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In Deutschland soll noch in diesem Jahr der private Konsum und Anbau von Cannabis erlaubt werden.

© picture alliance / dpa/Marijan Murat

Freigabe von Cannabis: Diese Staaten könnten Lauterbachs Kurs in der EU unterstützen

Für den Gesundheitsminister sind Cannabis-Anbauvereine nur der erste Schritt. Auf EU-Ebene will er eine Lockerung des europäischen Rechts herbeiführen.

Nach den Plänen der Bundesregierung soll noch in diesem Jahr der private Konsum und Anbau von Cannabis erlaubt werden. Aber Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich bei der Cannabis-Legalisierung noch mehr vorgenommen: Berlin sucht auf EU-Ebene nach Partnern, um gemeinsam eine Liberalisierung beim Handel mit dem Rauschmittel durchzusetzen.

Nach den Worten des SPD-Berichterstatters für Drogen- und Suchtpolitik im Bundestag, Dirk Heidenblut, soll Mitte des Monats der zwischen den Ressorts abgestimmte Gesetzentwurf für die „Cannabis-Clubs“ präsentiert werden.

Cannabis-Clubs für den Eigenkonsum

Der Plan: Diese nicht-gewinnorientierten Vereinigungen dürfen unter engen, klar definierten gesetzlichen Rahmenbedingungen gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und an Mitglieder über 18 Jahre für den Eigenkonsum abgeben. Im Herbst soll dann ein weiterer Entwurf folgen, der in Modellprojekten die Abgabe von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglicht.

Weitergehende Pläne der Ampel-Koalition für einen flächendeckenden Handel mit Cannabis waren allerdings auf EU-Ebene ausgebremst worden. Deshalb will die Bundesregierung in den kommenden Monaten damit beginnen, parallel zum deutschen Gesetzgebungsverfahren innerhalb der EU die Erfolgschancen für eine Liberalisierung beim Cannabis-Handel auszuloten.

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Die EU-Kommission überlässt es zwar den Mitgliedstaaten, wie sie den persönlichen Konsum von Drogen, einschließlich Cannabis, regeln. Anders sieht es aber beim Handel aus. In einer EU-Richtlinie von 2004 heißt es, dass der illegale Drogenhandel „eine Bedrohung der Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität der Bürger“ darstelle.

Die Entwicklungen in der Cannabis-Politik in den EU-Mitgliedstaaten würden genau verfolgt, sagte ein Sprecher der EU-Kommission dem Tagesspiegel. Insbesondere die Auswirkungen von Gesetzesnovellen zur Cannabis-Politik auf Gesundheit und Kriminalität stünden im Blickpunkt, sagte er weiter. Anders gesagt: Würde Deutschland in den geplanten Modellregionen nachweisen, dass sich der Schwarzmarkt damit zurückdrängen lässt, könnte das auch ein Hebel zu einer Änderung der EU-Gesetzgebung sein.

„Nahezu alle EU-Länder haben festgestellt, dass sie mit ihrem bisherigen Ansatz in der Cannabis-Politik nicht weiterkommen“, sagt der SPD-Drogenpolitiker Heidenblut. So sei in den Niederlanden die bisherige Politik gescheitert, die den Konsum von Cannabis zwar tolerierte, aber die Herstellung und den Großhandel verbot. „Aus diesem Grund wird es in den Niederlanden regionale Modellversuche mit einer Legalisierung des Handels geben, wie sie auch in Deutschland geplant sind“, so Heidenblut.

Anfang des Monats fand in Berlin eine Demonstration zur Cannabislegalisierung statt.
Anfang des Monats fand in Berlin eine Demonstration zur Cannabislegalisierung statt.

© dpa/Annette Riedl

Zu den Ländern, die den Kurs der Bundesregierung ebenfalls unterstützen könnten, gehören Spanien – wo es „Cannabis-Clubs“ bereits gibt – Malta und Luxemburg. Im Großherzogtum war die Legalisierung beim Handel mit der Droge geplant, bevor die Regierung 2021 einen Rückzieher machte. Tschechien und Dänemark sind ebenfalls auf Legalisierung-Kurs.

Portugal als Vorreiter bei der Entkriminalisierung von Cannabis-Konsum

Aus Sicht der Fachpolitiker in Deutschland ist vor allem das Beispiel Portugals interessant, wo man 25 Gramm Cannabisblüten mit sich führen kann. Gleichzeitig wird in dem Land auf der iberischen Halbinsel großer Wert auf Entzugs- und Rehabilitationsprogramme gelegt. Die Folge: Portugal gilt als Vorreiter bei der Entkriminalisierung und liegt gleichzeitig beim Cannabis-Konsum im EU-Vergleich am unteren Ende der Liste.

Es sollten die Fachpolitiker aus anderen EU-Ländern eingeladen werden, sich vor Ort ein Bild zu machen.

Dirk Heidenblut, SPD-Berichterstatter für Drogen- und Suchtpolitik

Zu einem möglichen Partner wird Portugal für Deutschland auch deshalb, weil das Land Medizinal-Cannabis exportiert. Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben in Deutschland seit 2017 unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Cannabis. Der Markt für portugiesische Produzenten könnte also größer werden, wenn auch die Legalisierung von Genusscannabis in Deutschland kommt.

„Wenn die regionalen Modellversuche in Deutschland angelaufen sind, sollten die Fachpolitiker aus anderen EU-Ländern eingeladen werden, sich vor Ort ein Bild zu machen“, sagt Heidenblut. Allerdings zeichnet sich nach seinen Worten noch keine Mehrheit unter den EU-Staaten für eine flächendeckende Liberalisierung des Handels ab. „Aber es besteht durchaus noch Überzeugungspotenzial“, sagt er. 

Selbstverständlich soll niemand im Rausch Auto fahren dürfen.

Swantje Michaelsen, Grünen-Verkehrsexpertin

Die Regierung in Portugal will erst einmal abwarten, welche Ergebnisse die deutschen Modellversuche bringen, bevor man sich zugunsten einer weiteren möglichen Liberalisierung entschließt.

In anderer Hinsicht ist Deutschland in der Cannabis-Politik indes kein Vorreiter innerhalb der EU: Wie in der vergangenen Woche bei einer Regierungsbefragung im Bundestag deutlich wurde, will Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bei den Regeln im Straßenverkehr offenbar am strengen Grenzwert für den Wirkstoff THC festhalten.

Allerdings ist laut Studien die Fahrtüchtigkeit erst oberhalb des derzeit in Deutschland geltenden Grenzwerts beeinträchtigt. In den Niederlanden führt schon seit Jahren erst die Überschreitung eines höheren Grenzwerts zu einem Bußgeld.

„Selbstverständlich soll niemand im Rausch Auto fahren dürfen. Mit der aktuellen Regelung wird aber Cannabis-Konsum auch dann mit Führerscheinentzug bestraft, wenn keinerlei Wirkung mehr vorliegt“, sagte die Grünen-Verkehrsexpertin Swantje Michaelsen dem Tagesspiegel.

Spätestens mit der Legalisierung des Cannabis-Konsums müsse daher eine Überarbeitung der Regelungen und Grenzwerte vorgelegt werden. Die Überarbeitung müsse Verkehrssicherheit als oberstes Ziel haben „und deshalb an der Überprüfung der Fahrtauglichkeit ausgerichtet werden“, forderte sie. „Das werden wir, wenn nötig, im parlamentarischen Verfahren in der Ampel klären“, kündigte Michaelsen an.

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