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Die Sonnenallee, das Zentrum des arabischen Berlins, war seit dem tödlichen Terror der Hamas in Israel am 7. Oktober und dem Krieg von Israel in Gaza Schauplatz mehrerer pro-palästinensischer Demonstrationen.

© imago/IPON/imago

EU-Innenminister zu Terrorgefahr:   „Belastungsprobe für innere Sicherheit“  

In Paris tötet ein Franzose einen Deutschen und äußert seine Wut über die Lage in Gaza. Die Terrorgefahr in der EU wächst. Darüber beraten die EU-Innenminister.

| Update:

Am Samstagabend traf der womöglich islamistisch motivierte Terror einen jungen deutschen Touristen in Paris. Ein polizeibekannter 26-jähriger Mann griff wenige Meter vom Eiffelturm entfernt ein Touristenpaar mit einem Messer an, verletzte den Deutschen tödlich. Auf seiner Flucht vor der Polizei griff er zwei weitere Personen mit einem Hammer an, bevor er festgenommen wurde.

Innenminister Gerald Darmanin zufolge handelt es sich um einen französischen Staatsbürger. Der Festgenommene war 2016 nach amtlichen Angaben zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er einen Anschlag geplant hatte. Er stand laut Darmanin auf der Beobachtungsliste der französischen Sicherheitsdienste und sei auch für seine psychischen Störungen bekannt gewesen. Der Mann habe „Allahu Akbar“ (Gott ist der Größte) gerufen und der Polizei gesagt, er sei wütend, weil „so viele Muslime in Afghanistan und in Palästina sterben“, sagte Darmanin. Auch über die Situation in Gaza sei er wütend. Die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft erklärte, sie sei mit den Ermittlungen betraut.

„Meine Gedanken sind bei Freunden und Familie des jungen Deutschen, der bei dem mutmaßlich islamistischen Angriff getötet wurde“, schrieb Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Sonntag auf der Plattform X, sprach von einem mutmaßlich islamistischen Angriff.

„Belastungsprobe für unsere innere Sicherheit“

Die tödliche Attacke ist nur ein Beispiel dafür, wie seit dem Überfall der Hamas auf Israel die Polarisierung in den Gesellschaften in der EU zugenommen hat. Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit sind seit dem 7. Oktober in den sozialen Netzwerken verstärkt präsent. „Das wird zur Belastungsprobe für unsere innere Sicherheit“, sagt ein EU-Diplomat. An diesem Dienstag wollen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und ihre EU-Amtskollegen in Brüssel über die Lage diskutieren.

Wie es aus dem Innenministerium hieß, gehe es bei dem Treffen nicht nur darum, der „Hate Speech“ im Netz zu begegnen, sondern auch die islamistische Szene weiter zu beobachten und die Radikalisierung von Einzeltätern zu verhindern. Derzeit stuft das Bundeskriminalamt (BKA) 479 Islamisten als Gefährder ein. Außerdem sorgte das BKA dafür, dass inzwischen etwa 170 Kanäle oder Inhalte allein aus dem Netzwerk Telegram entfernt wurden, mit denen nach den Worten von Faeser „widerwärtige antisemitische und islamistische Propaganda verbreitet wurde“.

Jüdinnen und Juden fühlen sich in ihrem Alltagsleben, vor allem wegen der Zunahme des Hasses auf Israel seit dem 7. Oktober, bedrohter denn je.

Dietmar Köster, SPD-Europaabgeordneter

Immer mehr minderjährige islamistische Täter

Faeser hatte sich bereits bei der deutsch-französischen Klausurtagung im Oktober in Hamburg mit ihrem Pariser Amtskollegen Darmanin über die Auswirkungen des Nahost-Konfliktes auf die hiesige Sicherheitslage ausgetauscht. Frankreich stehe unter den westlichen Ländern ganz besonders im Fokus der islamistischen Terrorgefahr, sagte Darmanin jüngst. Bei den islamistischen Tätern handele es sich zunehmend auch um Minderjährige, die keinerlei Verbindungen zu organisierten Netzwerken aufwiesen, erklärte der Minister.

Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich in Deutschland ab. In der Kleinstadt Wittstock (Brandenburg) war in dieser Woche ein 16-jähriger Jugendlicher festgenommen worden, der zusammen mit einem Teenager aus Nordrhein-Westfalen über das Internet einen Terroranschlag auf einen Weihnachtsmarkt geplant haben soll. 

Bei dem Brüsseler Treffen an diesem Dienstag ist geplant, dass die EU-Innenminister über den Stand der Zusammenarbeit zwischen den für die Terrorismusbekämpfung zuständigen Behörden in den europäischen Mitgliedsländern unterrichtet werden. Dass die Situation in der Gemeinschaft als ernst eingestuft wird, zeigt sich daran, dass der spanische EU-Vorsitz im Oktober den Krisenmechanismus IPCR auslöste. Zuletzt war dieser Mechanismus nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 und nach dem Erdbeben im syrisch-türkischen Grenzgebiet im vergangenen Februar aktiviert worden.

Franzosen mit jüdischen Familiennamen vermehrt diskriminiert

Nach dem Beginn des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen hat die Zahl der antisemitischen Vorfälle nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen EU-Ländern schlagartig zugenommen. In Frankreich gab es zwar Anfang November eine landesweite Demonstration gegen den Antisemitismus, an der rund 180.000 Menschen teilnahmen. Das ändert aber nichts daran, dass Franzosen, die jüdische Familiennamen wie Lévy oder Cohen tragen, über vermehrte Diskriminierungen im Alltag berichten.

Von dem Treffen der EU-Innenminister müsse die „klare Botschaft“ ausgehen, dass es „null Toleranz hinsichtlich Antisemitismus“ geben dürfe, sagte der SPD-Europaabgeordnete Dietmar Köster dem Tagesspiegel. „Der Anstieg der Anzahl antisemitischer Übergriffe in der EU ist zutiefst besorgniserregend“, sagte er weiter. „Jüdinnen und Juden fühlen sich in ihrem Alltagsleben, vor allem wegen der Zunahme des Hasses auf Israel seit dem 7. Oktober, bedrohter denn je“, sagte Köster. Deshalb müssten die Innenministerinnen und -minister der EU „dafür sorgen, dass jüdisches Leben in der EU geschützt wird“.

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