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Ein Mann hält sich an einem Stacheldrahtzaun im Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos fest.

© Reuters/Yara Nardi

Streit um EU-Asylsystem: Grüne gegen Verfahren an Außengrenzen – Faeser widerspricht

Die Öko-Partei warnt davor, dass EU-Beschlüsse zum Asylsystem zu neuen Lagern an den Außengrenzen führen. SPD-Fraktionsvize Wiese fordert die Grünen indes zum Einlenken auf.

In der Ampel-Koalition gibt es Streit um die EU-Asylpolitik. Vor einem entscheidenden EU-Treffen gehen die Grünen auf Distanz zu einer Einigung mit SPD und FDP, die verschärfte Kontrollen von Migranten an den EU-Außengrenzen vorsieht. Die schleswig-holsteinische Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) lehnte Asylverfahren an den EU-Außengrenzen für Migranten aus Ländern mit einer niedrigen Anerkennungsquote ab.

Solche Verfahren würden dazu führen, dass es künftig „noch viel mehr Lager wie Moria“ geben werde, sagte sie dem Tagesspiegel mit Blick auf das griechische Flüchtlingslager.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will hingegen an der Einigung festhalten, die in der Ampel erzielt wurde. „Unsere gemeinsame Haltung in der Bundesregierung ist ganz klar: Wir schützen die Menschen, die vor Krieg und Terror geflüchtet sind“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Damit wir hierzu weiter in der Lage sind, müssen wir die irreguläre Migration begrenzen“, fügte sie hinzu.

Mit dem gemeinsamen Europäischen Asylsystem werde für eine verlässliche Identifizierung, Registrierung und Überprüfung von Menschen bereits an den EU-Außengrenzen gesorgt, so Faeser. Der Beschluss unter den EU-Mitgliedstaaten über die sogenannte Screening-Verordnung sei ein „wichtiger Durchbruch“ gewesen.

Bei den gegenwärtigen Verhandlungen auf EU-Ebene über die Grenzverfahren gehe es darum, „binnen kurzer Fristen über den Schutz von Menschen mit geringer Aussicht auf Asyl in der EU zu entscheiden“, sagte die Innenministerin. Die Bundesregierung setze sich hier „für konsequenten Menschenrechtsschutz und rechtsstaatliche und faire Verfahren an den EU-Außengrenzen ein“.

Die verlässliche Kontrolle der EU-Außengrenzen ist nach den Worten der SPD-Politikerin entscheidend, „damit wir im Inneren ein Europa der offenen Grenzen bleiben können – und so eine der ganz zentralen Errungenschaften der EU erhalten können“. Gleichzeitig müsse eine Einigung über die Reform der bisherigen Dublin-Regeln erzielt werden, um irreguläre Sekundärmigration – also das unkontrollierte Weiterziehen in andere EU-Staaten – zu verhindern, so Faeser.

Beim EU-Innenministertreffen am 8. und 9. Juni in Luxemburg strebt die deutsche Ressortchefin gemeinsam mit ihren europäischen Amtskollegen Verschärfungen bei den Verfahren an den EU-Außengrenzen für Migranten an. Gleichzeitig wird eine begrenzte Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten diskutiert, damit Ankunftsstaaten wie Griechenland und Italien entlastet werden.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn verteidigte die geplante Reform des EU-Asylsystems. „Wir brauchen mehr Solidarität mit den Eintrittsländern, aber auch stärkere Prozeduren an den Außengrenzen“, sagte er. „Stärkere Prozeduren sind aber nicht gleichbedeutend mit unmenschlichen Prozeduren“, so Asselborn. „Die EU muss sich an die Menschenrechte halten, und ich werde mich auch dafür einsetzen, dass es Ausnahmen für Familien und Kinder geben soll“, sagte der dienstälteste Außenminister in der EU.

Bilder, wie wir sie in den USA unter Trump gesehen haben, sollte es nicht in der EU geben.

Jean Asselborn, Luxemburgs Außenminister

Familien und Kinder dürften nicht den geplanten Grenzverfahren unterworfen werden, verlangte Asselborn. „Bilder, wie wir sie in den USA unter Trump gesehen haben, sollte es nicht in der EU geben“, sagte er weiter.

Die Grünen-Politikerin Touré lehnte hingegen Verschärfungen strikt ab. „Grenzen, Mauern und Zäune verhindern nicht, dass Menschen vor Krieg und Verfolgung fliehen“, sagte sie. Touré wandte sich auch gegen eine Verlängerung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten.

Den Planungen des Innenministeriums zufolge sollen Georgien und Moldau künftig als sichere Herkunftsstaaten geführt werden. Schleswig-Holstein werde dem im Bundesrat nicht zustimmen, sagte Touré. „Die Forderung nach mehr sicheren Herkunftsstaaten ist ein Griff in die Mottenkisten.“

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese hält eine Reform des EU-Asylsystems für überfällig.
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese hält eine Reform des EU-Asylsystems für überfällig.

© Doris Spiekermann-Klaas/Tsp

Ende April hatte Faeser mitgeteilt, dass die Ampel-Koalition sich einig sei, die seit Jahren feststeckende Reform des europäischen Asylsystems voranzubringen. Dazu zählten nach ihren Worten auch Asylverfahren an den EU-Außengrenzen.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese forderte ein Einlenken der Grünen. „Es ist wichtig, dass wir auf europäischer Ebene bei der Reform des gemeinsamen Europäischen Asylsystems nach verlorenen Jahren und vielen Versäumnissen nun endlich zu tragfähigen Ergebnissen kommen“, sagte er.

Die von Innenministerin Faeser und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erarbeitete gemeinsame Position der Bundesregierung sei „eine tragfähige Grundlage, um in Europa in diesem Jahr zu Ergebnissen zu kommen“, sagte Wiese weiter. Die Bürger erwarteten dies auch. „Für einige Grüne muss jetzt klar sein: Wir regieren, und das erfordert manchmal auch schwierige Kompromisse. Für Wohlfühl-Oppositionsromantik in den eigenen Reihen ist da wenig Raum“, sagte Wiese.

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