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Erdogan hebt Blockade von schwedischem Nato-Beitritt auf

© dpa/Francisco Seco

F-16-Jets und einen Gipfel-Bonus: Erdoğans Ja zu Schwedens Nato-Beitritt gibt es keineswegs gratis

Die Türkei winkt nun doch Schwedens Nato-Beitritt durch. Mit seinem Poker hat Erdoğan bekommen, was er wollte – doch im Westen ist er unbeliebt, der nächste Streit steht bereits an.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat mit dem Gezerre um den schwedischen Nato-Beitritt sein Hauptziel erreicht: Er hat den Westen gezwungen, die Türkei und ihre Interessen ernst zu nehmen.

Mit seiner konfrontativen Taktik macht sich Erdoğan allerdings in Europa und den USA unbeliebt.

Nach 20 Jahren im internationalen Geschäft weiß Erdoğan, mit welchen Themen man den Westen aufschrecken kann. Zuerst verhinderte er mit seiner Veto-Drohung ein Jahr lang die Norderweiterung der Nato, um die USA zur Lieferung von Kampfflugzeugen zu bewegen.

Geht Erdoğan auf Abstand zu Putin? 

Dann sattelte er kurz vor dem Gipfeltreffen in Vilnius mit dem Ruf nach Fortschritten im komatösen EU-Beitrittsprozess der Türkei darauf.

Erdoğan weiß, dass die Türkei keine Chance hat, in die EU aufgenommen zu werden. Er stellte die Forderung, um Verhandlungsmasse aufzubauen. EU-Ratspräsident Charles Michel versprach in Vilnius, neuen Schwung ins türkisch-europäische Verhältnis zu bringen. Genau den braucht Erdoğan, um sein Land aus der Wirtschaftskrise zu bringen. Die EU ist der größte Handelspartner der Türkei.

In den ebenfalls belasteten Beziehungen der Türkei zu den USA kann Erdoğan nach seiner Zustimmung zum schwedischen Beitritt mit der Lieferung von Kampfjets des Typs F-16 an die türkische Luftwaffe rechnen. Die Regierung von Präsident Joe Biden sagte zu, beim Kongress für grünes Licht zu dem Geschäft zu werben.

Als zusätzlichen Bonus erhielt Erdoğan in Vilnius die Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch mit Biden, der den türkischen Staatschef sonst auf Distanz hält.

Erdoğan lässt mit seinem Ruf nach einer engeren Anbindung der Türkei an Europa erkennen, dass er sich wieder mehr am Westen orientieren will. Vor dem Nato-Gipfel empfing er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Istanbul, entließ gegen russischen Protest ukrainische Offiziere aus der Inhaftierung in der Türkei und sprach sich für eine rasche Nato-Aufnahme der Ukraine aus.

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F-16-Jäger wollte die Türkei schon 2021 von den USA kaufen.

Mit dieser Parteinahme für Kiew enttäuschte er den russischen Staatschef Wladimir Putin, der bisher sein enger Partner war.

Diese Signale gingen in Vilnius jedoch im Krach um den schwedischen Beitrittswunsch unter, den Erdoğan losgetreten hatte. Alles, was der türkische Präsident jetzt erreicht hat, hätte er schon vor Monaten haben können, ganz ohne Drama.

Er zog es vor, den Streit in der Nato auf die Spitze zu treiben, um am Ende ein Problem zu lösen, das er selbst geschaffen hat. Nach türkischen Medienberichten soll das türkische Parlament nächste Woche der Nato-Erweiterung zustimmen – wenn Erdoğan sich bis dahin nicht wieder über Schweden aufregt.

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