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Mit einem roten Herz ging die SPD Berlin in den Wahlkampf.

© IMAGO/IPON

Update

YesGroko-Aufruf in Berlin: Initiative namhafter Sozialdemokraten unterstützt Schwarz-Rot

Bislang führten vor allem Jusos und Parteilinke der SPD in der Öffentlichkeit das Wort – gegen eine Koalition mit der CDU in Berlin. Jetzt melden sich Befürworter.

Lange gaben Jusos und Parteilinke der Berliner SPD zu den Koalitionsgesprächen mit der CDU den Ton an: nicht progressiv, Rückschritt, der falsche Weg. Das Urteil zu Schwarz-Rot schien – jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung – klar. Jetzt äußern sich namhafte Sozialdemokraten bis hin zur Ebene von Bundestagsabgeordneten, Staatssekretären und Ex-Senatoren, vor dem Mitgliederentscheid sprechen sie sich für eine Koalition mit der CDU aus.

Die Befürworter eines Regierungsbündnisses mit den Christdemokraten und die „schweigende Mehrheit“, wie es ein Funktionär nennt, hielten lange Zeit still, jetzt ergreifen sie das Wort. Am Montag, nach Vorstellung des Koalitionsvertrags, wurde der von mehr als 100 SPD-Mitgliedern unterzeichnete Aufruf mit dem Titel „Besser mit uns. Aus Verantwortung für Berlin“ für Schwarz-Rot veröffentlicht.

„Die SPD muss Verantwortung für Berlin übernehmen“, heißt es in dem zweiseitigen Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt. „Nur mit der SPD hat ein Bündnis die Kraft, die Stadt als Ganzes zu denken. Berlin braucht die SPD, damit Berlin für alle funktioniert!“ Die Berliner hätten der SPD bei der Wiederholungswahl „einen Auftrag gegeben, die Verantwortung für diese Stadt neu zu sortieren“, heißt es dort weiter. „Dem wollen wir uns stellen.“

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Die Berliner SPD stehe jetzt vor einer Richtungsentscheidung. Und die Partei stehe vor der Frage, ob sie „als Gestalterin der Stadt“ in einem schwarz-roten Bündnis erhalten bleibe oder „ob sie in eine ungewisse und wahrscheinlich lange Zeit der Opposition geht und damit die Gestaltungsmacht aus der Hand geben will“.

Bislang hatten vor allem Jusos und Parteilinke der SPD in der Öffentlichkeit Druck gemacht – gegen ein Bündnis mit der CDU. Es gab Beschlüsse von Kreisdelegiertenversammlungen und Kreisvorständen. Das Bild war gespalten. In den Medien fand die Spitze der Berliner Jusos breiten Raum für ihre „NoGroko“-Kampflinie. 

Unter den Erstunterzeichnern sind Ex-Senatoren und Staatssekretäre

Offenbar wussten Jusos und Parteilinke, dass die Stimmung an der Basis auch ganz anders aussehen könnte. Hinter den Kulissen plädierten nicht wenige Sozialdemokraten dafür, zunächst abzuwarten, was bei den Verhandlungen mit der CDU herauskommt. Das Ergebnis liegt nun vor – jetzt formiert sich Widerstand in der SPD gegen die Parteilinke und für eine „YesGroko“-Linie.

Die SPD Berlin habe bei dieser Wahl historisch schlecht abgeschnitten, die Optionen für die SPD seien „allesamt schwierig“, heißt es in dem Aufruf. „Aufgabe ist es nun, die beste Möglichkeit für Berlin und die SPD zu finden“.

Abrechnung mit Grünen und Linken

Einer Neuauflage von Rot-Grün-Rot erteilen die Unterzeichner des Aufrufs eine Absage. „Zwar gäbe es eine parlamentarische Mehrheit für ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linken – eine solche Koalition lässt das Wahlergebnis und den Willen vieler Wähler:innen jedoch außen vor“, heißt es in dem Papier. „Denn während Rot-Grün-Rot rund 250.000 Stimmen verlor, hat die CDU rund 100.000 Stimmen dazu gewonnen.“

Auch sonst rechnen die Unterzeichner mit den bisherigen Bündnispartnern ab. „Die bisherige Koalition aus SPD, Grünen und Linken hat es in den letzten sechs Jahren offensichtlich nicht geschafft, die Wünsche und Bedürfnisse vieler Bürger:innen wahrzunehmen, sie zu adressieren und ihre persönliche Lebenssituation spürbar zu verbessern“, ist in dem Aufruf zu lesen. „Viele Berliner:innen haben deshalb immer mehr den Eindruck gewonnen, dass Partikularinteressen durchgesetzt und gegen andere Interessen ausgespielt wurden.“

Die Bürger wünschten sich stattdessen „politische Klarheit, Führung und Lösungen für die drängenden Themen der gesamten Stadt“. Die Erfolge des Senats – Entlastung in der Energiekrise, die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen – seien in den Hintergrund gerückt, dem Senat sei stattdessen mangelnde Handlungsfähigkeit attestiert worden. Die Verantwortung hätten die Wähler vor allem der SPD angelastet. Die Partei habe „ihre Mehrheit nicht dafür genutzt, der Klientelpolitik lösungsorientierte Antworten entgegenzusetzen“.

Die Silvesterkrawalle hätten den fatalen Eindruck manifestiert, der Staat sei machtlos und hätte sich oft zurückgezogen. Schließlich stellen die Erstunterzeichner fest: Der Eindruck, der SPD fehle die Problemlösungskompetenz, habe sich durch die Geschehnisse fortgesetzt. „Die Verantwortung müssen wir tragen. Das Wahlergebnis ist dafür die Quittung und spricht aus unserer Sicht eine eindeutige Sprache“, heißt es im Aufruf. „Für uns ist deshalb klar, dass sich in der Art zu regieren etwas ändern muss.“

Das für einen funktionierenden Senat notwendige vertrauensvolle Miteinander sowie die gemeinsame Vision für die Stadt fehlte.

Aufruf #Bessermituns von Berliner Sozialdemokraten über Rot-Grün-Rot

Die Abrechnung mit Grünen und Linken ist deutlich: „Ein Fortführen von Rot-Grün-Rot wäre nur mit großen inhaltlichen Veränderungen, einer anderen Art der Zusammenarbeit und der Kommunikation möglich gewesen“, heißt es im Papier. „Die Gespräche zwischen den drei Parteien liefen jedoch wenig konsensorientiert. Das für einen funktionierenden Senat notwendige vertrauensvolle Miteinander sowie die gemeinsame Vision für die Stadt fehlte.“

Zugleich geben die Unterzeichner zu, dass es in der Partei wegen Schwarz-Rot grummelt. „Das Ende von Rot-Grün-Rot und eine mögliche Koalition mit der CDU ist für viele von uns ein harter Schritt, der innerhalb der Partei auch auf Kritik und Ablehnung stößt“, steht in dem Papier. „Die spaltenden und polemischen Zuspitzungen der CDU im Wahlkampf haben wir nicht vergessen. Solchen Aussagen treten wir entgegen.“ Es ist eine Anspielung auf die Debatte um Vornamen von Silvesterrandalierern.

Eine Koalition mit der CDU sei keine Liebesheirat. Das seien Koalitionen aber nie. „Es geht stattdessen um das Umsetzen möglichst vieler politischer Initiativen im gemeinsamen Regierungsauftrag für eine definierte Zeit“, heißt es im Aufruf. „Die Verhandlungserfolge zeigen, dass dies mit der CDU möglich ist und wir viele unserer sozialdemokratischen Ziele umsetzen können.“

Zentral sei dabei die Feststellung, dass sich beide Parteien zu Berlin als weltoffener Metropole und Stadt der Vielfalt bekennen würden. Das sei die gemeinsame Geschäftsgrundlage.

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