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Französische Soldaten auf dem Weg zu Niamey-Air-Base in Niger (Archivbild).

© imago/Le Pictorium/Antonin Burat

Macron beugt sich der Junta im Niger: Folgt auf Frankreichs Rückzug aus der Sahelzone nun die Bundeswehr?

Nach der französischen Kehrtwende stellt sich die Frage: Was macht Deutschland jetzt? Eine offizielle Antwort darauf gibt es aus Berlin nicht, dafür klare Einschätzungen von Sicherheitsexperten.

Mit einigen, fast lakonisch wirkenden Sätzen, hat der französische Präsident Emmanuel Macron seine Kehrtwende in Sachen Niger publik gemacht.

In einem kurzfristig anberaumten Fernsehinterview am Sonntagabend wollte Macron wohl den Rückenwind der schönen Bilder der vergangenen Woche nutzen, in der er den britischen König Charles III. empfangen und in Marseille den Papst getroffen hatte, um auf die Sorgen der Franzosen eingehen: Inflation, Kaufkraftverlust, Benzinpreise, Immigration.

Und dazwischen hieß es plötzlich: „Frankreich hat beschlossen, seinen Botschafter in den nächsten Stunden nach Frankreich zurückzuholen und die militärische Kooperation mit den De-facto-Behörden in Niger zu beenden, da sie nicht mehr gegen den Terrorismus kämpfen wollen.“ Zumindest jedenfalls nicht mehr gemeinsam mit Frankreich. Welche konkreten Auswirkungen diese Ankündigung für die ebenfalls in Niger präsente Bundeswehr haben wird, ließ die Bundesregierung am Montag offen.

Botschafter saß zwei Monate in Botschaft fest

Damit hat Macron seine unnachgiebige Linie gegenüber der Junta, die sich im Juli an die Macht geputscht hatte, aufgegeben. Bisher hatte er sowohl die Ausweisung des französischen Botschafters Sylvains Itté als auch die Aufkündigung aller Militärabkommen mit Niger durch die Putschisten ignoriert.

Weil nicht sie, sondern nur der gestürzte, unter Hausarrest stehende Präsident Mohamed Bazoum die Legitimität für solche Entscheidungen besäße.

Doch nun sollen die etwa 1500 Soldaten in den nächsten Wochen und spätestens bis Jahresende abgezogen werden. Und der Botschafter, der seit zwei Monaten eingeschlossen in der Botschaft ausharrt, darf heimkehren.

Das war von Anfang an die einzige Lösung.

Thierry Vircoulon, vom französischen Institut für Internationale Beziehungen (IFRI)

„Eine andere Entscheidung war nicht möglich“, sagt Thierry Vircoulon, Koordinator für zentrales und südliches Afrika am französischen Institut für Internationale Beziehungen. „Das war von Anfang an die einzige Lösung.“  Soldaten gegen den Willen der aktuellen Führung Nigers im Land zu belassen, wäre einer „militärischen Besatzung“ gleichgekommen, sagte Vircoulon der Pubikation „EuroWeekly“.

Präsident Emmanuel Macron im TV-Interview, in dem fast beiläufig verkündete, dass er sich dem Willen der Junta in Niger beugen wird.
Präsident Emmanuel Macron im TV-Interview, in dem fast beiläufig verkündete, dass er sich dem Willen der Junta in Niger beugen wird.

© action press/Jacques Witt/SIPA

Für den französischen Sicherheitsexperten Jonathan Guiffard zeigt die Entscheidung den Willen, „den Putschisten die Verantwortung zu überlassen und Frankreich aus der Rolle des neuen Feindes zu befreien“. Diese „vernünftige“ Entscheidung sei gefallen, als klar war, dass eine mögliche Militärintervention der Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft zu destabilisierend sein könnte, sagte der Fellow am Institut de Montaigne dem Tagesspiegel, der früher im Verteidigungsministerium gearbeitet hatte.

Der Abzug ist nach den Rauswürfen durch Putsch-Regime aus Mali und Burkina Faso 2022 und 2023 noch bitter für Frankreich. Nach den Erfahrungen in den Nachbarländern hatte es in Niger einen anderen Ansatz gewählt, der die neue Afrika-Sicherheitspolitik verkörpern sollte.

„In Niger, wie im Rest Afrikas, ist unsere philosophische Position eine andere als zuvor in Mali: Unsere Unterstützung orientiert sich zuallererst an den Bedürfnissen des Partners“, hatte der Kommandant der französischen Truppen in der Sahelzone, General Bruno Baratz, im Mai erklärt. Unter Führung der nigrischen Armee wollten die Franzosen Training, Aufklärung und Waffen zur Verfügung stellen, aber keine eigenen Missionen mehr durchführen.

Luftraum für Air France und Militärflüge gesperrt

Paris will nun mit den Machthabern in Niamey über einen geordneten Abzug von Botschafter und Soldaten verhandeln. Angesichts der verhärteten Fronten ist dieser ist keineswegs gesichert.

Kurz vor Macrons Rede hatte Niger am Sonntag den Luftraum ausschließlich für die französische Fluggesellschaft Air France und militärische Flüge gesperrt. Die Polizei bekam die Anweisung, den französischen Diplomaten festzunehmen, sobald er das Botschaftsgelände verlässt. Seine Immunität sei da bereits aufgehoben und das Visum zurückgezogen worden.  

General Abdourahmane Tchiani, Kommandant der Präsidialgarde, hatte den Präsidenten Nigers am 26. Juli gestürzt.
General Abdourahmane Tchiani, Kommandant der Präsidialgarde, hatte den Präsidenten Nigers am 26. Juli gestürzt.

© picture alliance / AA/Balima Boureima

„Die militärische Unterstützung der Kampfhandlungen der Alliierten im Sahel ist damit beendet“, analysiert Guiffard. Nicht aber der Kampf gegen den Jihadismus in der Region. Frankreichs Verbündete wie Benin und die Elfenbeinküste würden mit Ausbildung und Technik in ihrem Kampf weiter unterstützt.

Frankreich muss eine diskretere Politik der wirtschaftlichen und kulturellen Kooperation verfolgen und stärker europäisch kommunizieren.

Jonathan Guiffard, Institut Montaigne

„Aber französische Bodentruppen im Kampfeinsatz – das wird es wahrscheinlich nicht mehr geben.“ Vielmehr müsse Frankreich eine „diskretere“ Politik der wirtschaftlichen, kulturellen Kooperation verfolgen und stärker im europäischen Rahmen in Afrika auftreten und kommunizieren. Derzeit diene Frankreich als „Sündenbock“ für sehr vieles.

Berlin sieht keinen „Automatismus“ für Bundeswehr

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte in Berlin am Montag, dass die deutsche Regierung Ablauf und genaue Fristen des französischen Rückzugs noch nicht kenne und mit Bekanntwerden weiterer Details „ganz genau prüfen“ werde, was daraus für den deutschen Einsatz folge. Es gebe jedoch, so der Sprecher weiter, „keinen Automatismus für irgendwas“.

In einem am Interview mit der französischen Zeitung „Le Monde“ hatte Verteidigungsminister Pistorius am 20. September allerdings gesagt, „sollten die französischen Einheiten das Land verlassen, würde sich selbstverständlich auch für uns die Frage eines Abzuges umso mehr stellen“.

100
Soldaten der Bundeswehr sind in Niger stationiert

Regierungssprecher Steffen Hebestreit darauf, dass die Situation der deutschen nicht unbedingt mit der der französischen Soldaten in Niger vergleichbar sei, weil die ehemalige Kolonialmacht Frankreich in Niger „noch stärker im Fokus und unter Druck stand“.

Die Bundeswehr betreibt mit rund 100 Soldatinnen und Soldaten in der Hauptstadt ein Luftdrehkreuz, über das der zum Jahresende abzuschließende Rückzug aus dem Nachbarland Mali abgewickelt wird. Nach dem Putsch dort galt Niger den deutschen Militärplanern als sichere Alternative.

Erst im März hatte der Bundestag die deutsche Beteiligung an einer EU-Ausbildungsmission für das nigrische Militär beschlossen. Die Bundeswehr hatte es schon zuvor im Rahmen einer Operation namens „Gazelle“ für den Anti-Terror-Kampf ausgebildet.

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