlauf im Internet veröffentlicht werden, hieß es.

Andrang bei der Verkündung des Urteils.
Andrang bei der Verkündung des Urteils.

© dpa/Annette Riedl

Die Wahlen sollen wie erwartet am 12. Februar 2023 wiederholt werden. Das teilte Landeswahlleiter Stephan Bröchler nach der Verkündung des Urteils mit. Die offizielle Bekanntgabe des Termins erfolge am Freitag im Amtsblatt, so Bröchler. Der Termin ist der letzte Sonntag innerhalb der Frist von 90 Tagen nach dem Urteil, in der die Wahl stattfinden muss.

Ab sofort würden die bereits getroffenen Vorbereitungen intensiviert, sagte Bröchler. So werde nun das Papier für die Stimmzettel offiziell bestellt. Wichtigster Punkt sei die Gewinnung von Wahlhelferinnen und Wahlhelfern, betonte Bröchler. Bis Weihnachten sollten nach Möglichkeit ausreichend Bewerbungen vorliegen, damit mit den Schulungen rechtzeitig begonnen werden könne. Pannen wie im September 2021 soll es nicht noch einmal geben. Deshalb sollen mindestens 38.000 Wahlhelfer zum Einsatz kommen statt 34.000 im Vorjahr. Sie bekommen auch eine höhere Entschädigung. In Wahllokalen sollen zudem mehr Wahlurnen stehen als beim letzten Mal.

Am 26. September 2021 wurde unter Bedingungen der Corona-Pandemie in Berlin der Bundestag, das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt. Hinzu kam der Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Nebenher lief außerdem der Berlin-Marathon.

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Falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzettel

Folge dieser Ballung und schlechter Vorbereitung waren Pannen und massive organisatorische Probleme. Dazu zählten falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, lange Schlangen mit teils stundenlangen Wartezeiten. Vielfach stimmten Wähler nach 18 Uhr ab, teils noch Stunden nach der offiziellen Schließungszeit.

Wegen dieser zahlreichen Pannen musste Berlins oberstes Gericht die Gültigkeit der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Bezirksversammlungen überprüfen. Insgesamt lagen ihm 35 Einsprüche gegen die Wertung vor, über vier davon war zunächst verhandelt worden. Dabei ging es um die Beschwerden der Landeswahlleitung, der Innenverwaltung sowie der Parteien AfD und Die Partei.

Der Berliner Senat hatte bereits erklärt, keinen Widerspruch gegen das Urteil des Verfassungsgerichts einlegen zu wollen. Ob überhaupt ein Widerspruch vor dem Bundesverfassungsgericht möglich wäre, ist umstritten. Das Verfassungsgericht teilte nach dem Urteil mit, dass es „gegen diese Entscheidung kein reguläres Rechtsmittel“ gebe.

Die Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofes Sönke Hilbrans (l-r), Jürgen Kipp, Sabrina Schönrock, Ludgera Selting (Präsidentin), Robert Wolfgang Seegmüller, Ahmet Kurt Alagün, Margarete Gräfin von Galen und Christian Burholt.
Die Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofes Sönke Hilbrans (l-r), Jürgen Kipp, Sabrina Schönrock, Ludgera Selting (Präsidentin), Robert Wolfgang Seegmüller, Ahmet Kurt Alagün, Margarete Gräfin von Galen und Christian Burholt.

© dpa/Annette Riedl

Zudem stellte das Gericht klar, dass alle getroffenen Entscheidungen des Abgeordnetenhauses weiter gültig sind. „Wie im Falle regulärer Wahlen sind Parlament und Regierung bis zum Abschluss der (Wiederholungs-)Wahl berechtigt, zur Sicherstellung der Kontinuität staatlichen Handelns ihre jeweiligen Aufgaben wahrzunehmen“, so das Gericht.

Nicht nur die Berliner Wahlen, sondern auch die Bundestagswahl muss wiederholt werden. Der Bundestag hat wegen der umfangreichen Fehler bereits eine Teil-Wiederholung in 327 von 2256 Wahlbezirken beschlossen. Die Wahl wird aller Voraussicht nach jedoch nicht gleichzeitig mit der Wiederholung zur Abgeordnetenhauswahl stattfinden, weil das Bundesverfassungsgericht wohl noch die Entscheidung des Bundestages überprüft.

Wenn am 12. Februar 2023 in Berlin gewählt wird, handelt es sich um eine Wiederholungswahl, keine Neuwahl. Das bedeutet, dass dieselben Kandidatinnen und Kandidaten antreten wie 2021. Es ist erst das zweite Mal seit Gründung der Bundesrepublik, dass ein Gericht eine Landtagswahl für ungültig erklärt. Das erste Mal passierte dies 1991 in Hamburg wegen Mängeln bei der Kandidatenaufstellung der CDU.

Eine Folge der Wahlwiederholung könnte eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Abgeordnetenhaus sein. Im September 2021 lag die SPD vor den Grünen auf Platz eins. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) kann aber nicht sicher sein, dass sich das wiederholt. Denkbar ist etwa eine neue Landesregierung unter Führung von Bettina Jarasch (Grüne). Auch die Opposition macht sich Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung. (mit dpa, AFP)

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